«Access to Remedy» und kollektiver Rechtsschutz: Die Schweiz hat Verbesserungs­potential

Während in der EU der kollektive Rechtsschutz gestärkt wurde, ist der Zugang zur Justiz und zur Wiedergutmachung in der Schweiz durch hohe Kosten, einen schwierigen Zugang zu Beweisen und unzureichende kollektive Rechtsschutzinstrumente erschwert. Ein neues Rechtsgutachten schlägt neun Massnahmen zur Verbesserung vor.

Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sehen neben der Pflicht von Unternehmen, Menschenrechte zu respektieren, ein Recht auf Wiedergutmachung vor: Wer eine Menschenrechtsverletzung durch ein Unternehmen erleidet, muss Zugang zu wirksamen Wiedergutmachungsmechanismen haben, insbesondere zum Gericht. Dieses Recht auf Zugang zur Justiz wird auch immer wichtiger für Opfer von Umweltschäden und den Folgen des Klimawandels. 

Dafür müssen praktische und verfahrensrechtliche Hindernisse abgebaut werden, u.a. hohe Verfahrenskosten, Schwierigkeiten beim Zugang zu Beweismitteln sowie fehlende kollektive Rechtsschutzmittel, welche die gerichtliche Erledigung von Ansprüchen vieler gleichartig geschädigter Personen in einem Verfahren ermöglichen würden. 

In letzter Zeit haben mehrere europäische Länder ihre Gesetzgebung in diesem Bereich weiterentwickelt und ihre kollektive Rechtsschutzinstrumente ausgebaut. Die EU-Mitgliedstaaten haben sich zudem auf eine EU-weite Verbandsklagemöglichkeit im Bereich des Konsumentenschutzes geeinigt. Ende Mai 2024 wurde auch die EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (CSDDD, EU-Lieferkettenrichtlinie) verabschiedet, welche den Zugang zum Gericht in Menschenrechts- und Umweltverfahren gegen grosse Unternehmen verbessern soll.  

Wo die Schweiz nachbessern muss 

In der Schweiz ist das Recht auf Zugang zur Wiedergutmachung, insbesondere bei Kollektivschäden, erschwert. Die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche vor Gericht ist teuer und oft aufwändig. Kollektive Rechtsschutzinstrumente, welche den Zugang zur Justiz für Betroffene erleichtern könnten, spielen im Schweizer Recht zudem kaum eine Rolle. Die Revision der Zivilprozessordnung (ZPO) hat zwar punktuelle Verbesserungen bei den Prozesskosten gebracht; über eine Erweiterung der allgemeinen Verbandsklage in der ZPO wird im Schweizer Parlament jedoch seit 2013 erfolglos diskutiert.  

Ein neues Gutachten von Prof. Dr. Nicolas Bueno identifiziert und erklärt aktuelle praktische Hindernisse, insbesondere im Falle von Menschenrechts-, Umwelt- sowie Klimaklagen, und bietet 9 Verbesserungsvorschläge für einen effektiveren und ausbalancierteren Zugang zum Gericht und zur Wiedergutmachung in der Schweiz in Bezug auf kollektive Rechtsschutzinstrumente, Prozesskosten und Beweise. 

Es ist an der Zeit, dass die Schweiz den internationalen Vorgaben nachkommt und konkrete Massnahmen ergreift, um den Zugang zur Justiz für Opfer von Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden zu verbessern.