Zwangsarbeit 2.0: „Unberührbare” indische Mädchen schuften auch für Charles Veillon
23. Mai 2011
„Sumangali“ beschreibt in Tamil eine verheiratete Frau, die ein glückliches Leben in materiellem Wohlstand führt. Das Sumangali-Programm, unter dem heute schätzungsweise 120’000 Arbeiterinnen beschäftigt sind, wurde vor zehn Jahren von Textilfabriken in den Bezirken Coimbatore und Tirupur eingeführt. Es verspricht den Mädchen einen guten Lohn, angenehme Unterkunft sowie eine einmalige, grosse Geldsumme nach dreijähriger Anstellung. Diese soll es auch Mädchen aus armen Familien erlauben, ihre Mitgift zu bezahlen und zu heiraten. Die Realität in den Fabriken sieht freilich anders aus: ein Entgelt weit unter dem gesetzliche Mindestlohn, exzessive Überstunden, unbezahlte Überstunden- zuschläge, eingeschränkte Bewegungsfreiheit, mangelnde Sicherheit am Arbeitspatz. Diese Beding- ungen verstossen klar gegen das Übereinkommen 182 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zur Beseitigung der schlimmsten Formen von Kinderarbeit.
Die versprochene Einmalzahlung ist zudem kein Bonus, sondern Teil des Lohns der zurückbehalten wird. In mehreren dokumentierten Fällen haben die Mädchen diese angesparte Lohnsumme nicht erhalten. Die meisten jungen Arbeiterinnen wohnen auf dem Fabrikgelände und werden dort vom internen Sicherheitsdienst überwacht, so dass sie kaum eine Chance haben, Gewerkschaften oder Menschenrechtsgruppen zu kontaktieren. Auch die Eltern dürfen ihre Töchter nur einmal monatlich für eine Stunde besuchen. Der Report vom Centre for Research on Multinational Corporation (SOMO) und dem India Committee of the Netherlands (ICN) durchleuchten vier grosse indische Textilfirmen, die für Weltmarken wie C&A, Diesel, Tommy Hilfiger und Zara produzieren. Auf der Kundenliste stehen aber auch die beiden Schweizer Abnehmer Charles Veillon und Migros. Einige Unternehmen, darunter C&A, Tesco und Migros, haben aufgrund der Vorwürfe erste Massnahmen eingeleitet. Andere Firmen, darunter Charles Veillon, haben gar nicht reagiert.
Die Erklärung von Bern und die Schweizer Clean Clothes Campaign (CCC) fordern deshalb von allen Kleiderfirmen mit Produktion in Indien eine unverzügliche Untersuchung der Anstellungsbedingungen in ihren Zulieferketten und konkrete, rasche Massnahmen, um das Sumangali-Programm zu beenden
Die Clean Clothes Campaign (CCC) setzt sich für Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in der globalen Bekleidungsindustrie ein. Sie unterhält nationale Kampagnen in 15 europäischen Ländern und ein Netzwerk von 250 Organisationen weltweit. In der Schweiz wird die CCC-Arbeit von der Erklärung von Bern koordiniert und von 19 nationalen NGO mitgetragen.