Kritik am Aussenpolitischen Bericht 2000: Schweizerische Interessen zuerst
16. November 2000
Die Erklärung von Bern krititisiert die wirtschaftszentrierte Sicht des Aussenpolitischen Berichts 2000. Ist im Bericht von 1993 noch von der «Förderung der Wohlfahrt» die Rede gewesen, werden nun als eines der Oberziele der Aussenpolitik die «Wahrung der Interessen der schweizerischen Wirtschaft im Ausland» genannt.
Der Bericht vertritt die etwas naive Sicht, dass durch die Globalisierung einige Leitplanken vorausgesetzt - der Lebensstandard sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungsländern erhöht und bestehende Ungleichkeiten beseitigt werden. Es scheint notwendig daran zu erinnern, dass bis heute nicht einmal die Hälfte der Weltbevölkerung von den Früchten der Globalisierung profitieren konnte und dass noch immer über drei Milliarden Menschen mit weniger als 2$ pro Tag auskommen müssen.
Nach der Meinung des Bundesrats kann die WTO «einen bedeutsamen Beitrag zur Integration der Entwicklungsländer leisten». Dass eine forcierte Handelsliberalisierung, wie sie die WTO fördert und wie sie auch die Schweiz unterstützt, nicht für alle ärmeren Länder das richtige Rezept ist, belegt selbst der diesjährige Weltentwicklungsbericht der Weltbank.
Unkritisch geht der Aussenpolitische Bericht auch mit der Rolle von global tätigen Wirtschaftsunternehmen um. Es werden lediglich deren Bedeutung als Arbeitgeber, Investoren und Sozialpartner hervorgehoben. Aber mit keinem Wort wird auf menschenrechtsverletzende und umweltschädigende Praktiken, die viele Unternehmen zu verantworten haben, eingegangen. Als jüngstes Beispiel wäre das Schweizer Modehaus Vögele zu nennen, das T-Shirts verkauft, die mit Kinderarbeit hergestellt worden sind. Der Bundesrat unterschätzt in krasser Weise den Einfluss der transnationalen Unternehmen auf die Politik. Ebenso übersieht er die Tatsache, dass der Umsatz der fünf grössten Konzerne das doppelte des Bruttosozialprodukts der 100 ärmsten Staaten beträgt.
Immerhin gibt der Aussenpolitische Bericht im Kapitel «Menschenrechte» zu, dass Menschenrechtspolitik immer wieder in einen Interessenkonflikt mit der schweizerischen Wirtschaftspolitik gerate, beispielsweise bei der Gewährung von Exportrisikogarantien. Hingegen erwähnt er mit keinem Wort das 1994 vom Bundesrat verabschiedete Nord-Süd-Leitbild. Dieses Leitbild wurde damals genau zu dem Zweck erstellt, mehr Kohärenz zu schaffen zwischen nationalen, kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen und einer nachhaltigen schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit.