Emissionen im Rohstoffhandel 100-mal die Schweiz: Die ungeschönte Klima-Bilanz der Schweizer Rohstoffhändler
Manuel Abebe, unter Mitarbeit von Robert Bachmann und Adrià Budry Carbó, 9. November 2024
Jedes Jahr, meist im Frühling, begeben sich die grössten Schweizer Rohstoffhändler auf einen Spiessrutenlauf. Sie schreiben Nachhaltigkeitsberichte auf Hochglanzpapier, die zwar immer dicker werden, aus denen aber etwas nicht zu sehr hervorscheinen darf: Ihr fossiles Kerngeschäft besteht aus dem Ankauf, Transport und Verkauf von Kohle, Öl und Erdgas. Neben den Erfolgsgeschichten über ihre Bildungsprogramme, Arbeitsplatzsicherheit oder Umweltmassnahmen erzählen sie seit einigen Jahren immer öfters auch von klimarelevanten Projekten. Denn spätestens seit dem Pariser Klimaabkommen, das die Absenkung der klimaschädlichen Netto-Treibhausgasemissionen bis 2050 auf null vorsieht, ist dieses gesellschaftspolitische Thema für die PR-Profis der Firmen ein potenzielles Pulverfass.
Public Eye hat den Klimateil dieser Berichte genauer gelesen und zu verstehen versucht, wie die fünf grössten Schweizer Rohstoffkonzerne ihr Geschäftsmodell klimaverträglich gestalten wollen. Die Lektüre war entlarvend: Mittels beschönigender Methoden und wohlklingender Worthülsen kaschieren die Konzerne Glencore, Gunvor, Mercuria, Trafigura und Vitol, dass ihre fossilen Energieträger ganz wesentlich zum einem der drängendsten Umweltprobleme beitragen. Deshalb haben wir selbst nachgerechnet. Mit erschreckendem Fazit: Die durch ihre Rohstoffe verursachten Klimaschäden überstiegen diejenigen der gesamten Schweiz im Jahr 2023 etwa um das Hundertfache. Auch ihre selbstgesetzten Klimaziele und die von den Rohstofffirmen vorgeschlagene Lösung, die Klimakompensation, halten inhaltlich wie kalkulatorisch den anstehenden Herausforderungen kaum stand.
Die letzte fossile Party?
In den letzten Jahren bescherten Corona, Krieg und Krisen den Rohstoffhändlern historische Rekordgewinne, die es zu verteilen galt. Zunächst haben die Firmen Milliardenbeträge als Dividenden und Boni ausgeschüttet, alte Schulden beglichen und hunderte Millionen Dollar an Korruptionsstrafen abbezahlt. Doch die Konten sind noch immer prall gefüllt, womit theoretisch auch genügend Mittel für die notwendige Transformation vom fossilen hin zu einem klimaverträglichen Geschäftsmodell vorhanden wären.
Praktisch offenbarten vier der Firmen vergangenen August jedoch andere Prioritäten. So kaufte sich der Genfer Konzern Trafigura zum Monatsbeginn eine neue Erdölraffinerie. Dann legte Ölhändler Vitol kräftig nach, und übernahm eine bedeutende Kohlehandelsfirma. Nur wenige Tage später verkündete Glencore nicht nur, dass Kohle weiterhin sein wichtigstes Geschäftsfeld bleibe: Mit der Übernahme bedeutender kanadischer Minen baute der Zuger Konzern diese Sparte sogar noch aus. Schliesslich vermeldete Gunvor einen neuen Ölhandelsrekord und die Aufstockung seines Ölhandels-Teams. Und das alles innerhalb jenes Sommermonats, in dem zum fünfzehnten Mal in Folge ein globaler Hitzerekord gemessen wurde.
Freiwillig fliesst von den Übergewinnen der Krisenjahre also viel zu wenig in echte Alternativen. Stellvertretend dafür steht die Investitionspolitik des Branchenprimus Vitol. Der Genfer Konzern lenkte letztes Jahr über vier Fünftel seiner Gelder in den Ausbau seiner Geschäfte mit fossilen Energieträgern, wobei mehr als 8 Milliarden US-Dollar allein in den Erdölbereich flossen. Kurzfristig sehe Vitol tatsächlich keinen Rückzug aus dem fossilen Geschäft vor, wie der Schweiz-Chef kürzlich auch dem Westschweizer Wirtschaftstageszeitung «L’Agefi» eröffnete. Freilich nicht ohne die Verantwortung dafür an staatliche Stellen abzuschieben: «Es sind nicht wir Händler, die Energiepolitik machen, sondern die Regierungen.»
