1968
Eine Gruppe reformierter TheologInnen verfasst die „Erklärung von Bern“. Das Manifest fordert den Bundesrat auf, die „notwendigen politischen Umstellungen“ einzuleiten, um gerechtere Beziehungen zwischen der Schweiz und den armen Ländern zu schaffen. Die Erklärung von Bern wird von fast 10‘000 Menschen unterzeichnet. Die ErstunterzeichnerInnen verpflichten sich selbst, während dreier Jahren 3% ihres Einkommens einem oder mehreren Hilfswerken zukommen zu lassen. Aus dieser Bewegung entsteht die erste unabhängige entwicklungspolitische Organisation mit Fokus Schweiz.
1974
Im November 1974 organisiert die Erklärung von Bern eine Tagung mit über 100 Teilnehmenden aus EvB-Lokalgruppen, kirchlichen und politischen Kreisen. Sie wird zum Meilenstein, weil sich hier die Grundsätze „Aktion – Reflexion – Aktion“ in den künftigen Tätigkeitsbereichen konkretisieren:
1975
Nach einer Vorspuraktion der Berner StudentInnen organisiert die Erklärung von Bern 1975 eine Grossaktion mit dem Verkauf eines löslichen Kaffees in der Schweiz, der von A bis Z in einer tansanischen Kooperative hergestellt wird. Die Wertschöpfung bleibt in Tansania, und der Kaffee leistet so einen Beitrag zur Entwicklung im Land. Ujamaa? Der Name des ersten Fairtrade-Produktes bedeutet auf Suaheli „Gemeinschaftssinn, Solidarität, gemeinsame Arbeit zum Wohle von Allen“. Die EvB gründet mit Hilfswerken die Importorganisation OS3 (Organisation Suisse-Tiers-Monde, heute Claro Fairtrade AG) und trägt damit zur Entwicklung des fairen Handels in der Schweiz bei.
1975
Die Arbeitsgruppe Dritte Welt Bern veröffentlicht die Übersetzung einer Broschüre der britischen NGO "War on Want" mit dem Titel "Nestlé tötet Babies“. Diese deckt auf, wie aggressiv der Konzern im globalen Süden für künstliche Babynahrung anstelle von Muttermilch wirbt. Nestlé reicht an einem Berner Gericht Strafanzeige wegen Verleumdung ein und bekommt ein Jahr später Recht. Die Angeklagten (vertreten durch den bis dahin unbekannten Anwalt Moritz Leuenberger), darunter der spätere EvB-Sekretär Rudolf Strahm, werden zu einer Busse von lediglich 300 Franken verurteilt. Der Richter aber rügt Nestlé und empfiehlt, ihre Praktiken zu ändern, "wenn sie in Zukunft den Vorwurf des unmoralischen und unethischen Verhaltens vermeiden will". Der Prozess ist auch ein Erfolg für die EvB, welche die Aufmerksamkeit der Medien nutzt, um diese und andere unverantwortliche Praktiken des Schweizer Konzerns anzuprangern. Der Nestlé-Prozess führt zum WHO-Verhaltenskodex über Babynahrungswerbung, der heute noch gültig ist.
1975
Die EvB untersucht Rassismus in Kinderbüchern, erarbeitet Kriterien für empfehlenswerte Kinderliteratur und publiziert fortan jährlich eine Broschüre dazu (heute „Fremde Welten“). Sie erarbeitet Unterrichtsmaterialien und bringt das Thema in Schulen, Verlagen, in der Lehrerfortbildung und in der Erwachsenenbildung ein.
1976
Der visionäre Geist der Erklärung von Bern zeigt sich auch beim Verkauf von handgefertigten Jutetaschen aus Bangladesch, „Zeichen der Solidarität mit den dortigen Kleinbauern und Handwerkergenossenschaften“. Mit über 250‘000 verkauften Exemplaren stehen die Jutetaschen auch für den Kampf gegen Plastik, das schon damals als „einer der grössten Verschwender und Verschmutzer unserer Zeit“ angesehen wird.
