Wie Holcim in Serbien ungestraft die Luft verpestet
Zürich, Lausanne, 2. Juli 2021
Seit fast 20 Jahren betreibt der weltgrösste Baustoffproduzent mit neuem Hauptsitz im Steuerparadies Zug eine der grössten Dreckschleudern im von massiven Umweltproblemen geplagten Serbien. Seit 2018 werden in den Brennöfen des Zementwerks von Beočin neben dem gesamten Haushaltsmüll der Gemeinde auch medizinischer Abfall, Autoreifen und jede Menge Plastik entsorgt. Eine Ende 2019 vom regionalen Umweltinspektorat durchgeführte Prüfung der Luftemissionen ergab für gefährliche Stoffe wie Schwefeldioxid oder Ammoniak eine bis zu 200prozentige Überschreitung der gesetzlichen Grenzwerte. Die Folgen für die Bevölkerung des nordserbischen Industriestädtchens sind verheerend. «Wir können hier kaum mehr atmen», klagen Anwohner*innen der Fabrik, die aus Angst vor Repressionen anonym bleiben wollen. Lokale Gesundheitsdaten gibt es keine, doch die Friedhofsbehörde verzeichnet für Beočin eine im nationalen Vergleich erhöhte Krebssterblichkeit.
Der Public Eye vorliegende Report der Umweltbehörde ging direkt an die zuständige Staatsanwaltschaft. Auf die Eröffnung eines Verfahrens oder andere staatliche Sanktionen warten die Menschen in Beočin aber bis heute vergebens. Deren Leidensgeschichte und die Gründe für Holcims Straflosigkeit beleuchtet der brisante Bericht des serbischen Journalisten Milorad Ivanovič, dem Gewinner unseres Investigation Award 2020. Seine Reportage belegt auch, dass selbst europäische Staaten häufig nicht willens oder fähig sind, ihre Bevölkerung vor schädlichen Auswirkungen der Geschäftstätigkeit ausländischer Unternehmen zu schützen. Der Schweiz kommt daher eine politische und rechtliche Verantwortung zu. Gemäss dem Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative (KVI) fällt Zement aber nicht unter die neue und völlig zahnlose Sorgfaltsprüfungspflicht. Weshalb Holcim auch nicht betroffen wäre von der noch weiter verwässerten Verordnung, die aktuell in der Vernehmlassung ist.
Dass Gegenvorschlag und Verordnung nicht nur blind gegenüber den Problemen vor Ort sind, sondern sogar weit hinter unternehmensinterne Initiativen zurückfallen, zeigt die jüngste Absichtserklärung von Holcim-CEO Jan Jenisch. Seine vollmundige Selbstverpflichtung zur Sorgfaltsprüfung, wie sie die KVI ursprünglich vorsah, identifiziert nicht nur Gesundheit und Sicherheit als die grössten Menschenrechtsrisiken des Zementkonzerns, sondern lanciert auch einen umfassenden Massnahmenkatalog zu deren systematischer Minimierung. Der erste Glaubwürdigkeitstest von Holcims neuer «Human Rights Directive» ist der Schutz der Bevölkerung von Beočin durch die sofortige Entgiftung der dortigen Emissionen.
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