Novartis widerruft ein von Public Eye beanstandetes Kymriah-Patent

Ein wichtiger Etappensieg für unser Gesundheitswesen: Wegen einer Einsprache von Public Eye und Ärzte der Welt verzichtet Novartis auf ein Patent für ihre hochpreisige Blutkrebstherapie Kymriah. Diese Kehrtwende bestätigt nicht nur die NGO-Kritik am kommerziellen Schutz für die «Erfindung» einer personalisierten Krebstherapie, deren Technologie nicht neu ist. Sie setzt auch ein grosses Fragezeichen hinter Novartis‘ übrige Kymriah-Patente und schwächt die Monopolposition des Basler Konzerns in künftigen Preisverhandlungen.

In einem Brief ihrer Anwälte vom 29. November bitten die Besitzer des beanstandeten Patents auf die Krebszelltherapie Kymriah um dessen Widerruf, weil sie nicht mehr hinter dem Originaltext stehen, auf dessen Grundlage es erteilt wurde. Novartis ist zwar nicht dessen offizieller Inhaber, erlangte aber die exklusiven Nutzungsrechte dieses Patents und steht deshalb hinter dieser Entscheidung. Die Aufhebung wurde inzwischen vom auch für die Schweiz zuständigen Europäischen Patentamt (EPA) in München bestätigt und folgt dem von Public Eye und Ärzte der Welt letzten Juli erhobenen Einspruch. Diese unerwartete Wendung kommt vor der offiziellen Behandlung der NGO-Beschwerde, bestätigt indirekt den missbräuchlichen Charakter des Patents und zeigt damit die Angst von Novartis vor einem gefährlichen Präzedenzfall. Wohl aus demselben Grund wurde bereits im September ein auf ähnlichen Ansprüchen basierender Antrag auf ein anderes Kymriah-Patent zurückgezogen.

Es ist das erste Mal, dass ein NGO-Einspruch zur Aufhebung eines europäischen Pharmapatents führt. Und deshalb ein besonders wichtiger Etappensieg im Kampf gegen den kommerziellen Missbrauch des Rechts auf geistiges Eigentum, der die finanzielle Nachhaltigkeit des Gesundheitssystems gefährdet, auch in der Schweiz. Patentmonopole ermöglichen eine unverantwortliche Preispolitik. Kymriah etwa kostet hierzulande aktuell CHF 370‘000 – pro Injektion. Da Kymriah durch andere Patente weiter geschützt bleibt, beendet diese Annullierung zwar nicht das Monopol dieser Behandlung. Sie schwächt aber die Position von Novartis bei Preisüberprüfungen des Bundesamts für Gesundheit (BAG). Das BAG muss künftig vernünftigere Preise fordern.

Dieser NGO-Erfolg dürfte auch der Initiative führender Schweizer Universitätsspitäler weiteren Auftrieb geben, die gemeinsam ähnliche, aber deutlich günstigere Krebstherapien entwickeln wollen. Zudem stellt diese Kehrtwende die Gültigkeit anderer Kymriah-Patente in Frage und ermutigt das EPA zur Anwendung strengerer Kriterien bei der Prüfung von Pharmapatenten.

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Was ist Kymriah?

Kymriah ist kein Medikament, sondern eine medizinische Dienstleistung, deren Entwicklung massiv auf Forschung und Finanzierung durch öffentliche Institutionen beruht. Diese neue personalisierte Therapie von Novartis ist für schwer behandelbare und/oder zurückkehrende Blutkrebsformen seit Oktober 2018 von Swissmedic zugelassen. Der erkrankten Person werden T-Lymphozyten (ein Typ der weissen Blutkörperchen) entnommen und genetisch so verändert, dass sie Krebszellen erkennen und attackieren können, und dann derselben Person zurück injiziert. Laut Fachleuten könnten in der Schweiz jährlich etwa 100 Personen von Kymriah profitieren. Solche Umprogrammierungen dürften künftig aber auch bei anderen Krebsarten wichtig werden und die Fallzahlen für die teure Therapie entsprechend rasant ansteigen.