1977
Im April deckt der „Chiasso-Skandal“ der Tessiner Filiale der Crédit Suisse auf, dass ein wesentlicher Erfolgsfaktor des Finanzplatzes Schweiz Steuerhinterziehung durch ausländische Steuerzahler ist. Die EvB gründet daraufhin mit entwicklungspolitischen Gruppierungen die „Aktion Finanzplatz Schweiz-Dritte Welt“. Mit eigenen Recherchen und Informationsarbeit wird so die SP-Initiative zur Abschaffung des Bankgeheimnisses in Steuerfragen unterstützt. Die Banken bekämpfen die Initiative und bezeichnen sie als versuchte „Marxisierung“ der Wirtschaft. Die Initiative wird 1984 mit 73% abgelehnt, doch die EvB setzt ihren Einsatz gegen Steuerflucht „Made in Switzerland“ und deren verhängnisvolle Folgen für ärmere Länder fort.
1977
Der Tourismus wird zur mächtigsten Industrie und immer mehr arme Länder setzen auf ihn. Gleichzeitig findet im Tourismus die wohl intensivste Kulturbegegnung zwischen Menschen aus Nord und Süd statt. Die EvB regt in Zusammenarbeit mit Hilfswerken und entwicklungspolitischen Organisationen die Gründung eines Vereins an: „akte – Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung“ erforscht zusammen mit NGOs im Süden die Auswirkungen des Tourismus auf arme Länder, fördert das Bewusstsein der Touristen für andere Kulturen und unterstützt lokal verankerte Betriebe.
1977
Zur Unterstützung der Bankeninitiative gründet die EvB mit befreundeten Organisationen die Aktion Finanzplatz Schweiz. Neue Organisationen mit einem klaren Auftrag gründen, sie für andere öffnen und schliesslich autonom werden lassen – dieses Vorgehen hat die EvB mehrfach wiederholt. Auch die Alternative Bank Schweiz, die internationale Koalition „No Patents on Seeds“ und die Clean Clothes Campaign Schweiz starteten in den 70ern, 80ern und 90ern als Spin-offs der EvB.
1980
Anhand konkreter Beispiele sensibilisiert die EvB KonsumentInnen für den zynischen Zusammenhang zwischen Agrobusiness und dem Hunger in der Welt. Dosenananas aus der Migros, die unter erbärmlichen Bedingungen in den Philippinen produziert werden? Mit der Forderung nach Produkten „die gut sind für jene, die sie herstellen, gut für die Umwelt und gut für meine Gesundheit“ übt die Erklärung von Bern Druck auf die Grossverteiler aus. Mit über 9000 Unterschriften fordern Konsumentinnen und Konsumenten die Deklaration der Herkunftsländer und Auskunft über die Produktionsbedingungen. Diese Forderungen bilden den Kern des späteren Max Havelaar Labels.
1981
Sextourismus und Frauenhandel nehmen immer grössere Ausmasse an. 1981 verklagt die EvB einen Barbesitzer in Zürich und strengt einen Prozess gegen ihn an. Das Echo in den Medien ist riesig. In der Folge regt die EvB 1985 die Gründung einer eigenen Organisation an mit dem Auftrag, über die Ursachen von Frauenhandel und Sextourismus zu informieren und Handlungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Das FIZ (heute „Fachstelle zu Frauenhandel und Frauenmigration“) unterhält in Zürich ein Informations- und Begegnungszentrum und setzt sich politisch und sozial für die Opfer des Frauenhandels in der Schweiz ein.
1982
Die Sensibilisierung von Kindern und Jugendlichen für die Ungleichheiten auf der Welt war schon immer Teil der EvB-Mission. In Zusammenarbeit mit Terre des Hommes Schweiz gründet die EvB unter dem Namen „Kinderbuchfonds Dritte Welt“ ein Stipendium zur Förderung guter Literatur aus dem Süden. Daraus geht 1988 die Gründung einer eigenen Buchreihe hervor, die auf den Namen „Baobab“ getauft wird. Seit 2011 ist „Baobabbooks“ ein unabhängiger Verein.
1983
Die EvB veröffentlicht vertrauliche Studien, die belegen, dass die Schweizer Firma Ciba-Geigy (nach der Fusion mit Sandoz 1996 Novartis) vom Krebsrisiko durch Galecron wusste. In der Schweiz ist das Pestizid zu dem Zeitpunkt bereits verboten, da es als gefährlich für die Bevölkerung eingestuft wird. Es wird aber nach wie vor in unzählige Länder des globalen Südens exportiert. 1987 gibt die Firma schliesslich dem Druck nach und verkündet die Einstellung der Produktion.