Die versteckten indirekten Emissionen
Aber ist der Einfluss der Schweizer Rohstoffhändler aufs Klima tatsächlich so gering? Ihre Nachhaltigkeitsberichte sollten eigentlich Klarheit darüber schaffen, mit wie viel Kohlenstoffdioxid (CO2) die Firmen die Atmosphäre verschmutzen. Doch für Public Eye erwies es sich als äusserst schwierig bis unmöglich, darin verlässliche, vollständige Informationen zum Treibhausgasausstoss der grössten Schweizer Klimasünder zu finden. Der Teufel steckt im vermeintlichen Detail: bei den indirekten Emissionen.
Direkte Emissionen entstehen während der vom Konzern kontrollierten Produktion, bei Rohstoffhändlern also beim Betrieb einer Kohlemine oder Erdölraffinerie. Obwohl die untersuchten Schweizer Firmen heute schon in dieser Stufe tätig sind, ist diese Emissionskategorie bei ihnen vergleichsweise klein. Viel gewichtiger sind ihre indirekten Emissionen in der Wertschöpfungskette, im Jargon «Scope 3» genannt. Diese entstehen an verschiedenen Stellen, beispielsweise bei der Flugreise zum nächsten Deal oder beim Transport der gehandelten Rohstoffe auf dafür gecharterten Schiffen. Die weitaus wesentlichsten Treibhausgase entstehen jedoch nachgelagert in der Nutzungsphase. Denn hat ein Händler sein Öl oder Gas erst einmal verkauft, wird dieses zur Energiegewinnung immer von irgendjemandem irgendwo verbrannt. Diese Emissionen sind folglich kein Nebenschauplatz, sondern ein integraler und materieller Bestandteil des Geschäftsmodells der Rohstoffhändler.
Doch statt diese indirekten Emissionen nachvollziehbar zu berechnen und sauber auszuweisen, greifen die meisten Konzerne beim heiklen Thema in die rhetorische Trickkiste. So hält es beispielsweise Mercuria schlicht für unnötig, sich überhaupt mit diesen hochrelevanten Zahlen zu beschäftigen. Die «einzigartige Rolle in der Wertschöpfungskette primär als Intermediär» habe die Genfer Handelsfirma bewogen, nicht über ihre indirekten Emissionen aus dem Rohstoffhandel zu berichten. Vitol wiederum rapportiert nur den einen Bruchteil seiner indirekten Emissionen, die beim Verbrennen von Rohstoffen aus eigenen Produktionsstätten entstehen. Glencore hält es ähnlich, kommt aber wegen seiner zahlreichen Kohleminen auf deutlich höhere Werte. Trafigura wagt noch ein wenig mehr Transparenz und rechnet die indirekten Emissionen der Verkäufe seiner eigenen Tankstellennetze mit. Doch keiner dieser Konzerne deklariert die indirekten Emissionen des gesamten Rohstoffhandels, dem mit Abstand grössten Geschäftszweigs. Einzig bei Gunvor erscheinen die berichteten Zahlen vollständiger und damit glaubhafter.
«Diese Praxis verdeckt nicht nur den wahren Einfluss der gehandelten Rohstoffe aufs Klima, sondern nutzt auch veraltete Berichterstattungsrichtlinien aus», erläutert Frederic Hans vom deutschen NewClimate Institute die zweifel- und lückenhafte Rechenmethode der Firmen. Diese orientierten sich an einem über zehnjährigen und längst überholten Standard, der grosse Freiheiten in der Erfassung und Berechnung der indirekten Emissionen entlang der Wertschöpfungskette gewähre. Seine Non-Profit-Organisation untersucht seit über acht Jahren die Klimaberichte multinationaler Konzerne und der Klimaspezialist konstatiert: «Indem Rohstoffhändler in ihren Berichten die indirekten Emissionen der Nutzungsphase weithin ausklammern, verdunkeln sie den grössten Teil ihres Klima-Fussabdrucks. Eine transparentere und wissenschaftlich genaue Berichterstattung ist dringend notwendig, damit Gesellschaft, Regierungen und Investoren die Auswirkungen des Geschäftsmodells Rohstoffhandel auf die Umwelt besser verstehen können.»
Der wahre Klimaschaden
Weil es die Rohstoffhandelskonzerne mit ihren indirekten Emissionen nicht so genau nehmen, haben wir selbst zum Taschenrechner gegriffen. Unsere auf den gehandelten Rohstoffvolumen basierenden Schätzungen sind konservativ und zeichnen dennoch ein düsteres Bild: Die indirekten Emissionen der fünf grössten Schweizer Rohstoffhändler beliefen sich im letzten Jahr – allein aus der verkauften Menge an Kohle, Öl und Gas -- auf über 4 Milliarden Tonnen Kohlendioxid. Das entspricht fast dem Hundertfachen aller Treibhausgase, die in der Schweiz ausgestossen wurden.
Bei Vitol liegen unsere Berechnungen über 40-mal höher als die vom Ölhandelsriesen selbst ausgewiesenen Klimaauswirkungen. Der Branchenprimus handelte 2023 täglich fast eine Million Tonnen Erdöl und nochmals rund die Hälfte davon an Gas. Insgesamt beliefen sich die indirekten Emissionen seiner letztes Jahr gehandelten Rohstoffe auf über 1,3 Milliarden Tonnen CO2. Die bei der Verbrennung des von Vitol verkauften Öl und Gas entstehenden Treibhausgase überstiegen damit sogar jene von Brasilien, dem Land mit den weltweit sechsthöchsten Emissionen.
