Ilisu: Grundstein für Staudamm ist Grabstein für Menschen und Kultur
5. August 2006
Heute Samstag, den 5. August, erfolgt in Anwesenheit von Ministerpräsident Recep Erdogan die Grundsteinlegung des Ilisu-Staudamms. Damit will die Türkei ein Zeichen setzen, dass dem Bau des bereits 2002 gescheiterten Megakraftwerks diesmal nichts im Wege stehen soll. Damals hatten sich internationale Baufirmen und die UBS wegen ökologischen und sozialen Bedenken vom Projekt zurückgezogen. Doch auch 4 Jahre später gibt der Plan, den 110 km langen Staudamm nun zu bauen, Anlass zu heftiger Kritik. 55'000 Menschen wären direkt betroffen und mehrere tausend Jahre alte Kulturgüter würden überschwemmt.
Das Ilisu-Projekt weist trotz Nachbesserungen an Umweltverträglichkeitsprüfung und Umsiedlungsplan, die das Baukonsortium im Juni 2006 vorgestellt hat, nach wie vor gravierende Defizite auf. Die Beteiligung der Bevölkerung an der Projektplanung entspricht nicht internationalen Standards und selbst die rechtlichen Grundlagen für die Projektdurchführung sind nicht gegeben. Entgegen anders lautender Aussagen Erdogans steht auch die Finanzierung des Projekts noch keineswegs: Die Exportkreditagenturen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz haben bisher nicht über eine Exportrisikogarantie für den Staudamm entschieden.
Die lokale Initiative "Rettet Hasankeyf" hat aus diesen Gründen gestern vor Ort protestiert und mit einem Konzert und einer Pressekonferenz den Widerstand der Bevölkerung gegen das Projekt öffentlich gemacht. Zahlreiche Bürgermeister der Region, Umweltschützer und Menschenrechtsaktivisten haben sich daran beteiligt. Auch der Oberbürgermeister der nahen Grosssstadt Diyarbakir hat sich der Initiative angeschlossen und sagt: "Die Grundsteinlegung ist eine Respektlosigkeit angesichts der ungelösten Probleme des Projekts und unseres kulturellen Erbes."
Die Grundsteinlegung zum jetzigen Zeitpunkt soll offensichtlich dazu dienen, Fakten zu schaffen, ohne der vorgeschriebenen Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfung den nötigen Raum zu geben. Angesichts der gravierenden Mängel warnt Christine Eberlein von der Erklärung von Bern den schweizerischen Bundesrat davor, eine Exportrisikogarantie für das umstrittene Projekt zu genehmigen. "Eine Zusage würde den langjährigen internationalen Prozess zur Harmonisierung von Sozialstandards diskreditieren, unwiderbringliche Kulturgüter zerstören und über 11'000 Menschen ohne geeignetes Umsiedlungskonzept aus ihrer Heimat vertreiben."