1985
Spielerisch zu Sensibilisieren ist einer der Ansätze, die die EvB im Laufe der Zeit ausprobierte. Nach dem Vorbild des berühmten „Monopoly“ ermöglicht „MonDopoly“ den Spielenden, den Alltag eines Bauern im Hochland Perus zu erleben und die Schwierigkeiten zu verstehen, mit denen er tagtäglich konfrontiert wird. Das Spiel wird in sieben Sprachen veröffentlicht und ist ein Verkaufsschlager. Anlässlich des 25. Geburtstags der EvB wird 1993 gar ein grosses Mondopoly-Turnier durchgeführt.
1986
Auf den Sturz des philippinischen Diktators Marcos folgt der Skandal: Mehrere hundert Millionen Franken liegen auf Schweizer Bankkonten. Die EvB setzt sich dafür ein, dass das mehrheitlich veruntreute Geld eingefroren wird. Die Schweizer Behörden blockieren das Vermögen. 20 Jahre später und nach einem langwierigen Verfahren werden die Gelder schliesslich an die Opfer von Marcos zurückgegeben. Der Fall Marcos und die Fluchtgelder des nigerianischen Diktators Sani Abacha leiten einen Wandel in der Schweizer Politik zu Potentatengeldern ein.
1989
„Fast die Hälfte der im globalen Süden verkauften Schweizer Medikamente sind wirkungslos, ineffizient oder gar gefährlich.“ Dieser Befund von 1989 lässt einen erschaudern. Um die Praktiken der Schweizer Pharmamultis anzuprangern, verschreibt die EvB „Medi-Minus“, eine als Tablettenschachtel getarnte Informationskampagne. „Medi-Minus“ wird in sechs Sprachen übersetzt und mehr als 100‘000mal verteilt – unter anderem auch durch eine grosse Krankenkasse.
1992
Das Bevölkerungswachstum sei Grund für Hunger und Umweltverschmutzung, heisst es in den 90ern verbreitet. Die Lösung wird in Programmen zur Geburtenkontrolle und Familienplanung im globalen Süden gesucht. Nur: dass die Industriestaaten mit einem Viertel der Weltbevölkerung drei Viertel der Ressourcen verbrauchen, wird in dieser Diskussion oft vernachlässigt. Mit der Kampagne „Konsum macht Hunger“ zeigt die EvB auf, dass Ungleichheiten und ungerechte Verteilung Ursache des Hungers auf der Welt sind, nicht Geburtenraten.
1997
Die EvB lanciert gemeinsam mit Terre des Hommes eine grosse Kampagne „für gerecht produzierte Sportschuhe“. Während die Grossen der Branche mit viel Werbung ein Lebensgefühl zu verkaufen versuchen, zeigt die EvB die Kehrseite des Glanzes und fordert die KonsumentInnen auf, die grossen Marken direkt anzuschreiben und menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu fordern. Fast 40‘000 Protestbriefe werden verschickt.
2000
Als das Weltwirtschaftsforum (WEF) in den Bündner Bergen durch den Besuch des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton im Jahr 2000 weltweite Aufmerksamkeit erhält, organisiert die EvB einen kritischen Gegengipfel, um die mangelnde Transparenz und demokratische Legitimation des WEF anzuprangern. Die von der offiziellen Veranstaltung weitgehend ausgeschlossenen JournalistInnen berichten eifrig über die ersten Ausgaben des Public Eye, einer mehrtägigen Konferenz, die prominente MenschenrechtsvertreterInnen aus aller Welt zusammenbringt.
2001
Die WTO verhandelt in aller Stille ein allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services, GATS), das die schrittweise Liberalisierung von Bildung, Gesundheit und öffentlichen Dienstleistungen verspricht. Dieses Abkommen würde allein wirtschaftlichen Interessen dienen, zum Nachteil der Bevölkerung. „Was, wenn ein Nahrungsmittelmulti die Wasserversorgung übernähme?“ fragt die EvB, und überreicht schliesslich tausende Protestkarten mit der Forderung, den Service public nicht zu liberalisieren, an Bundesrat Pascal Couchepin. Die GATS-Verhandlungen sind bis heute nicht abgeschlossen.
