Justiz setzt Glencore Daumenschrauben an – allerdings erst in den USA

Gestern hat das US-Justizministerium von Glencore die Herausgabe von Dokumenten zu seinen Aktivitäten in Nigeria, Venezuela und der Demokratischen Republik Kongo gefordert. Washington ermittelt wegen dem Verdacht auf Korruption und Geldwäscherei von 2007 bis heute. Vor einem halben Jahr schon hatte Public Eye die Bundesanwaltschaft mit einer Strafanzeige aufgefordert, die Rechtmässigkeit einiger Kongo-Deals zu untersuchen – bislang ohne Erfolg.

Auf der Grundlage eigener Recherchen und der Paradise Papers reichte Public Eye am 19. Dezember 2017 bei der Bundesanwaltschaft offiziell Strafanzeige gegen Glencore ein. Im Zusammenhang mit dem Kauf kongolesischer Minen hätte es für unsere Strafverfolgungsbehörden schon vorher genügend Indizien gegeben, um eine Untersuchung zu eröffnen und die Legalität von Geschäften zu klären, die Medien und NGOs seit Jahren als höchst problematisch bezeichneten. Bis heute hat die Bundesanwaltschaft aber nicht entschieden, ob sie eigene Untersuchungen aufnimmt. Das amerikanische Justizministerium hingegen ermittelt seit 2012 gegen Dan Gertler, Glencores berüchtigten Mittelsmann im Kongo, und widmet sich nun mit Nachdruck der Rolle des Zuger Rohstoffkonzerns in diesen undurchsichtigen Transaktionen.

Noch unklar ist, worauf sich die US-Forderungen bezüglich Geschäften in den Ölstaaten Nigeria und Venezuela genau beziehen. Bekannt ist, dass die nationale venezolanische Ölgesellschaft PDVSA in einer im März in den USA eingereichten Zivilklage Glencore wie auch seine Genfer Konkurrenten Vitol und Trafigura beschuldigt, einen Berater dafür bezahlt zu haben, den Firmen Zugang zu vertraulichen Informationen zu verschaffen. Die Handelsgesellschaften hätten daraufhin Preise abgesprochen, Auktionsverfahren für Erdöltransaktionen manipuliert und bei An- und Zukäufen „falsche“ Preise verrechnet. Diese bis 2004 zurückreichenden Vorgänge sollen die Staatskasse in Caracas über fünf Milliarden Dollar gekostet haben. Der Fall ist auch bei den Genfer Behörden in Abklärung.

In Nigeria wiederum war Glencore einer der Hauptkunden des Ölmagnaten Kola Aluko, dessen Deals in Grossbritannien und den USA derzeit Gegenstand von Strafuntersuchungen sind. Da alle seine Aktivitäten über die Schweiz liefen, wurde der Genfer Staatsanwalt von London um wichtige Bankdokumente ersucht. Diese Amtshilfe wurde aber – offenbar auf Geheiss der Bundesanwaltschaft – nicht gewährt.

Für Glencore gilt zwar die Unschuldsvermutung. Die Tatsache, dass sich die US-Justiz für die Aktivitäten gleich in drei notorisch korrupten Staaten interessiert, zeigt aber Glencores Hang zu Geschäften in hochriskanten Umfeldern. Alle drei Fälle illustrieren, wie ungestraft Schweizer Rohstoffhandelsfirmen mit fragwürdigen Personen und Unternehmen geschäften können. Nötig wäre die Einführung einer Sorgfaltprüfungspflicht bezüglich Geschäftspartnern, um nach Vorbild des Bankensektors Geschäfte mit sog. PEPs (politisch exponierte Personen) zu verhindern. Stattdessen „erwarten“ die Bundesbehörden, naiv oder wider besseres Wissen, lediglich ein „integres und verantwortungsvolles Verhalten“, statt die Branche endlich zu regulieren.

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Oliver Classen, Mediensprecher, 044 277 79 06, oliver.classen@publiceye.ch
 

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