Zucker in Babynahrung: SECO soll UWG-Klage gegen Nestlé erheben

Eine Recherche von Public Eye und IBFAN deckte kürzlich Doppelstandards bei zwei der meistverkauften Babynahrungsmarken von Nestlé auf und hat eine internationale Empörungswelle ausgelöst. Beworben werden Cerelac und Nido in Ländern mit tiefem oder mittlerem Einkommen als gesund und «wichtig für die Entwicklung von Kindern», dabei enthalten sie viel zugesetzten Zucker, was die WHO-Richtlinien explizit verbieten. In der Schweiz verkauft der Konzern solche Produkte ohne Zuckerzusatz. Zusammen mit IBFAN fordert Public Eye deshalb vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), mit einer Bundesklage die Einstellung dieser nicht nur unethischen, sondern auch unlauteren Geschäftspraxis zu erwirken – zum Schutz der Kinder, aber auch der Reputation von Nestlés Sitzstaat.

Die Enthüllungen von Public Eye und dem International Baby Food Action Network (IBFAN) haben medial hohe Wellen geschlagen und Behörden unter anderem in Indien, Nigeria oder Bangladesch zu Folgeuntersuchungen veranlasst. Der Report hatte den Zuckergehalt von Nido (Folgemilch) und Cerelac (Getreidebrei) in Schlüsselmärkten in Afrika, Asien und Lateinamerika untersucht und aufgedeckt, dass Nido-Produkte dort – im Gegensatz zur Schweiz und Nestlés europäischen Schlüsselmärkten – im Durchschnitt fast 2 Gramm und Cerelac-Produkte sogar knapp 4 Gramm zugesetzten Zucker pro Portion enthalten. Zucker im Kleinkindalter legt den Grundstein für viele Folgeerkrankungen wie Diabetes oder Herzkreislauferkrankungen, weshalb die WHO-Richtlinien den süssen Zusatz ausdrücklich untersagen.

Nestlé bewirbt Nido und Cerelac in einkommensärmeren Ländern trotzdem als gesund für Babys und speziell für deren Bedürfnisse entwickelt, unter anderem durch den Einsatz von Gesundheitsfachleuten und Influencer*innen. Hinzu kommt, dass Nestlé die Menge des Zuckerzusatzes in den meisten Ländern nicht offenlegt. Der Internationale Kodex für die Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten verbietet jedoch jegliche Werbung für Folgemilch sowie für Säuglingsnahrung mit «einem hohen Zuckergehalt».

Mit der in Art. 10 Abs. 3 des UWG verankerten Klageberechtigung des Bundes hat die Schweiz ein Rechtsinstrument, um unlauteres Wettbewerbsverhalten von Schweizer Unternehmen mit negativen Auswirkungen im Ausland zu unterbinden, wenn dies «zum Schutz des öffentlichen Interesses» erforderlich ist. Der Bund ist gemäss UWG insbesondere dann klageberechtigt, wenn «das Ansehen der Schweiz im Ausland bedroht oder verletzt ist». Durch sein irreführendes und aggressives Marketing und seinen Zucker-Doppelstandard verletzt Nestlé das Wettbewerbsrecht. Das unlautere Verhalten des Konzerns betrifft Hunderttausende von Personen in einkommensärmeren Ländern.

Als Sitzstaat des weltgrössten Nahrungsmittelkonzerns hat die Schweiz eine besondere Verantwortung, die Zucker-Doppelstandards von Nestlé zu untersuchen und gegebenenfalls zu unterbinden. Public Eye und IBFAN haben deshalb heute beim SECO eine umfassend begründete Aufforderung zur Klageerhebung auf Einstellung der aufgezeigten Geschäftspraktiken eingereicht.

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Oliver Classen, Mediensprecher, 044 277 79 06, oliver.classen@publiceye.ch