2002
In Koalition mit dem „Pesticide Action Network“ nimmt die EvB ihren langen Kampf gegen Paraquat auf. Aufgrund seiner hohen Toxizität ist Paraquat unter anderem in der EU und der Schweiz seit langem verboten. In Ländern des globalen Südens aber verursacht das Pestizid jährlich tausende Vergiftungen, ausserdem kann es Studien zufolge Parkinson sowie Mutationen des Erbguts hervorrufen. Sechzehn Jahre später ist Paraquat in über 50 Ländern verboten. Viele Labels, Produzenten und Vertriebe haben ihm abgeschworen, doch Syngenta zeigt sich nach wie vor uneinsichtig. Unser Kampf gegen Paraquat und andere hochgiftige Pestizide des Basler Giganten geht weiter.
2003
Aufgrund des strengen Patentschutzes, den die Schweiz ihren Pharmamultis gewährt, sind viele Medikamente, z.B. gegen HIV/Aids, in armen Ländern unerschwinglich. Die EvB und die Aidshilfe fordern deshalb mit der Unterstützung von über 40 Organisationen vom Bundesrat, sich für das Recht auf Gesundheit und den Zugang zu Medikamenten im globalen Süden einzusetzen. Sie appellieren aber gleichzeitig auch an die Pharmabranche (speziell Roche), ihre Preispolitik zu überdenken und so auch der Bevölkerung von armen Ländern den Zugang zu Medikamenten zu ermöglichen.
2003
Am Rande des europäischen Sozialforums beschliesst eine Gruppe von AktivistInnen die Gründung des Tax Justice Network. Ihr Fokus: Steuerparadiese und Offshore-Konstrukte. Nicht nur, weil sie in Steuern einen zentralen Mechanismus zum Abfedern der schädlichen Auswirkungen des zügellosen Kapitalismus sehen. Sondern auch, weil Steuerflucht eine der zentralen Herausforderungen für Länder des globalen Südens ist. Dem Netzwerk – dem die EvB als Gründungsmitglied angehört und das sich heute „Global Alliance for Tax Justice“ nennt – gelingt es, den Kampf gegen Steuerflucht in vielen Ländern auf die politische Agenda zu setzen.
2005
Um den Protesten gegen das WEF den Wind aus den Segeln zu nehmen, beginnt sich dieses um mehr Öffentlichkeit zu bemühen. Die EvB reagiert darauf mit der Gründung der Public Eye Awards, einer Verleihung von Schmähpreisen, welche die mediale Aufmerksamkeit auf Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden durch Multis lenken soll. Diese Strategie des „naming and shaming“ gibt den Opfern eine Stimme und unterstützt zivilgesellschaftliche Kampagnen aus aller Welt. 2015 finden die letzten Public Eye Awards statt – die EvB konzentriert sich ab dann darauf, ihre Forderungen von Davos nach Bern auf die politische Bühne zu tragen.
2008
Die nachhaltige Produktion von Kleidung ist durchaus möglich. Das beweist die EvB mit einem vorbildlich hergestellten T-Shirt. Vom Baumwollfeld in Burkina Faso bis in die Näherei in Indien werden alle Produktionsschritte dieses Kleidungsstücks mit dem Abbild von Sasi Rekha, einer der Frauen, die zu seiner Herstellung beigetragen haben, dokumentiert. In unserem Firmenvergleich wird ausserdem deutlich, dass bezüglich Transparenz und Achtung der Arbeitnehmerrechte enorme Verbesserungen nötig sind.
2009
Um aufzuzeigen, wie Schweizer Hersteller durch ihre Passivität Kinderarbeit auf Kakao-Plantagen in Westafrika tolerieren, lanciert die EvB eine Schockkampagne. Denn obwohl die Industrie das Problem schon lange kennt, unternehmen die meisten Firmen keine ernstzunehmenden Anstrengungen dagegen. Zwei der grössten Schweizer Unternehmen, Nestlé und Barry Callebaut, antworten nicht einmal auf unsere Fragen. Diese Kampagne ist der Beginn unserer Sensibilisierungsarbeit über die dunkle Seite der Schokolade.
2009
Die Schweizer Unterwäsche-Marke Triumph entlässt in Thailand und den Philippinen über 3'600 ArbeiterInnen ohne vorherige Gewerkschaftskonsultation. Mit Unterstützung der Clean Clothes Campaign reichen sie beim Schweizer Kontaktpunkt (NKP) für die OECD-Leitsätze Beschwerde ein – umsonst. 2010 entscheiden sich einige Näherinnen, eine eigene Kollektion zu produzieren: „Try Arm“. Die EvB verkauft diese Unterhosen in einer Sonderaktion in der Schweiz, um den Kampf der Näherinnen für bessere Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie zu unterstützen.
