Sanktionsumsetzung der Gastgeberin bleibt mangelhaft

Mit der prestigeträchtigen Bürgenstock-Konferenz will die Schweiz einen Beitrag zum Frieden in der Ukraine leisten. Dieser begrüssenswerte diplomatische Effort kontrastiert stark mit den hierzulande bislang nur lückenhaft durchgesetzten Sanktionen gegen Russland. Dabei ist die Schweiz der dominante Handelsplatz für russische Rohstoffe und hätte dort ihren wirkungsvollsten politischen Hebel. Ein effektives Engagement der Schweiz für Frieden in der Ukraine bedingt daher eine konsequente Durchsetzung der Sanktionen, ansonsten bleiben ihre «guten Dienste» wenig wirksam.

Die Frage der globalen Ernährungssicherheit und der Schifffahrt im Schwarzen Meer steht ganz oben auf der Agenda der Bürgenstock-Konferenz. Als weltgrösste Drehscheibe für den Handel mit Getreide kommt der Schweiz diesbezüglich eine besondere Verantwortung zu. Ihr Engagement für Frieden und Ernährungssicherheit steht aber nicht im Widerspruch zu einer konsequenten Sanktionspolitik und darf diese nicht ersetzen. Im Gegenteil: Die Sanktionen sollen die Finanzierung der russischen Kriegsmaschinerie gezielt schwächen. Umso wichtiger ist deren vollständige Umsetzung wie auch die Ausweitung der Bestimmungen, so etwa auf den Handel mit Rohstoffen aus den besetzten Gebieten der Ukraine.

Denn in diesen Regionen kommt es seit Beginn des russischen Angriffskriegs zu systematischen Getreideplünderungen durch die russischen Besatzer, was einen Verstoss gegen das humanitäre Völkerrecht darstellt. Diese geplünderten Rohstoffe landen als russische Ware getarnt auf dem Weltmarkt. Ein beachtlicher Teil des Getreidegeschäfts aus der Schwarzmeerregion wird von Schweizer Agrarhändlern abgewickelt. Gemäss Recherchen von Public Eye bleiben diese jedoch den Beweis schuldig, über eine angemessene Sorgfaltsprüfung in diesem Hochrisikogeschäft zu verfügen. Die hiesigen Sanktionsbestimmungen bieten auch keine Handhabe gegen den Handel mit geplündertem Getreide, denn sie verbieten nur den Import von Gütern aus den besetzen Gebieten, nicht jedoch den Transithandel damit. Die Schweiz schiebt ihre Untätigkeit diesbezüglich auf die fehlenden Bestimmungen in der EU, anstatt ihr Gewicht als weltgrösste Drehscheibe für Getreidehandel in die Waagschale zu werfen.

Ein grosses Fragezeichen besteht bezüglich der Umsetzung der Sanktionsbestimmungen im Schweizer Kohlehandel. Das Geschäft mit russischer Kohle ist zwar in der EU wie auch der Schweiz verboten, dennoch bestehen jene Firmen weiter, die hierzulande vor Kriegsbeginn 75% aller russischen Kohleexporte abwickelten – einfach unter neuen Namen. Weder Bundesrat noch die Verwaltung scheinen zu wissen, ob sich diese Unternehmen an die Sanktionen halten. Der Umzug des Handelsgeschäfts mit russischem Erdöl nach Dubai zeigte zudem, dass Tochtergesellschaften von Schweizer Unternehmen weiterhin involviert waren und damit mutmasslich gegen die Sanktionsbestimmungen verstossen haben. In beiden Bereichen müssen Transparenz geschaffen und Verstösse geahndet werden. 

Zugleich waren der Schweizer Finanzplatz und seine Offshore-Dienstleister jahrzehntelang äusserst attraktiv für russische Oligarchen. Bei der Suche nach Vermögenswerten von sanktionierten Personen stocherten die Behörden in einem Nebel der Intransparenz. Den Beitritt zur internationalen Task Force REPO hat die Schweiz abgelehnt. Wenn die Schweiz als Friedensstifterin glaubwürdig sein will, muss sie ihre Risikosektoren entsprechend regulieren. Neben der konsequenten Umsetzung der Sanktionen und griffiger Massnahmen gegen den Handel mit geplündertem Getreide umfasst dies ein griffiges Dispositiv zur Geldwäschereibekämpfung sowie eine Aufsichtsbehörde für den Rohstoffsektor.

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