Kohlehandel: Der blinde Fleck der Schweizer Klimapolitik
Zürich/Lausanne, 7. November 2022
Ausstieg aus der Pandemie, Krieg in der Ukraine, Chaos auf den Energiemärkten: Alle aktuellen Krisen nützen der Kohle und verschärfen so die Klimakrise. Die Renaissance des dreckigsten aller fossilen Brennstoffe kommt unserem Land direkt zugute, wie der Bericht über «Die Schweiz auf ihrem Kohleberg» von Public Eye zeigt. Seit den frühen 2000er Jahren ist zwischen Zug, Genf und Lugano ein regelrechtes Russ-Ökosystem entstanden. In diesem Dreieck sind heute 245 Unternehmen im Kohlegeschäft tätig. Diese wickeln nach unseren Schätzungen 40% des weltweiten Kohlehandels ab. Bergbauunternehmen mit Hauptsitz oder Niederlassung in der Schweiz fördern gesamthaft zudem mehr als 536 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr. Die resultierenden Emissionen aus Abbau, Transport und Verstromung betragen fast 5,4 Milliarden Tonnen CO2. Das ist mehr, als die USA jährlich in die Atmosphäre pusten.
Seit die Schweiz 2015 das Pariser Klimaschutzabkommen unterzeichnet hat, haben ihre Banken der heimischen Kohleindustrie 3,15 Mrd. US-Dollar geliehen. Das geht aus exklusiven Daten des niederländischen Recherche-Instituts Profundo hervor. Mehr als die Hälfte dieser Kredite für Unternehmen wie Trafigura, Glencore oder die russischen Kohleförderer Sibanthracite und SUEK stammen von Credit Suisse. Aber auch die Kantonalbanken von Zürich, Waadt und Genf mischen kräftig mit – ungeachtet ihres Aktionariats, das mehr Respekt vor den politischen Verpflichtungen des Bundes erwarten liesse. Wegen des zunehmenden öffentlichen Drucks haben die Banken ihre Ausschlusskriterien so formuliert, dass diversifizierte Grosskonzerne durch die Maschen ihrer Klimaschutzversprechen fallen. Keine dieser Selbstverpflichtungen der von Public Eye untersuchten Schweizer Banken würde beispielsweise eine Finanzierung von Glencores Kohlegeschäften ausschliessen. International hat der Schweizer Kohlesektor zwischen 2016 und September 2022 von Banken insgesamt 72,9 Mrd. US-Dollar erhalten.
Die Klimakrise und der durch den Krieg in der Ukraine ausgelöste Energieengpass zeigen, wie dringend der Ausstieg aus fossilen Energiequellen ist. Durch ihre dominante Position im Kohlesektor hat die Schweiz einen grossen klimapolitischen Hebel und eine ebenso grosse Verantwortung für die globale Energiesicherheit. An der COP26 vor einem Jahr in Glasgow beschlossen die Staaten eine weltweite schrittweise Reduktion der Kohle und die Schweiz setzte sich sogar für eine vollständige Beendigung ein. In ihrer Klimapolitik ignoriert sie den Kohlehandel aber völlig. Deshalb fordert Public Eye den Bundesrat und das Parlament mit einer Petition auf, ihren Versprechen endlich konkrete Massnahmen für die Umsetzung des Ausstiegs bis 2030 folgen zu lassen. Angesichts der klimatischen Notlage kann die Schweiz nicht länger auf leere Absichtserklärungen ihrer Rohstoff- und Finanzkonzerne setzen, die nur auf Zeit spielen, um ihre Profite zu sichern.
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