Labels unter der Lupe - Multinationale Konzerne trotz Zertifizierung umstritten
16. Februar 2007
Anlässlich der Tagung «Labels unter der Lupe – am Beispiel der Bananen» wurde heute in Bern heftig über das Engagement multinationaler Konzerne in Bezug auf Sozialstandards und Umweltschutz diskutiert. Im Zentrum stand die Frage, ob ein profitorientiertes Unternehmen tatsächlich glaubwürdig ist, wenn es seine Produkte und Betriebe mit Labels und Standards zertifiziert. Chiquita ist ein solches Beispiel. Die Chiquita-Bananen tragen seit einem Jahr das Froschlabel der Umweltorganisation Rainforest Alliance. «Wir haben auf die Kritik in der Öffentlichkeit reagiert und in unseren Plantagen die Verantwortung für Sozial- und Umweltaspekte übernommen», argumentiert Georg Jaksch, Direktor Corporate Responsibility bei Chiquita. So werde der Einsatz chemischer Mittel reduziert und die soziale Situation der Arbeitnehmenden in den Plantagen verbessert.
Vertreter lokaler Gewerkschafts- und Umweltorganisationen sehen dies anders. Sie werfen Chiquita und anderen multinationalen Konzernen vor, dass die Zertifizierung einzig einer Marketingstrategie zur Gewinnoptimierung entspreche. Gilberth Bermudez, Gewerkschafter der Dachorganisation COLSIBA in Costa Rica: «Auch wenn die grossen Konzerne die Konsumenten überzeugen wollen, dass die Bananen unter den besten Bedingungen produziert wurden, ist dies alles andere als gewiss.» Die neuen Zertifizierungen wie SA8000 und Rainforest Alliance würden nur geringe soziale Verbesserungen nach sich ziehen und zugleich die Nichteinhaltung international vereinbarter Arbeitsnormen (ILO-Konvention) wie beispielsweise der Versammlungsfreiheit verschleiern. Hernan Hermosilla, Sekretär und Promotor der Umweltorganisation FORO EMAUS doppelt nach: «Die Daten offizieller Statistiken der Gesundheitsbehörden in Costa Rica und anderen Ländern zeigen deutlich, dass der Gebrauch toxischer Substanzen nicht zu-, aber auch nicht abgenommen hat.» Die grossen Konzerne hätten sich auch weiterhin der Gewinnmaximierung verschrieben und würden weder den politischen noch den wirtschaftlichen Willen zeigen, die Produktion ganz auf Nachhaltigkeit umzustellen. Laut einer Studie der schwedischen Umweltorganisation SNF setzte Chiquita 2005 auf den Plantagen trotz Zertifizierung 50 Kilo Pestizide pro Hektare ein und scheute dabei auch nicht vor dem Gebrauch der weltweit giftigsten Biozide zurück.
«Ein Label ist nur so gut wie die Auflagen, die dahinter stecken», resümiert Jacqueline Bachmann, Geschäftsführerin der Stiftung Konsumentenschutz. In dieser Aussage liegt ein Kernfazit der Tagung. Je mehr Labels geschaffen werden, desto grösser ist die Gefahr der Kriterienverwässerung. Denn nicht nur die Unternehmen stehen in einem wirtschaftlichen Wettbewerb, sondern auch die Labelorganisationen. Es sind daher auch in Zukunft nicht nur informierte und kritisch handelnde Konsumentinnen und Konsumenten gefordert, sondern ebenso verbindliche Orientierungshilfen im Labeldschungel. Denn letztlich entscheiden die Konsumenten mit ihrem Kauf, ob das Engagement eines Handelsunternehmens weit reichend genug ist.
Die Tagung schliesst mit den Forderungen der Trägerschaft, dreizehn namhaften Schweizer Umwelt-, Entwicklungs-, Fair Trade- und Konsumentenorganisationen. Sie verlangen von allen Unternehmen (Profit oder Nonprofit) und Labelorganisationen eine transparente Informationspolitik in Bezug auf ihre sozialen, ökologischen und politischen Handlungspolicen. «Nur indem sich Konzerne und Labelorganisationen an ihrer konkreten Wirkung vor Ort messen lassen», so Ursula Brunner, Ehrenpräsidentin terrafair, «können sie ihre Glaubwürdigkeit beweisen.» Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, gelte es, regelmässig einheitliche und unabhängige Überprüfungen (Impact Assessments) der sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeit durchzuführen und die interessierten Parteien transparent über die Resultate zu informieren.