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Methode der Schätzung
Die Menge CO2, die bei der Nutzung einer Tonne Kohle, Öl oder Gas entsteht, ist weitgehend konstant. Gängige Methoden berechnen die indirekten Treibhausgasemissionen deshalb anhand eines einheitlichen Emissionsfaktors pro Energierohstoff, der mit dem verkauften Volumen multipliziert wird. Die Kalkulationen von Public Eye beruhen folglich auf den von den Firmen veröffentlichten Handelsvolumen im Jahr 2023 und stützen sich auf die Methode und Faktoren der führenden Branchenstudie «Carbon Majors». Deren Schätzungen gelten aus verschiedenen technischen Gründen als konservativ. Weil sich die Emissionen je nach Kohlesorte unterscheiden und die Händler diese Geschäftsdetails nicht preisgeben, wählte Public Eye in diesem Bereich jeweils den tiefsten Emissionsfaktor für Kraftwerkkohle.
Die von Trafigura berichteten Werte liegen auch rund dreimal tiefer als unsere Schätzungen, jene von Glencore immerhin halb so tief. Der Handelskonzern Mercuria wiederum, welcher aufgrund seiner «einzigartigen Rolle» ja keinerlei indirekte Emissionen aus dem Rohstoffhandel ausweisen will, rapportiert für sein ganzes Geschäftsjahr gerade mal 4 Millionen Tonnen CO2-Ausstoss. Und liegt damit sagenhafte 120-Mal tiefer als von uns geschätzt. Mercuria hält auf Anfrage fest, dass es einen Reporting-Standard verwende, in dem Angaben zu indirekten Emissionen entlang der Wertschöpfungskette freiwillig sind. Einzig der für 2023 grundlegend überarbeitete Klimabericht von Gunvor kommt den konservativen Schätzungen von Public Eye einigermassen nahe. Diese offenbaren erstmals den wahren Beitrag des Schweizer Rohstoffsektors an die globale Klimakrise, deren ausserordentliche Schäden vornehmlich die einkommensärmsten Länder treffen.
Pflästerli-Projekte und Pseudolösungen
Geschönt und geschwurbelt wird in den Klimaberichten der Rohstoffhändler aber nicht nur bei den Emissionsdaten. Bei näherer Betrachtung zeigen sich auch bei konkreten Vorschlägen zur Verbesserung ihrer Klimabilanz gähnende Leerstellen. Die dargebotenen Ansätze und Teillösungen dümpeln im Anfangsstadium und sind in ihrer Summe meilenweit von jenen tiefgreifenden Reduktionsmassnahmen entfernt, die in diesem (auch klimapolitischen) Hochrisikosektor überfällig und notwendig wären.
Glencore beispielsweise plante in Australien fünf Jahre lang ein Projekt, welches das CO2 eines Kohlekraftwerks am Kamin einfangen wollte, statt es in die Atmosphäre entfliehen zu lassen. Anschliessend sollte das Gas «einem Softgetränk ähnlich» und «ohne Folgen» in das örtliche Grundwasser gepumpt werden. Die Behörde kam aber zum Schluss, dass das Vorhaben «wahrscheinlich irreversible oder langfristige Veränderungen des Grundwassers» verursacht hätte und verbot es. Doch selbst wenn das Pilotprojektbewilligt worden wäre, hätte der Zuger Konzern über 1400 weitere solche Anlagen bauen müssen, um die Klimaschäden seiner aktuellen australischen Kohleproduktion aufzufangen.
Gunvor, Trafigura und Vitol setzen hingegen auf eine technische Umrüstung ihrer riesigen Hochseeflotten. All diese Firmen halten fest, dass sie im Transportbereich über besonders grossen Einfluss verfügen. Trafigura etwa will bis 2030 emissionsärmere Antriebe einsetzen, allerdings nur gerade in sechs seiner 400 Schiffe. Gunvor vertraut derweil auf eine verbesserte Reinigung seiner Schiffshüllen und Propeller für deren energieeffizienteren Betrieb und setzt zudem auf eine optimierte Routenplanung. Die Massnahmen beider Firmen reichen gemäss eigenen Angaben aber aktuell nicht einmal aus, um die Minimalreduktionen zu erbringen, die von der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation für den Sektor vorgesehen sind.
Mercuria hingegen vertraut auf eine weit weniger aufwändige Massnahme als solche technologischen Lösungsansätze: die Klimakompensation. Der Händler kauft sich also die Effekte von an anderen Orten vorgenommenen Klimamassnahmen systematisch ein, statt bei den eigenen Emissionen zu reduzieren. Er beteuert, dadurch bei den direkten Emissionen heute schon CO2-neutral zu operieren. Das voranschreitende Problem ihrer Klimaschädlichkeit einfach «wegzukaufen», wird für immer mehr Rohstoffhändler attraktiv. So planen mittlerweile auch Trafigura, Gunvor und Glencore, sollten ihre Pflästerli-Projekte nicht ausreichen, zumindest langfristig den Kauf von Kompensationen.
Kein Ziel oder weit daran vorbei
Nützliche Klimaberichte halten in klar definierten Etappen fest, bis wann ein Unternehmen wie viel Treibhausgase wo genau reduzieren will. So soll für Analyst*innen wie Aussenstehende transparent und überprüfbar werden, ob und wie das jeweilige Geschäftsmodell die aktuellen klimapolitischen Rahmenbedingungen erfüllt. Unsere Analyse offenbart, dass bei den Schweizer Rohstoffhändlern immer noch ganz andere Vorstellungen und Massstäbe vorherrschen. So setzen sie ihre Klimaziele erstaunlich tief. Oder sie setzen gar keine, dann können sie auch nicht verfehlt werden. Nur einer der fünf untersuchten Konzerne hat sich für alle direkten und indirekten Emissionen eine zeitliche Zielgrösse für deren Reduktion gesetzt.
Mercuria hat sich zwar bis 2050 «Netto Null» vorgenommen. Doch wie der Weg dorthin aussieht, bleibt völlig unklar – ebenso wie die Frage, ob der Händler sich diese Behauptung weiterhin mit Kompensationen dazukaufen will. Dass die indirekten Emissionen aus dem Rohstoffhandel nicht mitgemeint sind, gilt bei Mercuria aber auch hier. Vitol macht es genau umgekehrt: der umsatzstärkste Schweizer Konzern setzt sich nichts anderes als ein Teilziel bis Ende 2024. Und weil es nur einen kleinen Geschäftszweig betrifft, kann er diesen sogar erreichen, sollten die Gesamtemissionen steigen. Für die Jahre danach macht die Firma aber keinerlei Prognosen oder Zugeständnisse.
Doch selbst beim einzigen Konzern, der sich für alle Emissionen zeitliche Reduktionsziele gesetzt hat, kommen bei der Lektüre des Nachhaltigkeitsberichts starke Zweifel auf. Man merkt dem Bericht an, dass Glencore von den Aktionär*innen zu einem konkreteren Klimaziel verknurrt wurde. Der Konzern räumt nämlich ein, dass seine Ziele «nicht auf Linie» sind mit jenen Reduktionen im Energiesektor, die für das Erreichen des 1,5°-Ziels des Pariser Abkommens erforderlich wären. Der Zuger Gigant versucht diesen Grundwiderspruch aber gleich zu relativieren, indem er das entsprechende Szenario der Internationalen Energieagentur als «zunehmend unrealistisch» diskreditiert. Doch nicht nur da schwächeln Glencores Klimaziele.
«Wir waren besorgt, dass Glencore ein nicht-repräsentatives und überhöhtes Referenzjahr verwendet», ordnet Naomi Hogan am Telefon ein. Die Vertreterin des australischen Zentrums für Konzernverantwortung hatte bereits mit einer Resolution an der Generalversammlung des Unternehmens gegen die ambitionslosen Klimaziele protestiert. Laut Hogan misst Glencore seinen Fortschritt gegenüber einem Jahr, in dem der Konzern Treibhausgase einer kolumbianischen Mine mitrechnet, die er später verkauft hat. «Mit einer überhöhten Referenz zu rechnen, bedeutet dass Emissionen in einem typischen Geschäftsjahr nun wie eine Reduktion aussehen und die Klimaziele einfacher zu erreichen sind», gibt Hogan zu bedenken. Sie unterstreicht: «Die Emissionen im Referenzjahr neu zu berechnen ist für eine genauere Sicht notwendig.» Glencore hält auf Anfrage fest, dass der Konzern die Referenz als repräsentativ für seine Produktion und Emissionen hält. Die mangelnde Bereitschaft, die Berechnung anzupassen, so Hogan, hinterlasse Investor*innen mit einer Illusion von Fortschritt.
Auch Gunvor setzt auf diesen Trick. Während der Corona-Pandemie hat der Handelskonzern aus wirtschaftlichen Gründen eine Raffinerie definitiv stillgelegt, wodurch sich die direkten Treibhausgase des Händlers auf einen Schlag um über einen Drittel reduzierten. Das kommt Gunvor heute noch zugute, denn er berechnet sein Klimaziel für 2025 auf der Vor-Corona-Basis von 2019 und hat dieses deshalb seit Jahren erreicht. Auf Anfrage erklärte Gunvor, dass weitere Raffinerie-Stilllegungen die direkten Emissionen zwar signifikant reduzieren würden, der Händler das aber nicht als Fortschritt betrachte, da beispielsweise Arbeitsstellen verloren gehen könnten. Mit einer Gegenfrage illustriert der Ölhändler sein Ambitionsniveau bei der Erreichung der Klimaziele: «Wenn Gunvor ein Gaskraftwerk kauft, wie wir es dieses Jahr in Spanien gemacht haben, und unsere Scope-1-Emissionen ansteigen, werden wir angeschuldigt, gescheitert zu sein?»
