Ein Jahr nach Rana Plaza: Textilfirmen lassen Opfer und Hinterbliebene im Stich
23. April 2014
Ein Jahr nach dem schlimmsten Unglück der Textilindustrie weigern sich zahlreiche Textilfirmen nach wie vor, Verantwortung zu übernehmen für das Leid der Überlebenden und für jenes der Hinterbliebenen der 1‘138 Opfer. Zwar kam ein bis anhin einzigartiges Abkommen zustande, das «Rana Plaza-Arrangement»*, welches auf ILO-Standards beruht und zwischen der bangladeschischen Regierung, Gewerkschaften, Arbeitsrechts-NGOs und globalen Markenfirmen abgeschlossen wurde. Dennoch hat bis heute nur die Hälfte der Unternehmen, die von Rana Plaza Waren bezogen, in den Entschädigungsfonds eingezahlt. Bis heute zählt der Fonds lediglich 15 Millionen der 40 Millionen US-Dollar, die nötig sind, um für die Lohnausfälle und die medizinischen Kosten der Betroffenen aufzukommen. Dieser Betrag steht im krassen Gegensatz zum Gesamtprofit von 22 Milliarden US-Dollar, den die involvierten Firmen* 2013 erwirtschafteten.
Im Nachgang der Tragödie konnte dennoch ein gewisser Fortschritt hin zu mehr Gebäudesicherheit verzeichnet werden. Mehr als 150 Firmen haben das Sicherheitsabkommen unterzeichnet, ein rechtlich verbindliches Abkommen, welches unabhängige Fabrikinspektionen vorschreibt und die Unterzeichnerfirmen dazu verpflichtet, sich finanziell an den notwendigen Renovationsarbeiten zu beteiligen. Erste Inspektionen haben diesen Winter begonnen. Bis September 2014 sind weitere Inspektionen in 1‘500 Fabriken geplant.
Die Wirkung dieses historischen Abkommens zwischen den Firmen, der Regierung Bangladeschs, sowie lokalen und internationalen Gewerkschaften könnte weiter verstärkt werden, würden alle Textilfirmen ihre Verantwortung wahrnehmen. Bisher sind jedoch Switcher, Charles Vögele und Vistaprint die einzigen Schweizer Firmen, die das Abkommen unterschrieben haben. Tally Weijl kündigte zwar Ende Mai 2013 in einer Pressemitteilung an, das Sicherheitsabkommen zu unterzeichnen, bis heute ist allerdings nichts geschehen. Auch Chicorée hat das Sicherheitsabkommen nicht unterschrieben, genauso wenig wie Coop, Migros und Zebra, die alle in Bangladesch produzieren lassen. Unter den weiteren Firmen, welche sich bis anhin weigern, dem Abkommen beizutreten, sind auch Branchengrössen wie Gap und Walmart. Diese haben es vorgezogen, gemeinsam und ohne Beteiligung der Gewerkschaften ihr eigenes, unverbindliches Abkommen voranzutreiben. Dieses verantwortungslose Verhalten trug Gap im Januar den Public Eye Award ein.
Weitere Informationen hier oder bei:
Silvie Lang, Erklärung von Bern, 044 277 70 09, silvie.lang[at]evb.ch
Diese 30 Firmen hatten Geschäftsbeziehungen (Bestellungen oder Testaufträge) zu Rana Plaza zum Zeitpunkt oder kurz vor dem Unglück: Adler Modemärkte (Deutschland), Auchan (Frankreich), Ascena Retail (USA), C&A (Belgien), Benetton (Italien), Bonmarché (England) , Camaïeu (Frankreich), Carrefour (Frankreich), Cato Fashions (USA), The Children’s Place (USA), LPP (Cropp, Polen), El Corte Inglès (Spanien), Gueldenpfennig (Deutschland), Iconix (Lee Cooper, USA), Inditex (Spanien), JC Penney (USA), Loblaws (Kanada), Kids for Fashion (Deutschland), Kik (Deutschland), Mango (Spanien), Manifattura Corona (Italien), Mascot (Dänemark), Matalan (England), NKD (Deutschland), Premier Clothing (England), Primark (England/Irland), Grabalok (England), PWT (Dänemark), Walmart (USA) und YesZee (Italien).
*Rana Plaza Arrangement:
Das „Arrangement“ ist ein Übereinkommen, welches die Entschädigung der Verletzten und der Opferfamilien des Rana Plaza Fabrikeinsturzes regelt. Das Übereinkommen wurde von der Clean Clothes Campaign mitinitiiert und wird, wie das Sicherheitsabkommen, von der ILO begleitet. Die bangladeschische Regierung, lokale sowie internationale Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen sowie die Textilfirmen El Corte Ingles, Bonmarché, Primark und Loblaw haben das Arrangement unterzeichnet und sich damit verpflichtet, einen Beitrag zur Kompensation der Betroffenen zu leisten. Die Entschädigungszahlungen laufen über einen von der ILO verwalteten internationalen Solidaritätsfond.