Rohstoffhändler dominieren Schweizer Schifffahrtssektor
Zürich, Lausanne, 25. Januar 2024
Schweizer Rohstoffkonzerne spielen gemäss neusten Recherchen von Public Eye in der globalen Hochseeschifffahrt eine Schlüsselrolle. Vitol ist nicht nur weltgrösster Ölhändler und umsatzstärkster Schweizer Konzern, sondern kontrolliert auch über 250 Schiffe. Der weltweit führende Agrarhändler Cargill, der sein Frachtgeschäft aus Genf steuert, betreibt gar 650 Schiffe. Mit dieser Flotte werden aber nicht primär eigene Rohstoffe transportiert; ganze 75% seiner Fracht verschifft Cargill für Drittparteien. Auch andere Rohstoffhändler bieten diese Logistikdienstleistung an und sind dadurch zu eigentlichen Schifffahrtsgesellschaften geworden. Mittlerweile umfasst die Rohstoffhandelsflotte sagenhafte 2'200 Schiffe.
Auch zahlreiche klassische Reedereien haben sich hierzulande angesiedelt, allen voran die als Kreuzfahrtgesellschaft bekannte Mediterranean Shipping Company MSC. Die weltgrösste Containerreederei, deren Besitzerfamilie zu den fünf reichsten der Schweiz gehört, betreibt 800 Schiffe. Dies entspricht rund einem Fünftel der globalen Containerflotte. Insgesamt betreiben Schweizer Reedereien 1'400 Hochseeschiffe, was den hiesigen Schifffahrtsstandort auf 3'600 Schiffe wachsen lässt.
Geht es nach Bundesrat und Nationalrat, soll dieser mächtige Wirtschaftssektor in den Genuss von Steuererleichterungen kommen. Mittels «Tonnage Tax» sollen Schifffahrtsunternehmen nicht, wie sonst üblich, aufgrund ihres Gewinns oder Verlusts besteuert werden, sondern anhand der Ladekapazität ihrer Schiffe. Dadurch reduziert sich ihre Steuerlast im globalen Schnitt auf magere 7 Prozent, was dem Fiskus massive Verluste beschert. Die OECD schätzte 2019, dass ihren Mitgliedsländern dadurch durchschnittlich 1 Milliarde Euro pro Jahr verloren gehen. Dagegen hilft auch die OECD-Mindeststeuer nicht, welche seit Anfang Januar in Teilen in der Schweiz in Kraft ist, denn Erträge aus der Schifffahrt sind daraus explizit ausgenommen.
Aufgrund der Ungleichbehandlung verschiedener Sektoren hielt der Bundesrat die Tonnage Tax ursprünglich für verfassungswidrig. Nun erachtet er sie – auf Druck der Branchenvereinigungen – als notwendige Standortförderung. Die zu erwartenden Mindereinnahmen kann er allerdings nicht beziffern. Sie dürften aufgrund der Flottengrösse – und dadurch der Möglichkeiten zur Gewinnverschiebungen auf tonnagebesteuerte Schiffe – aber erheblich höher ausfallen, denn der Bundesrat rechnet nach wie vor mit den deutlich tieferen Zahlen der Reedereivereinigung, welche etwa 900 Hochseeschiffe zählen. Anstatt einer Kriegsgewinnsteuer für die hochprofitable Rohstoffbranche soll es nun Subventionen für diesen Skandalsektor geben. Die ständerätliche Kommission für Wirtschaft und Abgaben, welche die Tonnage Tax am 19. Februar berät, muss dieses finanzpolitisch brandgefährliche Geschäft unbedingt versenken.
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