Public Eye hat die Klimaberichte der Big Five bezüglich Emissionsdaten, Klimazielen, geplanten Massnahmen und weiteren Belangen systematisch ausgewertet (siehe Box). Hinsichtlich Transparenz als auch Tauglichkeit der präsentierten Ziele und Massnahmen beurteilen wir diese grösstenteils als schwach oder sehr schwach.
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Bewertungsmethode
Public Eye hat die Klimaberichte anhand einer Methode des deutschen NewClimate Institute analysiert. In den vier wesentlichen Bereichen Emissionsdaten, Klimaziele, Reduktionsmassnahmen, und Verantwortung für nicht-reduzierte Emissionen wurde beurteilt, ob die Firmenangaben transparent und ob die geplanten Lösungen mit dem Pariser Klimaziel kompatibel, also «integer» sind. Auf einer fünfstufigen Skala von «sehr schwach» bis «hoch» wurde jeder dieser Aspekte bewertet. Die Noten stellen die Einschätzung von Public Eye auf Grundlage der bestverfügbaren öffentlichen Firmenquellen dar.
Bislang waren die Nachhaltigkeitsberichte für die Rohstoffhändler eine reine Alibi-Übung. Das soll sich nun ändern. Neue gesetzliche Bestimmungen sehen vor, dass ab 2024 die vom Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative betroffenen Firmen erstmals auch umfassend über Klimabelange informieren. Gemeint sind damit auch die indirekten Emissionen aus materiellen Geschäftszweigen, beim Rohstoffhandel also insbesondere diejenigen aus der Nutzungsphase der verkauften Produkte. Ob die grossen Leerstellen und Fragezeichen, welche die bisherigen Berichte der Rohstoffkonzerne diesbezüglich prägen, strafrechtlich relevant sind und gebüsst werden können, wird bald zu klären sein.
Die Klimakrise als Geschäftsmodell
Während die Rohstoffhändler die wahren Umweltkosten ihrer lukrativen Geschäfte mit Kohle, Öl und Gas weiter wegzulächeln versuchen, werden die Schäden der globalen Erwärmung immer spür- und messbarer. Jede Dürre, jede Überschwemmung und jede Hitzewelle erhöht den (inter)nationalen politischen Druck, dem fossilen Geschäftsmodell der Rohstoffhändler ein Ende zu bereiten. Um entsprechenden Regulierungen zuvorzukommen und auch um weiter profitabel zu bleiben, sind sie auf der Suche nach neuen weltweit handelbaren Rohstoffen, am besten solchen mit grünem Anstrich. Wenn Sie jetzt an Kobalt, Lithium oder Wasserstoff denken: Unsere für ihren Innovationsgeist bekannten Trader haben schon einen ganz anderen gefunden.
Laut ihrem Erfinder ist die CO2-Kompensation «ein sehr komischer Rohstoff, den man nicht sehen, nicht riechen und nicht fühlen kann». Früher wären die Schweizer Händler bei solch luftigen Eigenschaften wohl skeptisch geblieben. Doch heute scheinen sie die Vorzüge eines Rohstoffs zu schätzen, der primär auf Papier existiert, nicht aufwändig gelagert und transportiert werden muss, sondern einfach in einem Ordner abgelegt werden kann. Und das alles mit einem grünen Schein.
Enthüllungen um ein Projekt der Schweizer Firma South Pole in Zimbabwe offenbarten 2023, auf welchem Versprechen letztlich alle Klimakompensationen beruhen. Klimagase sollen an einem Ort mit gutem Gewissen ausgestossen werden können, solange dafür an einem anderen Ort Wälder erhalten, erneuerbare Energien generiert oder neue Bäume gepflanzt werden. Durch diese Kompensationsmassnahmen soll bereits ausgestossenes CO2 gebunden oder neue Emissionen verhindert oder wenigstens verringert werden. Die daraus entstehenden Zertifikate, die eine Tonne kompensiertes CO2 darstellen, die Endnutzer kaufen und stilllegen können, um ihren Treibhausgasausstoss wettzumachen. Effektiv reduzieren müssen sie ihn dafür aber nicht. Dass die Projekte am anderen Ort billiger umzusetzen sind als dort, wo die Emissionen entstanden sind, ist die zentrale Vorbedingung fürs funktionierende Geschäft mit Klimakompensationen.
