Australiens Kohleminen: Aborigines zahlen Zeche für verpasste Energiewende und Rohstoffkonzerne in der Schweiz sahnen ab

Seit Putins Einmarsch in die Ukraine und den Sanktionen gegen russische Energieträger exportiert Australien seine Kohle neuerdings auch nach Europa. Die lokalen Behörden und Bergbauriesen wie Glencore und Adani nutzten die Gunst der Stunde, um kontroverse Projekte durchzusetzen. Public Eye hat in Queensland betroffene Aborigines und Umweltaktivist*innen getroffen, die den wachsenden Widerstand gegen die Rohstofflobby organisieren.

Da Europa die Energiewende verpasst hat, ist es zur Sicherung seiner Energieversorgung nun gezwungen, die billige russische Kohle durch australische zu ersetzen. Die 2021 auf der Klimakonferenz in Glasgow beschlossene Abkehr von der Kohle ist dabei völlig in Vergessenheit geraten. Und wieder einmal leiden indigene Gemeinschaften am meisten unter den vielen neuen Minenprojekten, während von der Schweiz aus operierende Rohstoffunternehmen Rekordgewinne  einstreichen. Public Eye besuchte im Bundesstaat Queensland eines der Megaprojekte des indischen Adani-Konglomerats, das seit 2020 eine Handelsniederlassung in Genf betreibt – wohl auch zur Vermarktung seiner Kohle. Gautam Adani ist der drittreichste Mann der Welt und konnte dank der Credit Suisse im selben Jahr Anleihen im Wert von 27 Millionen US-Dollar aufnehmen, wie aus unseren exklusiven Daten hervorgeht. Sein Konzern förderte letztes Jahr allein in der Carmichael-Mine 10 Millionen Tonnen Kohle. Von dort gelangt sie via Zug und Schiff nach Asien und zunehmend auch nach Europa. Ein ökologischer Irrsinn, zumal die Schiffe durch das höchst gefährdete Great Barrier Reef fahren.  

Empört darüber sind aber nicht nur Umweltaktivist*innen, sondern auch direkt betroffene Aborigines der Wangan und Jagalingou, auf deren Land sich die Carmichael-Mine befindet. Zum Zeitpunkt unserer Reportage im Oktober 2022 besetzten etwa 15 Personen schon über 400 Tage das Grundstück gegenüber von jenem Gebiet, das Adani zur grösste Kohlemine der Welt machen will. Public Eye hat dabei selbst erfahren, wie das Grossunternehmen mit Menschen umgeht, die sich für seine Aktivitäten interessieren: Bei unseren Recherchen wurden wir von seinen Sicherheitsleuten verfolgt und gefilmt. In einer E-Mail forderte uns der Konzern auf, das Aborigines-Lager zu verlassen und drohte mit rechtlichen Schritten, falls wir die dort gemachten Aufnahmen verbreiten. Daten der Agentur Argus Media zeigen, dass ein beträchtlicher Teil seiner Produktion inzwischen für europäische Häfen bestimmt ist. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine hat Australien 3,3 Millionen Tonnen Kohle nach Europa exportiert, davon 1,4 Millionen aus Abbot Point.  

Auch Glencore zögerte 2021 nicht, Aborigines öffentlich zu diffamieren, die sich gegen Pläne zur Erweiterung seiner Glendell-Mine stellten. Der Konzern hat sich zum schrittweisen Rückzug aus dem Kohlegeschäft verpflichtet und steht wegen seiner üblen Umweltbilanz entsprechend in der Kritik. Zu den klimaschädlichsten Tagebaugruben gehört Hail Creek, einer Mehrheitsbeteiligung des Zuger Riesen, die Im Juni 2022 vom Forschungsinstitut Ember analysierte Satellitenbilder zeigen, dass hier mehr als das Zehnfache der Menge an Methan - einem starken Treibhausgas - entweicht, als Glencore den Behörden gemeldet hat. Ein ebenso umstrittenes Projekt ist Valeria, das zur grössten Mine Australiens werden soll. Im Dezember 2022 kündigte Glencore an, es aufgrund seiner Klimaschutzverpflichtungen, aber auch wegen geplanter Steuererhöhungen «neu zu bewerten». Ein Druckversuch, um die Behörden diesbezüglich umzustimmen? Vor Ort stellte Public Eye jedenfalls fest, dass die meisten Farmer bereits enteignet wurden und ihr Land verlassen mussten. 

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