Die dunkle Seite des «Made in Italy» bei Richemont
Zürich, 8. April 2025
Public Eye reiste kürzlich in die Toskana, um einen seit mehreren Jahren zwischen migrantischen Arbeitern und Richemont brodelnden Arbeitskonflikt zu dokumentieren. Bis 2024 waren die Pakistaner dort bei Z Production beschäftigt, einer Fabrik, die Lederwaren für die Premium-Marke Montblanc herstellte, welche dem Genfer Luxusgüterkonzern gehört. Diese häufig als «Lehrlinge» und/oder «Teilzeitkräfte» eingestellten Arbeiter verdienten für bis zu 70 Wochenstunden gerade mal 900 bis 1000 Euro pro Monat, was einem Dumping-Stundenlohn von etwa 3 Euro entspricht. Auch die gesetzlich garantierten Urlaubstage und Sozialleistungen wurden ihnen vorenthalten. Solch ausbeuterische Bedingungen sind im Zentrum der europäischen Billigproduktion von Modeartikeln, wo die meisten Werkstätten in chinesischem Besitz sind, weit verbreitet.
Im Kampf gegen diese Missstände schlossen sich diese Arbeiter der lokalen Gewerkschaft Sudd Cobas an, die einen «Überstundenstreik» initiierte. Dank dieses Protests erreichten sie legale Arbeitsbedingungen und angemessene Löhne. Doch kurz nach Abschluss der entsprechenden Vereinbarung zwischen Z Production und der Gewerkschaft kündigte Richemont den Vertrag mit der Fabrik auf Ende 2023 und begründete dies mit Verstössen gegen seinen Verhaltenskodex für Zulieferer. Im gleichen Jahr, wo die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter ihre Jobs verloren, machte der Konzern einen Gewinn von 2,6 Milliarden US-Dollar. Richemont foutierte sich aber nicht nur um jegliche Verantwortung, sondern reichte diesen Januar auch noch eine Klage wegen Verleumdung und Nötigung gegen Sudd Cobas ein. Zuvor hatte der Genfer Konzern vergeblich versucht, Protestaktionen vor einer Montblanc-Boutique in Florenz verbieten zu lassen.
Die bei Z Production aufgedeckten Praktiken sind kein Einzelfall. Im November 2024 enthüllte Al Jazeera mit versteckter Kamera schwere Missstände in einer Fabrik in Florenz, die gemäss Aussage der Fabrikleiterin neu Aufträge für Montblanc-Ledertaschen erhielt. Richemont hat bislang aber keine glaubwürdigen Massnahmen ergriffen, um diese Probleme in seiner Lieferkette zu beheben. Dies, obschon der Konzern mindestens seit 2020 von solchen Ausbeutungsfällen wusste. Denn damals war die Leitung einer Fabrik in der Region verklagt worden, die Taschen der Marke Chloé herstellte, die auch zum Richemont-Imperium zählt. Das Urteil vom April 2023 berichtet von ähnlichen Arbeitsbedingungen wie bei Z Production und sogar von körperlicher Gewalt gegen Arbeiter. Auf diesem Hintergrund fordert Public Eye Richemont auf, nun endlich Verantwortung zu übernehmen – für die entlassenen Arbeiter wie auch seine gesamte Lieferkette.
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