Freihandelsabkommen mit Kolumbien: Ratifizierung trotz Gewerkschaftsmorden

Bern/Zürich, 24.09.2009 - Mit zehn Schüssen wurde der kolumbianische Gewerkschafter und Nestlé-Mitarbeiter Gustavo Gomez am 21. August 2009 vor seinem Haus in Dosquebradas niedergestreckt. Damit sind dieses Jahr bereits 27 Gewerkschafter in Kolumbien ums Leben gekommen. Ungeachtet der prekären Menschenrechtssituation hat der Ständerat heute das EFTA-Freihandelsabkommen mit Kolumbien gutgeheissen. Alliance Sud, die Erklärung von Bern und die Arbeitsgruppe Schweiz Kolumbien sind enttäuscht, dass es die Schweiz verpasst hat, ein klares Zeichen zugunsten der Menschenrechte zu setzen.

Kolumbien ist weltweit das gefährlichste Land für Gewerkschafter. Allein 12 Mitglieder der Lebensmittelarbeitergewerkschaft Sinaltrainal, die bei Nestlé arbeiteten, wurden bis heute umgebracht. Neben der Gewalt gegen Gewerkschafter tragen auch aussergerichtliche Hinrichtungen, das Verschwindenlassen von Oppositionellen und interne Vertreibungen zur katastrophalen Menschenrechtssituation im südamerikanischen Land bei. Die Erklärung von Bern (EvB), die Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien (ask) und Alliance Sud, die entwicklungspolitische Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke, setzen sich daher seit langem für ein Moratorium beim Freihandelsabkommen mit Kolumbien ein, bis sich die Menschenrechtslage verbessert.

Mit der abschliessenden Ratifizierung durch den Ständerat (der Nationalrat genehmigte es im Mai) hat sich die Schweiz international isoliert. Unser EFTA-Partner Norwegen hat diesen Frühling entschieden, die Ratifizierung aufgrund der systematischen Menschenrechtsverletzungen zu verschieben. Aus denselben Gründen ist ein bilaterales Abkommen in den USA seit über zwei Jahren blockiert. Und nur eine Woche nach der Genehmigung des Freihandelabkommens durch den Nationalrat wurde im kanadischen Parlament die Ratifizierungsdebatte von der Legislaturagenda gestrichen. Dies, nachdem die Oppositionsparteien geschlossen eine vorgängige Studie zu den menschenrechtlichen Auswirkungen eines Freihandelabkommens zwischen Kanada und Kolumbien gefordert hatten.

Bundesrätin Leuthard behauptet unbeirrt, dass sich die Menschenrechtslage in Kolumbien eindeutig verbessere. Doch erst im Juni wurde das Land vor eine Kommission der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zitiert – die ILO hatte Kolumbien auf die Liste jener Länder gesetzt, welche ihre Kernkonventionen verletzen. Ebenfalls im Juni hat der Uno-Sonderberichterstatter für aussergerichtliche Hinrichtungen, Philip Alston, festgehalten, dass die „falsos positivos“ (falsche Erfolgsmeldungen: Zivilisten werden ermordet und später als im Kampf gefallene Guerillakombattanten präsentiert) keine isolierten Fälle einzelner Armeeeinheiten gewesen seien, sondern eine über das ganze Territorium verbreitete Praxis der Armee, was auf eine gewisse Koordination schliessen lasse.

Alliance Sud, EvB und ask bedauern, dass die Schweiz mit ihrer voreiligen Ratifizierung des Abkommens mit einer Regierung, deren Institutionen selbst in Menschenrechtsverletzungen involviert sind, ihre Glaubwürdigkeit als Hüterin der Menschenrechte aufs Spiel setzt.

Weitere Informationen:

  • Thomas Braunschweig, EvB-Handelsexperte, Tel. 044 277 70 11, trade[at]evb.ch
  • Stephan Suhner, Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien, Tel.079 409 10 12, fachstelle.bern[at]askonline.ch
  • Isolda Agazzi, Verantwortliche für Handelspolitik bei Alliance Sud, Tel. 079 434 45 60 , isolda.agazzi[at]alliancesud.ch