Steuerabkommen mit Indien: Eine stumpfe Waffe gegen Fluchtgelder
30. August 2010
Als zweites Schwellenland nach Mexiko hat Indien ein neues Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit der Schweiz unterzeichnet. Der Vertrag entspricht dem OECD-Musterabkommen. Das heisst, er sieht den Austausch von Bankinformationen nicht nur bei Steuerbetrug, sondern auch bei einfacher Steuerhinterziehung vor. Mark Herkenrath, Finanzexperte bei Alliance Sud, begrüsst diesen Schritt, kritisiert aber zugleich die Diskriminierung ärmerer Entwicklungsländer. „Offenbar ist die Schweiz nur bereit, gegenüber ökonomisch starken Ländern Zugeständnisse bei der Amtshilfe zu machen. Ärmeren Entwicklungsländern hingegen verweigert sie dies weiterhin, wie die DBA mit Georgien und Tadschikistan zeigen.“
Ein DBA mit Artikel 26 ist zwar ein Fortschritt, doch im Kampf gegen die internationale Steuerflucht ist die erweiterte Amtshilfe eine ausgesprochen stumpfe Waffe. Denn sie setzt voraus, dass die ausländischen Steuerbehörden eine klare Vorstellung davon haben, nach welchen Daten gesucht werden muss. So müssen auch gemäss dem neuen DBA mit Indien in Informationsgesuchen die Namen von Verdächtigen und die Namen Bank oder des Vermögensverwalters in der Schweiz genannt werden. Sind diese Anforderungen schon für Industrieländer hinderlich, so überfordern sie die noch schwachen Steuerverwaltungen vieler Entwicklungsländer völlig.
Zudem versucht die Schweiz bei DBA immer Zugeständnisse zu erhalten, welche ein Entwicklungsland schnell einmal mehr kosten, als der „Informationsaustausch auf Anfrage“ im besten Fall bringen kann. Im DBA mit Indien wurde vereinbart, dass bei Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren und Vergütungen für technische Dienstleistung für die Schweiz automatisch die niedrigsten Steuersätze gelten, die Indien mit irgendeinem OECD-Land verhandelt.
„Auch neue DBA bringen den Entwicklungsländern zu wenig. Der automatische Informationsaustausch ist das einzige System, das garantiert, dass auch im Ausland angelegte Vermögen nach den Regeln und Steuersätzen des Herkunftslandes besteuert werden können“, sagt Andreas Missbach, Finanzexperte der EvB. Den automatischen Informationsaustausch fordern nicht nur Nichtregierungsorganisationen, sondern auch eine UNO-Expertengruppe zur Finanzkrise unter Leitung des Wirtschaftsnobelpreisträgers Joseph Stiglitz.