Der Handel mit Zertifikaten ähnelt jenem mit fossilen Rohstoffen nicht nur darin, dass diese meist aus Weltgegenden stammen, die sie nicht selbst verbrauchen. So sind auch Preise der Kompensationen äusserst volatil und können sich innert kurzer Zeit verdoppeln oder verdreifachen. Aus diesen Schwankungen Profit zu schlagen, ist das Grundgeschäft jedes Rohstoffhändlers. Zudem gilt Verschwiegenheit auch auf dem Zertifikatsmarkt viel. Von fünf Kompensationsdeals werden Schätzungen zufolge vier ausserhalb der Börse und damit faktisch in völliger Verborgenheit abgewickelt.
Der Hauptgrund, weshalb die Schweizer Rohstoffhändler nun im grossen Stil in den Kompensationsmarkt einsteigen, ist aber ihr Glaube an dessen profitable Zukunft. Immer mehr Länder rechnen dem Versprechen der Zertifikate im politischen Massnahmenstrauss gegen die Klimakrise eine zentrale Bedeutung zu. Mit den attraktiven Rahmenbedingungen steigen auch die Preise, es lockt der nächste Rohstoff-Boom. Frei nach dem Motto: Je früher und höher die Investitionen, desto grösser der Return. Es ist wohl eher diese Logik, welche die Rohstoffhändler in den Kompensationsmarkt treibt, als die Sorge ums Klima oder das Firmenimage.
Kochherde fürs Klima
«Man weiss wirklich nicht, wie viele und welche Akteure überhaupt involviert sind und wie viel Geld sie erhalten. Die Spur des Geldes im Kompensationshandel zu verstehen, bleibt eine grosse Herausforderung», erzählt Trishant Dev vom Centre for Science and Environment in Neu-Delhi. Er hat einen ausführlichen Bericht über Kompensationsprojekte in Indien verfasst. Das Land gehört zu den weltgrössten Produzenten von Klimazertifikaten. Doch bei seinen Recherchen hatte er Schwierigkeiten herauszufinden, bei welchen Händlern die CO2-Zertifikate am Schluss eigentlich landen. «Es ist wie ein schwarzes Loch.»
In einem Fall konnte Dev den Käufer allerdings ausfindig machen. Er verweist auf einen Vertrag zwischen einer indischen Firma, die Klimaprojekte entwickelt, und Vitol. Dieser hatte im April 2022 die Kompensation von 11 Millionen Tonnen CO2 gekauft. Als Gegenleistung verpflichtete sich die indische Firma 600'000 Kochherde auf dem Subkontinent zu verteilen. So soll in fünf Jahren der Treibhausgasausstoss kompensiert werden, den 10 Millionen Flugreisen von Zürich nach New York verursachen. Es lässt sich zwar nicht eindeutig festmachen, von wo genau Vitols Kompensationen stammen, doch Dev hat zahlreiche Kochherdprojekte der Entwicklerfirma in Zentralindien besucht. «Viele der involvierten Haushalte wissen gar nicht, dass sie Teil eines Kompensationsprojekts sind. Zudem werden die Kochherde oft gar nicht verwendet», schildert er seine Beobachtungen.
Das klimaschonende Prinzip hinter den Kochherden ist simpel. In vielen einkommensärmeren Ländern wird in einer simplen Feuerschale oder auf offenem Feuer gekocht. Dadurch gibt die dafür verbrannte Holzkohle ihre Hitze in alle Richtungen ab, wodurch einerseits Energie verloren geht und andererseits giftiger Rauch und Russ entsteht, der besonders in Innenräumen ein grosses Gesundheitsrisiko darstellt. Verteilt eine Firma energieeffiziente Kochherde resultiert nicht nur weniger Rauch, sondern auch eine CO2-Ersparnis. Im Kompensationsmarkt können Projektentwicklungsfirmen anhand geltender Standards diese Reduktion selbst berechnen und nach Anstellung eines unabhängigen Auditors für eine Prüfung sich von Zertifikatsregistern entsprechende Klimazertifikate zum Weiterverkauf bescheinigen lassen.
«Die Annahmen in diesen Berechnungen und die lückenhafte Verwendung der Kochherde tragen dazu bei, dass man die dadurch erzielten Emissionsreduktion deutlich überschätzt», erklärt Benedict Probst. Der Umweltökonom am Max-Planck-Institut in München hat mit Forschenden der ETH Zürich und 11 weiteren Universitäten untersucht, wie viele der ausgestellten CO2-Zertifikate in den gängigen Arten von Klimaprojekten wissenschaftlichen Standards standhalten. Dabei kamen die Kochherdprojekte mit am schlechtesten weg: Nur gerade 11% dessen, was die Klimazertifikate ihren Käufern bescheinigen, stellen tatsächlich eingesparte Emissionen dar.
