Lösliche Versprechen: Nachhaltig in Nestlés Kaffeegeschäft sind nur die Gewinne

Mit seinem Nescafé-Plan verspricht Nestlé seit 2010, das Leben und Einkommen von Hunderttausenden Menschen im Kaffeeanbau zu verbessern. Unsere Recherchen in Brasilien und Mexiko zeigen aber: Viele am Nachhaltigkeitsprogramm beteiligte Kaffeebäuerinnen und -bauern kommen mit den tiefen Einkaufspreisen, die Nestlé zahlt, nicht über die Runden. Solche freiwilligen Initiativen auf Firmen- oder Branchenebene reichen längst nicht zur Bekämpfung der weitverbreiteten Armut im Kaffeeanbau. Die in diesem Sektor besonders mächtige Schweiz muss vielmehr politische Regulierungen einführen, die sicherstellen, dass Nestlé und weitere Kaffeekonzerne ihre weltweite Verantwortung wahrnehmen.

Ein Viertel seines Umsatzes erzielt der Weltmarktführer aus Vevey mit Kaffee – und verspricht auf seiner Nescafé-Website, dass er diese Grösse nutzt, um «die Welt zum Guten» zu verändern. So will er ab nächstem Jahr nur noch «verantwortungsvoll» beschafften Kaffee verkaufen. Wichtigster Baustein dieser Strategie ist der 2010 lancierte Nescafé-Plan: Dieser soll laut Nestlé durch Schulungen und gratis verteilte Setzlinge das Einkommen unzähliger Kaffeeproduzent*innen verbessert haben und dank der 4C-Zertifizierung zudem ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltigen Kaffee garantieren. Ein neuer Report über «Nescafés lösliche Versprechen» zeigt die eklatanten Widersprüche zwischen Nestlés rein profitorientierter Einkaufspolitik und seiner werbewirksamen Nachhaltigkeitsrhetorik. 

Im brasilianischen Espírito Santo und der mexikanischen Soconusco-Region in Chiapas hat das Vorzeigeprogramm den Menschen aber keine Verbesserungen gebracht. Das haben wir vor Ort gesehen. Die (minimalen) Anforderungen des 4C-Standards werden dort kaum kontrolliert und noch weniger durchgesetzt. Der wichtigste Befund aber lautet: Der Nescafé Plan hat das Einkommen der Bäuerinnen und Bauern nicht verbessert. Stattdessen können viele mit den tiefen Preisen, die Nestlé seit Jahren zahlt, kaum ihre Kosten decken. Auf den Plantagen schuften Arbeiter*innen zu Tiefstlöhnen und in Espírito Santo kommt es zudem regelmässig zu schwerwiegenden Unfällen, weil die Erntemaschinen meist nicht mit den nötigen Sicherheitsvorkehrungen ausgerüstet sind. 

Millionen Kaffeebäuerinnen und -arbeiter sind meilenweit von existenzsichernden Einkommen und Löhnen entfernt – nicht nur in diesen beiden bekannten Kaffeeregionen, sondern weltweit. Und die Machtasymmetrie zwischen Konzernen wie Nestlé und ihren Rohstoffproduzent*innen wächst weiter. Mit der «Swiss Sustainable Coffee Platform» (SSCP) haben die Branche und das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) Anfang Juni die nächste unverbindliche Dialog-Plattform lanciert. Mit solcher «Multistakeholderei» hinkt die im globalen Kaffeehandel eine dominante Rolle spielende Schweiz den internationalen Entwicklungen massiv hinterher. Um die Missstände im Kaffeesektor wirksam anzugehen, braucht es politische Massnahmen, welche die Firmen zur Einhaltung von Menschenrechten – einschliesslich des Rechts auf existenzsichernde Löhne und Einkommen – sowie Umweltstandards verpflichten, so wie es die im Mai verabschiedete EU-Konzernverantwortungsrichtlinie vorsieht. 

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Oliver Classen, Mediensprecher, 044 277 79 06, oliver.classen@publiceye.ch 

Carla Hoinkes, Landwirtschaftsexpertin, 044 277 79 04, carla.hoinkes@publiceye.ch