Pionierstudie zeigt: Ein Viertel von Afrikas Öl fliesst über Schweizer Handelsfirmen

Zwischen 2011 und 2013 kauften in Genf oder Zug domizilierte Rohstoffhändler staatliches afrikanisches Rohöl im Wert von mindestens 55 Milliarden Dollar. Dies entspricht rund 12 Prozent der Gesamtbudgets aller 10 untersuchten Sub-Sahara-Staaten. Diese gigantischen Dimensionen enthüllt ein investigativer Report über die von Schweizer Handelsfirmen getätigten Öl-Deals mit Regierungen der afrikanischen Hauptexportländer. Der Bericht belegt die Notwendigkeit staatlicher Regeln für Zahlungstransparenz in diesem korruptionsanfälligen Geschäft – speziell für den so dominanten Rohstoffhandelsplatz Schweiz.

Der von SWISSAID, EvB und ihrer US-Partnerorganisation Natural Resource Governance Institute recherchierte und heute publizierte Bericht „Big Spenders: Swiss Trading Companies, African Oil, and the Risks of Opacity“* dokumentiert die hegemoniale Marktmacht der Schweizer Rohstoffhändler in Sub-Sahara-Afrika. Beim undurchsichtigen Rohölverkauf durch Regierungen und staatliche Ölgesellschaften der zehn wichtigsten Exportländer verfügten sie von 2011 bis 2013 über einen Anteil von rund 25 Prozent. Zusammen haben diese Staaten in diesem Zeitraum 2,3 Milliarden Barrel Öl verkauft und dafür über 250 Milliarden Dollar eingenommen. Das entspricht 56 Prozent ihrer gesamten Staatseinnahmen.

In Äquatorial-Guinea, Gabun, Kamerun, Nigeria und Tschad waren Handelsfirmen aus Genf oder Zug die grössten Abnehmer von staatlichem Öl. Der Regierung Äquatorial-Guineas haben Trafigura, Glencore, Vitol und Arcadia 2012 zusammen 2,2 Milliarden Dollar für Rohöl bezahlt und damit 36 Prozent aller Staatseinnahmen bestritten. Die von Schweizer Rohstoffhändlern an die Regierungen der zehn Länder bezahlte Summe ist doppelt so hoch wie deren gesamte Entwicklungshilfe. Trotz der existentiellen Bedeutung und notorischen Intransparenz dieser Geschäfte gibt es bis heute keine staatliche Aufsicht und gesetzliche Regulation, die Licht in diese Transaktionen bringt.

Wirksamstes Mittel dafür ist die Offenlegung der Zahlungsströme. Für die Opfer des Rohstoff-Fluchs in Entwicklungsländern ist sie die Voraussetzung, um ihre Regierungen für das (Miss)Management der wichtigsten Einnahmenquelle des Landes zur Verantwortung zu ziehen. Zur Erreichung dieses Ziels müssen ölproduzierende Länder und deren staatliche Ölgesellschaften Regeln und Prozesse einführen, die bei Käuferwahl und Preispolitik für grösstmögliche Integrität sorgen. Parallel dazu muss die Schweiz ihre Verantwortung als weltgrösster Rohstoffplatz wahrnehmen und explizit auch ihre Handelsfirmen gesetzlich zur Offenlegung aller Zahlungen an Regierungen und staatliche Firmen verpflichten. Vor Monatsfrist gab der Bundesrat bekannt, den Rohstoffhandel vorläufig nicht in die Ausarbeitung einer entsprechenden Vorlage einzubeziehen. Bliebe es dabei, würden die in dieser Studie aufgedeckten Zahlungen weiter geheim bleiben.

Mehr Informationen hier oder bei
Oliver Classen, EvB-Mediensprecher, 044 277 70 06, oliver.classen@evb.ch
Lorenz Kummer, Studien-Co-Autor von SWISSAID, 079 307 25 92, l.kummer@swissaid.ch


*Ansatz und Umfang der „Big Spender“-Studie
Der Report basiert auf erstmals aus diversen Quellen zusammengetragenen Informationen über mehr als 1500 Ölverkäufe durch Regierungen oder staatliche Ölgesellschaften in Sub-Sahara-Afrika. Dabei wechselten rund zwei Milliarden Barrel Rohöl mit einem Marktwert von mehr als 220 Milliarden Dollar den Besitzer. Aufgrund der  bei Rohstoff-Deals zwischen Staaten und Handelsfirmen üblichen Intransparenz sind die im Bericht versammelten Zahlen unvollständig und lückenhaft. Für die zehn untersuchten Länder zeigen sie dennoch die Grössenordnung der Ölverkäufe. Dabei handelt es sich um Angola, Äquatorial-Guinea, Elfenbeinküste, Gabun, Ghana, Kamerun, Kongo-Brazzaville, Nigeria, Südsudan und den Tschad. Ausserhalb von Sub-Shara-Afrika wurden auch Aserbeidschan, Libyen et der Jemen kurz analysiert.