China-Abkommen: Menschenrechte auf dem Abstellgleis

Zürich/Bern, 06.07.2013 - Die China-Plattform hat den heute unterzeichneten und veröffentlichten Text des Freihandelsabkommens Schweiz-China einer kritischen Analyse unterzogen. Sie hat den Fokus auf Menschen- und Arbeitsrechte gerichtet und ist bitter enttäuscht über die mutlose Haltung des Bundesrates, der es nicht einmal gewagt hat, das Wort Menschenrechte im Abkommen zu erwähnen. Jetzt ist das Parlament gefordert.

«In der Präambel werden die Menschenrechte angesprochen», versprach Bundesrat Schneider-Ammann anlässlich des Abschlusses der Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen (FHA) mit China. Das Wort Menschenrechte taucht jedoch im gesamten Abkommen nicht ein einziges Mal auf. Damit fällt das China-FHA weit hinter alle Abkommen der Schweiz zurück, die in jüngerer Zeit abgeschlossen wurden. In diesen wurde zumindest in der Präambel ein Bezug auf die Menschenrechte und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verankert. Offenbar misst die Schweiz den Menschenrechten je nach Vertragspartner unterschiedliches Gewicht bei.


Das ausgehandelte FHA verweist immerhin auf ein Zusatzabkommen zu Arbeits- und Beschäftigungsfragen, doch ist dieses im Unterschied zu allen anderen Parallelabkommen nicht explizit mit dem FHA verbunden. Das Abkommen erinnert zwar an die Verpflichtungen als Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), schreibt deren Kernarbeitsnormen aber nicht als Voraussetzung für den Freihandel vor. Lediglich bereits ratifizierte Konventionen sollen weiterhin umgesetzt werden; griffige Verfahren, um gegen deren mangelnde Umsetzung vorzugehen, fehlen im FHA hingegen vollständig.

Damit können auf dem Schweizer Markt heimische Produkte gegenüber solchen aus China diskriminiert werden. Zum Beispiel solchen aus Zwangsarbeitslagern, die im vorliegenden FHA keine Erwähnung finden. Dazu kommt, dass China keine Gewerkschaftsfreiheit kennt, die verbreiteten Dumpingpraktiken entgegenwirken würde. Und selbst die von China offiziell verbotene, aber nach wie vor weit verbreitete Kinderarbeit sowie weitere Mängel bei der Umsetzung arbeitsrechtlicher Standards würden Arbeitsplätze in der Schweiz auf unfaire Art und Weise gefährden. Dies alles ist umso befremdlicher, als dass die Schweizer Regierung als Argument für das FHA die Vermeidung der Diskriminierung von Schweizer Wirtschaftsakteuren angeführt hat.

Auch die von der China-Plattform geforderte tripartite Kommission zur Überwachung der arbeitsrechtskonformen Umsetzung des Abkommens fand keinen Eingang in das vorliegende Abkommen. Dasselbe gilt für bilaterale Schiedsgerichtsmechanismen zur Durchsetzung der ILO-Kernarbeitsnormen, ganz zu schweigen von der Forderung nach der Berücksichtigung und Verankerung der Rechte der zahlreichen Minderheiten in China.

Für die China-Plattform ist das Ignorieren fast sämtlicher ihrer Forderungen eine herbe Enttäuschung und völlig inakzeptabel. Sie wird sich im anstehenden Ratifizierungsprozess durch das Parlament vehement dafür einsetzen, dass einem FHA mit China nur mit griffigen Bestimmungen zum Schutz der Menschen- und Arbeitsrechte zugestimmt wird – ganz im Sinne des Aufrufs von Aussenminister Didier Burkhalter anlässlich des letztjährigen Menschenrechtstages, «hinzuschauen, uns zu wehren, die Stimme zu erheben und uns einzusetzen für den Schutz der Freiheit und der Rechte aller Menschen überall auf der Welt.»

Dies ist eine erste vorläufige Einschätzung des Freihandelsabkommens, das erst am Samstag, 06. Juli 2013 veröffentlicht wurde. Die China-Plattform wird eine detaillierte Analyse des Abkommens in den nächsten Tagen publik machen.

Weitere Informationen hier oder bei:
Thomas Braunschweig, Erklärung von Bern, 079 339 37 01, trade[at]evb.ch;
Christoph Baumann, Solidar Suisse, 079 342 10 09, christoph.baumann[at]solidar.ch

* Die China-Plattform ist ein politischer Zusammenschluss der Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen Alliance Sud, Erklärung von Bern (EvB), Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft (GSTF) und Solidar Suisse.