Gefälschte Lohnzettel aus China
29. April 2005
Die unwürdigen Arbeitsverhältnisse in den Fabriken Asiens und Osteuropas sind seit Jahren bekannt. Auf Druck der Kundschaft sehen sich international operierende Unternehmen vermehrt gezwungen, auch soziale und ökologische Aspekte in der Beschaffung von Waren aus Übersee zu beachten. Oft beauftragen sie dazu Rechnungsprüfer mit einem Monitoring. Die Resultate sind häufig zweifelhaft. Trotzdem verdienen global tätige Beratungsfirmen damit viel Geld. Die Produzenten werden dafür mit einem Zertifikat (z.B. SA8000) belohnt. Bei Organisationen aus dem Süden steht diese neue Monitoring-Industrie seit langem in der Kritik. Ein Bericht von Alexandra Harney in der Financial Times vom 22. April 2005 (S. 13) dokumentierte die unlautere Geschäftspraxis in China. Da werden Lohnzettel und Arbeitszeiterfassung mittels Computerprogrammen in Übereinstimmung mit dem Gesetz gebracht. Die Beschäftigten werden angeleitet, welche Antworten sie den Kontrolleuren geben sollen. Gemäss dem Experten Gary Beadell werden in China über 90 Prozent der Unterlagen für das Monitoring gefälscht. Diese Probleme sind auch aus Indien bekannt.
EvB fordert den Einbezug von lokalen Akteuren
Die Erklärung von Bern (EvB) kritisiert diese Praktiken seit Jahren. Zur Abhilfe fordert sie eine Beteiligung lokaler Akteure bei der Überprüfung. „Die besten Kontrolleure sind die Beschäftigten selbst und nicht die international tätigen Rechnungsprüfer“, sagt Stefan Indermühle, der bei der EvB die Kampagne für gerecht produzierte Kleider (Clean Clothes Campaign, CCC) koordiniert. In einem Pilotprojekt der CCC in China und Indien wurde der partizipative Ansatz erfolgreich getestet. Dessen Eckpfeiler bilden die Stärkung lokaler Kapazitäten, die internationale Vernetzung und die Transparenz über den gesamten Monitoringprozess. In der Schweiz laufen Vorarbeiten zum Aufbau einer Verifizierungsstelle, welche künftig die Sozialstandards in der Bekleidungsindustrie glaubhaft überprüfen soll. Die EvB fordert alle Bekleidungsfirmen auf, sich am Aufbau einer solchen Stelle zu beteiligen.
Max- Havelaar- Lizenznehmer sollen Führungsrolle übernehmen
Beim neuen Gütesiegel von Max Havelaar für Produkte aus fair gehandelter Baumwolle werden in der Textilindustrie ebenfalls Sozialstandards kontrolliert. Es besteht daher die Gefahr, dass auch Max Havelaar mit falschen Angaben getäuscht wird. Der partizipative Ansatz beim Monitoring könnte das verhindern. „Ohne eine Verifizierungsstelle kann das Angebot mit Max Havelaar Textilien nicht glaubwürdig erweitert werden“, ist Stefan Indermühle von der EvB überzeugt. Dank einheitlichen Sozialstandards erfüllen heute zwar alle Lizenznehmer die Voraussetzung für eine glaubwürdige Überprüfung. Es sollte auch in Zukunft eine Selbstverständlichkeit sein, dass alle Anbieter von fair gehandelten Textilien beim internen Monitoring keine tiefere Sozialstandards anwenden. Um die Glaubwürdigkeit des Textillabels zu sichern, sollten die Max- Havelaar- Lizenznehmer auch im Monitoring eine Führungsrolle übernehmen und sich am Aufbau einer Verifizierungsstelle beteiligen. Bisher haben sich erst zwei der Lizenznehmer (Migros und Switcher) dafür eingesetzt.