2009
Der Bundesrat und die Schweizer Exportrisikoversicherung verkünden ihren Rückzug aus dem Ilisu-Staudammprojekt in der Türkei. Für die EvB ist dies ein grosser Erfolg: fünf Jahre hat sie dafür gekämpft, dass mit dem Bau des Damms erst begonnen werden darf, wenn die Einhaltung der Umwelt- und Sozialstandards der Weltbank gewährleistet ist. Die EvB engagiert sich jahrelang gegen solche Mammutprojekte, die oft mit Zwangsumsiedlungen und Zerstörung von Kulturgütern einhergehen. Andere Beispiele sind der Drei-Schluchten-Damm in China und das Narmada-Projekt in Indien. 1998 feierte dieser Einsatz mit der Gründung der Welt-Staudammkommission einen ersten wichtigen Erfolg.
„Ein Erfolg von Vernunft und Zivilgesellschaft“
2009
Die internationale Koalition „No patents on seeds“, von der EvB mitgegründet, reicht beim europäischen Patentamt 100‘000 Unterschriften gegen Patente auf Pflanzen und Tiere ein. Ob Tomate, Brokkoli oder Peperoni: Gemeinsam mit der Koalition kämpft die EvB gegen die Machenschaften von Multis wie Syngenta, die sich im Namen des Profits Saatgut unter den Nagel reissen, und für Ernährungssicherheit für alle Menschen. 2016 feiert die Koalition einen wichtigen Sieg: Nach einer Einsprache wird Monsantos Patent auf eine Melone widerrufen.
2010
Wieviel mehr müsste eine Näherin verdienen, um würdevoll leben zu können? 10 Rappen pro T-Shirt – ein lächerlicher Betrag angesichts der Riesengewinne der Modegiganten! Während in Bangladesch und Kambodscha Hunderttausende für bessere Arbeitsbedingungen auf die Strasse gehen, lanciert die EvB eine Sensibilisierungskampagne. In mehr als 31‘000 Protestnoten werden die Firmen dazu aufgefordert, entlang ihrer gesamten Lieferkette einen Existenzlohn zu garantieren.
2011
Um gegen die Allmacht der Konzerne anzukämpfen, gründet die EvB die Koalition „Recht ohne Grenzen“ mit. Die NGO-Koalition fordert mit einer von 135‘285 Personen unterschriebenen Petition die Regierung auf, verbindliche Regeln für Konzerne zur Wahrung von Menschenrechten und Umweltstandards zu verabschieden. Nach einem vielversprechenden Start verlaufen die Diskussionen im Parlament 2015 auf Druck der Wirtschaftslobby im Sand. Die Koalition beschliesst deshalb, eine Initiative zu lancieren und Goliath mit der Unterstützung der Stimmbevölkerung zu bezwingen.
2011
Nach langer Recherche präsentiert die EvB mit dem „Rohstoff-Buch“ die erste vertiefte Analyse des Schweizer Rohstoffsektors. Das Buch zeigt die zentrale Rolle der Schweiz als wichtigste Drehscheibe des internationalen Rohstoffhandels auf sowie die Mitverantwortung von Konzernen wie Glencore, Trafigura und Co. für den Rohstofffluch, welcher rohstoffreiche Länder heimsucht. Der EvB gelingt es damit, die Probleme dieses undurchsichtigen Sektors in den Fokus der Medien zu rücken. Auch die Politik nimmt das Thema auf: Auf die Publikation folgen 15 parlamentarische Vorstösse zum Thema. Das Buch ist der Beginn eines langjährigen Kampfes der EvB gegen die Exzesse eines risikoreichen Geschäftsmodells.
