Auch MIGROS reagiert
10. September 2010
Mailreaktion der MIGROS auf die Protest-Botschaften Konsumierender, 13.9.2010
Sehr geehrte Kundin, sehr geehrter Kunde
Danke für Ihr Schreiben. Wir begrüssen Ihr Engagement für die Verbesserung der weltweiten Arbeitsbedingungen und die Einführung von existenzsichernden Löhnen. Uns sind soziale Arbeitsbedingungen ebenfalls sehr wichtig.
Ihren Vorwurf, dass wir nicht genug unternehmen, halten wir jedoch für ungerechtfertigt. Die Migros setzt sich seit 13 Jahren für die Durchsetzung von Sozialstandards bei ihren Lieferanten ein. Weil ein Unternehmen allein in dieser Frage wenig erreichen kann, haben wir 2003 die Business Social Compliance Initiative (BSCI) mitbegründet. In diesem Rahmen setzen wir uns gemeinsam mit über 500 weiteren Handelsunternehmen für faire Arbeitsbedingungen weltweit ein. Der BSCI-Verhaltenskodex definiert, was ein Unternehmen tun muss, um sozialverträgliche Arbeitsbedingungen zu garantieren. Die Lieferanten verpflichten sich, die regional geregelten Mindestlöhne oder die industrieüblichen Löhne zu bezahlen, die Arbeitszeit und die Überstunden korrekt zu regeln, die Kompensation oder Bezahlung von Überstunden zu garantieren sowie die Sozialleistungen einzuhalten.
Über Kontrollen durch unabhängige Unternehmen wird überprüft, ob die Lieferanten sich an die Abmachung halten. Kinder- und Zwangsarbeit werden in keinem Fall toleriert. Ende 2009 haben bereits über 90 Prozent aller Food- und Non-Food-Lieferanten der Migros den Verhaltenskodex unterzeichnet und sich damit verpflichtet, die strengen Regeln auch einzuhalten. Rund 1500 Geschäftspartner der Migros und deren Produzenten haben sich bislang einer Selbsteinschätzung unterzogen, weitere 800 Lieferanten wurden durch eine externe Organisation überprüft.
Die Lieferanten werden auch ermutigt, existenzsichernde Löhne zu bezahlen. Diesen Punkt können wir aber nicht verlangen und kontrollieren wie die anderen Vorgaben, denn es gibt keine allgemein gültige Definition eines existenzsichernden Lohnes. Wir verfolgen die Bestrebungen der NGO und der internationalen Organisationen mit Interesse – und falls sich ein Modell zur Berechnung durchsetzt, werden wir die Thematik auf jeden Fall innerhalb der BSCI besprechen.
Weil die Abnehmer allein langfristig keine substanziellen Verbesserungen in einem Produktionsland erreichen können, engagiert sich die BSCI stark für die Sensibilisierung vor Ort. So bietet sie kontinuierlich Schulungen für Produzenten an. Ausserdem organisiert die BSCI runde Tische in Asien, Europa, Afrika und Südamerika. Daran nehmen Lieferanten, Behörden, NGO und Arbeitervertreter teil.
Die Idee, 10 Rappen mehr für ein Kleidungsstück zu bezahlen und so für bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen, ist bestechend. Dieser Fairtrade-Ansatz ist aber im globalen Markt nicht umsetzbar, weil alle Geldflüsse, Leistungen und Margen transparent gemacht werden müssten. Nur so könnte gewährleistet werden, dass der Mehrpreis wirklich den Arbeitern und Arbeiterinnen zu Gute kommt. Die Migros engagiert sich für den fairen Handel und bietet Max-Havelaar zertifizierte Textilien aus Bio-Baumwolle an, bei denen der Kunde einen Mehrpreis bezahlt, der in Form einer Fairtrade-Prämie dem Produzenten rückvergütet wird.
Wir hoffen, dass wir Ihnen unseren Lösungsansatz für dieses wichtige Thema mit diesen Informationen etwas näher bringen konnten. Bei Fragen zögern Sie bitte nicht, uns zu kontaktieren. Wir sind gerne für Sie da!
Freundliche Grüsse
Ihre M-Infoline
Migros-Genossenschafts-Bund
Direktion Wirtschaftspolitik
M-Infoline
Dazu nimmt die Erklärung von Bern/ Clean Clothes Campaign am 13.9.2010 folgendermassen Stellung:
Wie auch andere Schweizer BSCI-Mitglieder verweist die Migros auf den BSCI-Verhaltenskodex, der die Bezahlung von gesetzlichen Mindestlöhnen, respektive industrieübliche Löhnen vorscheibt und zur Mehrzahlung ermuntert. Die Erfahrung der CCC zeigt aber klar: Bei Lohnzahlungen braucht es verbindliche Verpflichtungen, freiwillige Mehrzahlungen werden nicht geleistet.
Schade, dass die Migros nach wie vor behauptet, es gebe keine allgemein gültige Definition eines Existenzlohns. Mit der Asia Floor Wage Campaign haben sich immer rund 70 NGOs, Gewerkschaften und WissenschaftlerInnen aus ganz Asien auf eine gemeinsame Berechnungsmethode und eine gemeinsame Lohnhöhe geeinigt – damit wird die Asia Floor Wage Campaign so konkret, wie nie eine Initiative zuvor. Wenn es der Migros ernst wäre, könnte sie jetzt vorwärts machen und darauf aufbauen.
Dass Migros mit Max Havelaar zusammen arbeitet ist ein guter Ansatz, allerdings macht der Fairtrade-Baumwollanteil bei der Migros gemessen am Umsatz nur einen marginalen Anteil aus. Zudem sind gemäss Vorgaben von Max Havelaar nicht die Textilien als Ganzes zertifiziert, sondern die Baumwolle, die für die Textilien verwendet wurde. Das heisst konkret, dass sich dieses Fairtrade-Engagement der Migros vor allem positiv auf die Kleinbauern, die die Baumwolle anbauen, auswirkt. Ein Existenzlohn in den Fabriken ist auch für Textilien, die aus fair gehandelter Baumwolle hergestellt wurden, nicht (immer) gewährleistet.
Mehr Transparenz ist in der Tat ein erster wichtiger Schritt, und wir sind nicht mit der Migros einverstanden, dass das generell nicht möglich ist. Löhne sind unter anderem derart ins bodenlose gefallen, weil sie – nebst z.B. Margen – zur Verhandlungssache wurde. Es geht also darum, diese Verhandlung um tiefe Löhne zu stoppen und Löhne als separate fixe Bestandteile in Kaufverträgen zu führen. Denn nur so gelingt es, dass der Preiskampf nach unten nicht mehr auf den Schultern der Näherinnen ausgetragen wird. Im Wissen, dass der Lohnkostenanteil im Schnitt gerade mal 0.5-3% des Endverkaufspreises ausmacht, dürfte es nicht schwer fallen, diese minimalen Löhne zuzusichern.