EU beerdigt ACTA: Jetzt muss der Schweizer Bundesrat nachziehen
4. Juli 2012
Mit 478 zu 39 Stimmen (bei 165 Enthaltungen) haben die Abgeordneten in Strassburg dem ACTA-Ratifizierungsprozess innerhalb der EU ein Ende gesetzt. Zuvor hatten sich verschiedene Parlamentsausschüsse negativ zu ACTA geäussert, im Juni auch der als konservativ geltende Ausschuss für internationalen Handel. Die überaus deutliche Mehrheit des EU-Parlaments hat sich nun entschieden, den Empfehlungen des Berichterstatters zu folgen und das Abkommen endgültig zu beerdigen.
Damit erübrigt sich das von der EU-Kommission beim europäischen Gerichtshof angeforderte Rechtsgutachten zur Vereinbarkeit von ACTA mit bestehenden EU-Verträgen. Die trotz heftigem Industrielobbying für die ACTA-Ratifizierung zustande gekommene Zurückweisung ist ein wichtiger Sieg für die demokratischen Grundfreiheiten.
In seinem Schreiben an die aussenpolitische Kommission des Nationalrats hat der Bundesrat am 9. Mai angekündigt, vor seiner ACTA-Entscheidung die EU-Entwicklung abzuwarten. Die EvB fordert, dass diesen Worten jetzt die entsprechenden Taten folgen und das antidemokratische ACTA-Abkommen im autonomen Nachvollzug des EU-Entscheids auch in der Schweiz ad acta gelegt wird.
Hintergrund:
An den Verhandlungen zu ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) beteiligt waren folgende Staaten: Australien, Europäische Union (27 Mitgliedsstaaten + EU-Kommission), Japan, Kanada, Marokko, Mexiko, Neuseeland, Schweiz, Singapur, Republik Korea und USA. Aktuell haben die Schweiz, Mexiko und fünf EU-Mitgliedsstaaten (darunter Deutschland und Holland) ACTA noch nicht unterzeichnet.
Mehrere europäische Staaten, die zuvor unterzeichnet haben, kündigten kurz darauf an, die Ratifizierung auf Eis legen zu wollen. Der Berichterstatter des EU-Parlaments ist Ende Januar von seinem Amt zurückgetreten und hatte mit der Aussage Aufsehen erregt, der Vorgang, der zur Unterzeichnung von ACTA geführt hatte, sei eine „Maskerade“ gewesen.
Die EvB und andere NGOs waren während der Verhandlungen aktiv und haben immer wieder auf die Gefahren hingewiesen, die von ACTA betreffend Recht auf Gesundheit und digitale Freiheit ausgehen. Unter dem Deckmantel eines Kreuzzuges gegen Fälschung und Piraterie würde das Abkommen einzig die Handelsinteressen der Industrieländer und ihrer Unternehmen weiter stärken.