«The Public Eye Awards 2005» gehen an ...
26. Januar 2005
Der Kabarettist und Schauspieler Patrick Frey moderierte die erstmalige Verleihung der „Public Eye Awards“. Über 20 schweizerische und ausländische Konzerne waren im Vorfeld von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aus allen fünf Kontinenten für die Awards nominiert worden. Aus allen Nominierungen hat die internationale Trägerschaft des „Public Eye“ vier Preisträger bestimmt. Sie stehen exemplarisch für all jene Konzerne, die durch ihr sozial und ökologisch unverantwortliches Verhalten besonders aufgefallen sind und machen die Schattenseiten der wirtschaftlichen Globalisierung deutlich.
Der „Public Eye Award“ in der Kategorie Menschenrechte geht an den US-Chemiekonzern The Dow Chemical Company. Dieser von Greenpeace Schweiz und der International Campaign for Justice in Bhopal nominierte Konzern weigert sich, Verantwortung zu übernehmen für die Folgen der weltweit schwersten Chemiekatastrophe im indischen Bhopal, die bislang über 20'000 Todesopfer gefordert hat.
Gewinner in der Kategorie Umwelt ist die Royal Dutch/Shell Group. Der Konzern hat sein Versprechen, die für Mensch und Umwelt schädliche offene Gasverbrennung in Nigeria zu stoppen, bis heute nicht eingelöst. Zudem hat er die zahlreichen Ölverschmutzungen, die er im Nigerdelta seit 1956 verursacht hat, nie fachgerecht saniert. Shell wurde von Friends of the Earth Nigeria and Friends of the Earth England, Wales and Northern Ireland nominiert.
Preisträger in der Kategorie Arbeitsrechte ist der US-Detailhandelsriese Wal-Mart Stores, Inc., der von der Clean Clothes Campaign nominiert wurde. Wal-Mart duldet in afrikanischen und asiatischen Kleider-Zulieferbetrieben prekäre Arbeitsbedingungen wie massive obligatorische Überstunden und Löhne unter dem Existenzminimum.
In der Kategorie Steuern heisst der Gewinner KPMG International. Die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgruppe mit Hauptsitz in Amsterdam ist sehr aktiv in der Entwicklung von Steuersparmodellen und ermuntert ihre Kunden zu aggressiven Steuervermeidungspraktiken. KPMG International wurde vom Tax Justice Network nominiert.
Menschen aus aller Welt nutzten die Möglichkeit, auf der „Public Eye“-Website den für sie gravierendsten Fall von ungenügender Unternehmungsverantwortung auszuwählen. Klarer Sieger und damit Träger des Publikumspreises ist Nestlé. Der Schweizer Lebensmittelkonzern steht wegen Arbeitskonflikten in Kolumbien und wegen der aggressiven Vermarktung von Babynahrung in der Kritik. Dadurch werden Frauen vom gesünderen Stillen abgehalten – mit schwerwiegenden Folgen für Babys vor allem in ärmeren Ländern. Nestlé wurde von der Kampagne für Menschenrechte (Gewerkschaft Bau und Industrie, ATTAC, Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien, Grua Suiza), von der Baby Milk Action/Nestlé Boycott Committee und der Erklärung von Bern nominiert.
In ihrer Eröffnungsrede sagte die britische Ökonomin Noreena Hertz: “Die Grundrechte auf elementare Gesundheits- und Sicherheitsstandards am Arbeitsplatz und auf existenzsichernde Löhne müssen weltweit respektiert werden. Multinationale Unternehmen sollen diese Rechte nicht beschneiden dürfen, unabhängig davon, wo sie tätig sind.“ Deshalb seien laut Hertz rechtliche Reformen nötig, um sicherzustellen, dass Mutterunternehmen für die Aktivitäten ihrer Tochtergesellschaften zur Verantwortung gezogen werden können.
Mit der „Public Eye“-Veranstaltung, welche bereits zum sechsten Mal stattfindet, schaffen die Erklärung von Bern und Pro Natura eine Gegenöffentlichkeit zum WEF. Die beiden Organisationen sind überzeugt, dass es eine öffentliche Diskussion und Druck braucht, um Konzerne zu verantwortlichem Handeln zu bewegen. Als Nutzniesser der wirtschaftlichen Globalisierung sind sie aufgerufen, Verantwortung zu übernehmen und nachhaltige Geschäftsstrategien einzuführen, statt harte Entscheide zulasten von Mensch und Umwelt durchzusetzen. Das WEF-Motto 2005 („Taking responsibility for tough choices“) darf nur gesellschaftsverträglich umgesetzt werden. Pro Natura und die Erklärung von Bern fordern rechtlich verbindliche internationale Regeln zur Unternehmensverantwortung. Der Global Compact der UNO und andere freiwillige Initiativen sind ungenügend, da sie keine Umsetzungsvorschriften, Überprüfungs- und Sanktionsmechanismen enthalten.