1500 Ilisu-Opfer kündigen Asylanträge an - Proteste vor Botschaften in Ankara
4. März 2008
Etwa einhundert Personen nahmen die lange Reise vom Tigris in die türkische Hauptstadt Ankara auf sich, um heute bei den Botschaften Deutschlands, Österreichs und der Schweiz gegen die Beteiligung der drei Länder am Ilisu-Projekt zu protestieren. Sie überreichen dabei Schreiben von 1500 Einwohnern der Region an die Schweizer Bundesrätin Leuthard sowie den Bundeskanzlern Merkel und Gusenbauer, in denen sie Asylanträge ankündigen, sobald ihre Heimat überflutet wird.
„Wir würden durch den Ilisu-Stausee alles verlieren. Wer unsere Lebensgrundlagen und unsere historischen Wurzeln zerstört und daran noch verdient, soll uns aufnehmen und für unsere Zukunft sorgen“, begründet Frau Behiye Kepti aus dem von der Überflutung bedrohten Dorf Suçeken in der Nähe der antiken Stadt Hasankeyf, die aussergewöhnliche Aktion.
„Hasankeyf ist unsere Geschichte, Kultur und unser Gedächtnis“, schreiben die Staudammbetroffenen und fordern die drei Staatschefs auf, ihre Unterstützung für das Ilisu-Dammprojekt umgehend zurückzuziehen. Statt des Staudamms brauche die Region die Entwicklung des Tourismus und der Landwirtschaft.
“Kaum noch jemand der 55.000 Betroffenen traut den Versprechen der türkischen Wasserbehörde DSI und den Auflagen der europäischen Regierungen, die die gravierenden Auswirkungen des Projekts mildern sollen“, so Behiye Kepti. Zigtausende Vertriebene anderer Dämme kämpfen seit Jahren in den Elendsvierteln der Grossstädte ums Überleben. Die ersten Enteignungen an der Dammbaustelle in Ilisu haben zudem gezeigt, dass die Wasserbaubehörde DSI die Auflagen der europäischen Regierungen ignorierte und dass es an fruchtbarem Land fehlt, um ein neues Leben aufzubauen.
Die Regierungen der Schweiz, Österreichs und Deutschlands hatten im März 2007 Exportkreditgarantien für Lieferungen an das Ilisu-Wasserkraftwerk genehmigt und damit grünes Licht für den Bau des umstrittenen Wasserkraftwerks gegeben, obwohl die Planungen gravierende Mängel bezüglich Umsiedlung, Kulturschutz und Ökologie aufwiesen und internationale Standards nicht einhielten. Der Stausee hat zudem durch seine Lage im kurdischen Gebiet an der syrisch-irakischen Grenze eine brisante politische Dimension.
„Die Asylankündigung und der Protest der Betroffenen gegen den ungefragten Ausverkauf ihrer Heimat macht die Tragweite des Projekts und die Verantwortung der drei Staaten deutlich. Weitere Proteste werden folgen“, urteilt Christine Eberlein von der EvB.