2012
Recherchen der EvB enthüllen, dass die Uniformen der Polizei und die Tarnanzüge der Armee unter äusserst problematischen Bedingungen hergestellt werden: Die Näherinnen in Mazedonien verdienen lediglich 122 Franken pro Monat! Mit einem humorvollen Video ruft die EvB die Schweiz dazu auf, bei der Revision des Gesetzes zur öffentlichen Beschaffung auch klare soziale Kriterien aufzunehmen. Der Beginn langwieriger Lobbyarbeit, die bis heute fortdauert…
2012
Die Déclaration de Berne in Lausanne und die Erklärung von Bern in Zürich, die bislang relativ unabhängig voneinander dieselben Ziele verfolgten, rücken näher zusammen und haben neu einen gemeinsamen nationalen Vorstand mit ausgeglichener Vertretung der Sprachgruppen. Pierrette Rohrbach wird als Präsidentin gewählt, die operative Führung der Organisation übernimmt eine vierköpfige Geschäftsleitung.
2013
Die EvB untersucht die Auslagerung von Medikamententests in Länder des globalen Südens, bei denen oft ethische Minimalstandards missachtet werden. In einigen Fällen wissen die Patienten gar nicht, dass sie sich einer experimentellen Behandlung unterziehen und nach dem Ende der Tests verlieren sie oft den Zugang zu Medikamenten. Auch die Kotrollen von Swissmedic sind keine Garantie dafür, dass die auf dem Schweizer Markt verkauften Medikamente unter ethischen Bedingungen getestet wurden. Die EvB-Kampagne „Berseticum forte“ ruft den Gesundheitsminister Alain Berset dazu auf, konkrete Massnahmen gegen diesen Skandal zu ergreifen.
2014
Mit der Schaffung dieser von der Finanzmarktaufsicht FINMA inspirierten fiktiven Aufsichtsbehörde zeigt die EvB erstmals auf, wie die Regulierung des Rohstoffmarktes konkret aussehen könnte. Auf der Seite www.rohma.ch ist die vollständige Behörde beschrieben, inklusive den Gesetzen, denen sie unterläge. Diese Massnahme würde das Bekämpfen des Ressourcenfluches ermöglichen, indem die in der Schweiz tätigen Firmen zu Sorgfaltsprüfung und Transparenz verpflichtet würden. Mitglieder des symbolischen Verwaltungsrates dieser Behörde sind unter anderem Mark Pieth und Bernard Bertossa.
2015
Gemeinsam mit über 80 Organisationen lanciert die EvB die Konzernverantwortungsinitiative. Diese sieht die Einführung einer Sorgfaltsprüfungspflicht für Konzerne vor. Das heisst, Konzerne müssen überprüfen, ob bei ihren Auslandstätigkeiten Menschenrechte und Umweltstandards verletzt werden, entsprechend handeln und darüber berichten. Bei Missachtung können sie in der Schweiz eingeklagt werden. Dick Marty Cornelio Sommaruga, Micheline Calmy-Rey und weitere Persönlichkeiten sind im Komitee vertreten. Die Initiative wird im Oktober 2016 mit über 120‘000 Unterschriften in Bern eingereicht. Zur Abstimmung kommt sie voraussichtlich 2019.
2015
Wie kann die Schweiz tonnenweise togolesisches Gold importieren, obwohl dieses Land gar kein Gold abbaut? Die EvB deckt auf, dass dieses Gold aus kleingewerblichen Minen in Burkina Faso stammt, wo es häufig von Kindern unter lebensgefährlichen Bedingungen gefördert wird. Das kostbare Gut wird nach Togo geschmuggelt und dann von einer Genfer Firma importiert, die es an die Tessiner Raffinerie Valcambi weiterverkauft. Diese in den Medien rege aufgenommene Geschichte verdeutlicht, wie notwendig eine Regulierung des Schweizer Rohstoffsektors ist.
2016
Am 21. Mai stimmen die an der Generalversammlung versammelten Mitglieder einer Umbenennung in Public Eye zu. Der neue Name widerspiegelt unsere zentrale Mission: Mit Recherchen, Kampagnen und Lobbyarbeit kämpfen wir gegen Ungerechtigkeiten, die ihren Ursprung in der Schweiz haben und setzen uns für die weltweite Achtung der Menschenrechte ein. Die Organisation erhält ausserdem eine neue visuelle Identität und gibt auch dem Magazin eine neue Erscheinung. „Public Eye, das ist der Blick von jedem Einzelnen, jeder Einzelnen auf die Ungerechtigkeiten dieser Welt – und unser gemeinsame Wille, sich hier in der Schweiz für mehr globale Gerechtigkeit einzusetzen.“
2016
Public Eye deckt die bittereSeite des lukrativen Stevia-Marktes auf: Um das Image ihrer als zu süss und zu chemisch geltenden Getränke zu polieren, werben Coca Cola und PepsiCo mit Steviaglykosiden als Zuckerersatz. Das Problem dabei: Die Guaraní, die die süssen Eigenschaften der Pflanzen entdeckt haben, sehen von den immensen Gewinnen nichts – obwohl ihnen das laut Biodiversitätskonvention zustünde. 260‘000 Personen haben unsere Petition gegen diese Biopiraterie unterschrieben. 2016 bringt Public Eye mehrere Firmen dazu, mit den Guaraní über einen Vorteilsausgleich zu verhandeln.