Ungeachtet dieser ernüchternden Befunde fördert der Ölriese Vitol, der eines der von der Wissenschaft kritisch evaluierten Vorhaben vorfinanziert und dafür Vorstudien durchgeführt hat, im grossen Stil weiter solche umstrittenen Projekte. Und das nicht nur in Indien, sondern auch in der Demokratischen Republik Kongo, Kenia oder Tansania. Auf Anfrage merkt der Konzern an, jeweils signifikante Sorgfaltsprüfungen durchzuführen und nur Projekte «der höchsten Qualität» durchzuführen. Das betreffende Projekte werde bald neu evaluiert. Über 2,1 Millionen Kochherde hat der Genfer Konzern in Subsahara-Afrika in den letzten 20 Jahren verteilen lassen. Im Mai 2024 kündigte CEO Russell Hardy an, bis 2030 weitere 550 Millionen US-Dollar in Afrika zu investieren, zu einem wesentlichen Teil in eben solche Kochherdprojekte.
Bäume auf dem Reissbrett
Trafigura wandelt auf einem anderen Holzweg. Er ist erst 2021 in den Kompensationshandel eingestiegen und soll laut Bloomberg innerhalb von nur drei Jahren zum Branchenprimus aufgestiegen sein. Sein Schlüssel zum Erfolg? Sogenannt «naturbasierte Lösungen», unter anderem die grossflächige Aufforstung neuer Wälder. Gäbe es einen zweiten Amazonas, der CO2 aus der Luft zieht, wäre die Klimakrise gebannt. Diese kühne Annahme liegt einem der Kompensationsprojekte zugrunde, die Trafigura in seinen Werbevideos zeigt.
Im Osten Kolumbiens, nahe dem Fluss Orinoco, finanziert Trafigura ein Projekt namens «grüner Kompass». Millionen von Bäumen sollen in der Savanne gepflanzt werden, um auf der Fläche des Zürichsees einen neuen Wald wachsen zu lassen. Damit dieser möglichst bald steht, vertraut Trafigura auf schnellwachsende Eukalyptusbäume. Was mutig und zupackend klingt, könnte sich jedoch bald rächen, denn Eukalyptus gilt als feuerfördernd und in den vergangenen Jahren ist es in der Region wiederholt zu verheerenden Waldbränden gekommen. Allein in einer zweimonatigen Trockenperiode vergangenes Jahr habe das Projekt knapp 200 Feuer bekämpfen müssen, sagt der Händler auf Anfrage. Man habe «signifikant in rigorose Feuerbekämpfungsmassnahmen investiert» und die Feuer hätten keine Folgen für die bepflanzte Fläche gehabt. Doch ob die Bäume ihre vorgesehenen 30 Jahre überdauern werden, ein für ein wirkungsvolles Klimaprojekt ohnehin zu gering angesetzter Zeitraum, ist also völlig offen.
Doch genau diese Frage der Langfristigkeit respektive Permanenz der Emissionsreduktionen steht für Klimawissenschaftler wie Probst im Zentrum. Er glaubt zwar, dass Kompensationen langfristig eine gewisse Rolle spielen können. Doch nur wenn ihre Käufer vorher den grössten Teil der eigenen Emissionen reduziert haben und wenn diese Projekte dann das CO2 auch langfristig speichern. Gerade bei Waldprojekten werde diese Gefahr oft unterschätzt, etwa wegen Bränden, warnt der Forscher. «Es kann gut sein, dass in 10 Jahren viele der Zertifikate, die vielleicht tatsächlich Emissionsminderungen darstellen, gar keine Reduktionen mehr sind.»
Nichts aus South-Pole-Skandal gelernt
Doch bei den Waldprojekten es geht noch einfacher, und vor allem billiger, als Bäume zu pflanzen: Mit dem blossen Versprechen, Bäume zu schützen oder zumindest weniger schnell abzuholzen. In entsprechenden Kompensationsprojekten wird modelliert, wie viel Wald durch Rodung oder Brände in einer Region zukünftig verloren gehen könnte. Liegt die tatsächliche Entwaldung tiefer als von den Projektentwicklern angenommen, entstehen CO2-Zertifikate. Rund ein Viertel aller freiwilligen CO2-Zertifikate weltweit, also über 460 Millionen Tonnen, stammt gemäss einer Datenbank der US-amerikanischen Universität Berkeley aus solchen Projekten, die in Fachsprache als REDD+ bezeichnet werden.
Ein Grossteil davon ist wenig mehr als heisse, aber sehr lukrative Luft, denn oft überschätzen Projektverantwortliche, wie viel Wald verloren gehen soll. Beispielsweise indem sie historische Erfahrungen in vergleichbaren Gebieten beiziehen, die einen bedrohlich hohen Waldverlust in der Projektregion vorhersehen. Tritt das düstere Szenario nicht ein, entstehen mehr CO2-Zertifikate, als allenfalls gerechtfertigt wären. Die Abweichung in der eigenen Rechnung kann sich für Projektentwickler bezahlt machen, sie erhalten mehr Kompensationen für den Verkauf. Auch im Skandal um das South-Pole-Projekt berichtete das Investigativ-Medium Follow the Money über solche Diskrepanzen.