2016
Public Eye deckt auf, wie Schweizer Rohstoffhändler schwache afrikanische Grenzwerte gezielt ausnutzen und stark schwefelhaltige Treibstoffe produzieren, die in Europa längst verboten sind und zur enormen Luftverschmutzung in afrikanischen Städten beitragen. Das mediale Echo auf den Bericht und auf die Kampagne, welche die verschmutzte Luft in einem Container von Ghana zurück in die Schweiz schickt, ist gewaltig. Eine Petition mit fast 20‘000 Unterschriften verlangt von Trafigura, diese illegitime Praxis einzustellen. Während sich die Schweizer Konzerne taub stellen, künden fünf westafrikanische Länder an, die Grenzwerte für Schwefel im Diesel zu senken. Ein Erfolg, der zur Gesundheit von mehr als 250 Millionen Menschen beiträgt!
2017
Public Eye veröffentlicht vertrauliche Briefe von Novartis an das kolumbianische Ministerium für Handel und Industrie. Diese beweisen, wie der Schweizer Pharmariese Druck auf Kolumbien ausübt, indem er mit der Anrufung eines privaten internationalen Schlichtungstribunals droht, um eine Zwangslizenz auf ihren Blockbuster Glivec zu verhindern. Ein erneuter Brief von 2018, diesmal von Novartis‘ CEO an den kolumbianischen Präsidenten höchstpersönlich, wirft neues Licht auf die aggressiven Lobbying-Methoden des Konzerns.
2017
Nach zweijähriger Recherche bringt Public Eye die zweifelhaften Geschäfte des Rohstoffhändlers Gunvor ans Licht. Hat das Unternehmen Schmiergelder an den Präsidentenclan bezahlt, um an lukrative Deals zu kommen – auf Kosten der kongolesischen Bevölkerung? Gunvor schiebt die Schuld auf einen ehemaligen Angestellten. Doch ein geheimes Video bringt den Rohstoffhändler in Erklärungsnot. Am Abend vor der Veröffentlichung des Reports von Public Eye informiert Gunvor Reuters, dass gegen das Unternehmen ermittelt wird. Die neuen Beweise widerlegen Gunvors Ausflüchte.
2017
Infolge der Enthüllungen der Paradise Papers reicht Public Eye bei der Bundesanwaltschaft Strafanzeige gegen Glencore bezüglich dessen Aktivitäten in der Demokratischen Republik Kongo ein. Im Fokus: Die überaus riskanten Beziehungen des Rohstoffhändlers mit dem Geschäftsmann Dan Gertler und die Hinweise auf Korruption beim Kauf von Kupferminen zu überaus vorteilhaften Konditionen. Ende Januar 2018 decken die Medien auf, dass in den USA Ermittlungen gegen Gertler laufen – wegen Verdacht auf Korruption in der DR Kongo. Die Zahlungen sollen durch Schweizer Banken getätigt worden sein. Die USA reichen ein Rechtshilfegesuch ein.
2018
Zur Feier ihres 50. Geburtstages verleiht Public Eye den Investigation Award. Ein Recherchestipendium, mit dem JournalistInnen unterstützt werden, die in Ländern recherchieren, in denen die Menschenrechte dem Profit geopfert werden. Denn ihre Arbeit ist essenziell, um diese Ungerechtigkeiten aufzudecken, die ihren Ursprung allzu oft in der Schweiz haben. Der Jury gehören renommierte JournalistInnen an: Oliver Zihlmann (Tamedia), Will Fitzgibbon (ICIJ)und Anya Schiffrin (Columbia University).
„Die Arbeit der Wachhunde unserer Demokratie war nie notwendiger als heute“ – Anya Schiffrin