Eine Studie der Universität Amsterdam untersuchte für 26 der grössten REDD+-Projekte, wie systematisch so die Kompensationseffekte überschätzt wurden. Sie haben nicht nur die angenommene, sondern auch die effektiv beobachtete Entwaldung berücksichtigt. Dabei kamen sie zum Schluss, dass die Waldprojekte nur 7% der Kompensationseffekte einhalten können, die ihnen zugerechnet werden.
Mercuria hat verkündet, bis 2030 eine halbe Milliarde US-Dollar in sogenannte «Klimalösungen» investieren zu wollen. Einen wesentlichen Teil davon steckt der Ölhändler trotz aller wissenschaftlichen Kritik in solche Waldschutzprojekte. In Brasilien etwa hat sich die Firma die exklusiven Kaufrechte für die CO2-Zertifikate aus einem Regenwaldprojekt im Bundesstaat Tocantins gesichert. Sofern die dortige Entwaldung eingedämmt werden kann, sollen auf einer Fläche Grossbritanniens dereinst über 200 Millionen Tonnen des Treibhausgases kompensiert werden. Mercuria hält auf Anfrage fest, dass seine Projekte «unter etablierten Kompensationsprogrammen mit strenger Governance, technischen Standards, unabhängigen Audits und regelmässigen Prüfungen» entwickelt werden. Zudem glaube die Firma, dass «naturbasierte Lösungen das Potenzial haben, einen signifikanten Beitrag an globale Anstrengungen zur Erreichung von Nettonull zu leisten». Nicht nur, weil sie schon heute verfügbar seien, sondern auch weil «die Kosten pro Tonne signifikant tiefer sind als bei einigen Alternativen».
In vielen Ländern unterstehen Wälder den nationalen oder regionalen Verwaltungen. So stammen Mercurias Vermarktungsrechte der CO2-Zertifikate aus den peruanischen Waldbeständen in Ucayali und Madre de Dios ebenfalls von den entsprechenden Regionalregierungen. In einer Absichtserklärung hatte der Rohstoffhändler bereits 2021 erklärt, in respektive mit Ghana ebensolche Projekte durchführen zu wollen. Da diese Vorhaben, wie viele der anderen Klimaprojekte der Rohstoffhändler, noch nicht existieren, steht das Urteil über deren effektive Wirkung offensichtlich noch aus.
Mercuria vertraut bei seinen Klimaprojekten nicht nur auf staatliche Stellen, sondern tanzt zudem auch auf dem Parkett der internationalen Klimadiplomatie. An der Klimakonferenz COP 2023 in Dubai waren gleich drei Firmenvertreter zugegen, inklusive dem Unternehmenschef. Auch Glencore und Trafigura standen auf der Teilnehmerliste. Letztere Firma nutzte die Möglichkeit für ein Treffen mit einer Regierungsdelegation aus Paraguay. Und Vitol einigte sich letztes Jahr mit dem nigerianischen Staatsfonds auf ein gemeinsames Projekt, um seine Kochherde zu verteilen. Wie sonst im Rohstoffhandel scheint auch bei den CO2-Zertifikaten zu gelten: Die härteste Währung sind noch immer gute Kontakte zu den politischen Machthabern.
Ungenügende Antwort
Das fossile Geschäftsmodell der fünf grössten Schweizer Rohstoffhändler basiert auf dem Handel von Kohle, Öl und Gas und den damit verbundenen Klimaschäden. Dieses Modell mit seinen ausserordentlich grossen indirekten Treibhausgasemissionen hat aktuell politisch und langfristig auch wirtschaftlich keine Zukunft, der Sektor steht vor einem fundamentalen Umbruch. Über dessen Dringlichkeit vermögen auch die immer dickeren Hochglanzberichte über Umwelt- und Sozialprojekte nicht hinwegzutäuschen.
Eine Antwort sollen die Klimakompensationsprojekte werden. Doch selbst wenn die geplanten Projekte ihre hehren Versprechen tatsächlich einlösen sollten, bliebe ihre Wirkung völlig ungenügend. Trafigura handelt alle 8 Tage ein Erdölvolumen, dessen CO2-Ausstoss die Firma mit einem 30-jährigen Waldprojekt in Kolumbien kompensieren will. Ein Kochherdprojekt von Vitol in der DR Kongo verhindert in einem Jahr bestenfalls die Treibhausgase des Öls, das der Konzern in einer halben Stunde verkauft.
Zudem verfehlen die Projekte, die grundlegende Asymmetrie des Rohstoffhandels auszugleichen. Auch in Zukunft sollen Regionen mit tieferen Einkommen die Nachfrage der reichsten Regionen der Welt stillen, die Rohstoffhändler stets die willigen Intermediäre. Dass die Firmen auf einen solchen Ansatz vertrauen und gleichzeitig Milliarden in den fortlaufenden Ausbau der fossilen Energien stecken, offenbart die eigentliche Botschaft ihrer Klimaberichte: Nach uns die Sintflut.