Die Zellstoffholding «Asia Pulp and Paper» und die Credit Suisse
3. Juni 2002
Asia Pulp and Paper Company Ltd. (APP) galt als kleines indonesisches Wunder. Selbst als die indonesische Wirtschaft 1997/98 im Chaos versank, blieb der weltweit viertgrösste Hersteller von Zellstoff und Papier davon relativ unberührt. Führende Banken, Investorengruppen und staatliche Exportrisiko-Versicherungen standen bereitwillig Schlange, um die rasante Expansion von APP zu finanzieren. Nur drei Jahre später machte das Unternehmen andere Schlagzeilen. APP sitzt nicht nur auf einem Schuldenberg von 13 Milliarden Dollar sondern ihre Fabriken sind verantwortlich für die Zerstörung eines der artenreichtsten Regenwälder der Welt und die Vertreibung von Menschen.
Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) wie die Erklärung von Bern betonen die Mitverantwortung der Banken für das Malaise, ohne deren Finanzierung wäre das Ausmass der Zerstörung nicht möglich gewesen. Über 300 indonesische und internationale Banken unterstützten während der letzten zehn Jahre APP und ihre Tochtergesellschaften bei der Ausgabe von Aktien oder Anleihen, zeichneten selbst Anleihen oder gewährten Kredite. Keiner der Banken ist dabei aufgefallen, dass dem holzverabeitenden Konzern APP eine nachhaltige Holzversorgung fehlt. Die Credit Suisse nimmt unter den Banken, die mit APP Geschäfte machten, eine Sonderstellung ein. Einerseits ist ihre Investmentbankabteilung Credit Suisse First Boston (CSFB) mit mindestens einer Viertel Milliarde Dollar der grösste bekannte Anleihensgläubiger von APP, andererseits übernahm CSFB ein Beratungsmandat für den überschuldeten Konzern.
Koloss ohne Fundament
APP gehört zur indonesischen Sinar Mas Gruppe, ein riesiges Firmenkonglomerat, das vom Patriarchen Eka Tjipta Widjaja und seiner Familie kontrolliert wird. Unter dem Namen APP wurden 1994 alle Produktionsstätten von Sinar Mas in der Zellstoff- und Papierindustrie zusammengefasst. Die Aktivitäten von APP erstrecken sich über die gesamte Produktionskette von Papier. APP besitzt Fabriken für das Zwischenprodukt Zellstoff- und das Endprodukt Papier in Indonesien, China und Indien, Fabriken für Verpackungsmaterialien in Indonesien, China, Singapur, den USA, Indien und Mexiko, dazu Marketingbüros auf allen Kontinenten.
Ein wichtiger Schritt gelang APP 1995, als das Unternehmen an die New Yorker Börse gebracht wurde. Auch nach Ausbruch der Asienkrise konnte sich APP auf den internationalen Kapitalmärkten finanzieren. Die rasche Expansion von APP und der leichte Zugang zu Kapital liessen die Schulden der Gruppe exponentiell anwachsen. Die Gesamtschulden stehen heute bei 13,4 Milliarden Dollar, die jährlichen Zinszahlungen belaufen sich auf 800 Millionen bis 1 Milliarde Dollar, hinzu kämen fällige Rückzahlungen von 1,5 Milliarden Dollar. Der Kurs der APP-Aktien fiel zwischen April 1999 und April 2001 von 7,50 Dollar auf 12 Cents. Am 4. April 2001 wurde der Handel an der New Yorker Börse eingestellt. APP war für die beteiligten Finanzinstitute auf jedenfall ein schlechtes Geschäft, es wurde massiv Shareholder Value vernichtet.
Für die Finanzwelt hatten APP und andere indonesischen Zellstoff- und Papierproduzenten einen Trumpf: billiges Holz. Der Holzpreis ist der entscheidende Kostenfaktor in der Zellstoff- und Papierindustrie. Dieser Industriezweig hatte von Diktator Suharto riesige Regenwaldgebiete für die Umwandlung in Holzplantagen erhalten. Jahrelang wurde einfach abgeholzt, ohne sich um den teuren Aufbau von Plantagen zu kümmern. Auch APPs Kostenwunder bestand in der Vernichtung von Naturkapital zum Nulltarif. APPs grösste Zellstoff- und Papierfabrik in Indonesien, Indah Kiat in Riau auf Sumatra, bezieht nur ein Bruchteil der Bäume aus Plantagen, mindestens 300000 Hektaren Regenwald wurden in den letzten Jahren dadurch zerstört.
Die Banker, die APPs Expansion finanzierten, übersahen die schlichte Tatsache, dass der Konzern den Ast, auf dem er sass, zu Papier verarbeitete. Denn der Raubbau ist nicht nur eine ökologische Katastrophe, sondern hat auch wirtschaftlich keine Zukunft. Die Kosten steigen auch bei Kahlschlag von Regenwald, weil das Holz aus immer weiter entfernten Gebieten herangeschafft werden muss und bereits 2005, so schätzt die Weltbank, gibt es im Tiefland von Sumatra keinen Regenwald mehr. In den letzten Jahren sind die Preise für Zellstoff und Papier trotzdem massiv gesunken, nicht zuletzt, weil Firmen wie APP den Weltmarkt mit Produkten zu Dumpingpreisen überschwemmten. Der Preiszerfall trug mit dazu bei, dass APP seine Schulden nicht mehr bezahlen konnte.
Schadensbegrenzung: Banken in die Pflicht nehmen
Die Credit Suisse bezeichnet sich auf ihrer Homepage als «world leader» im Umweltmanagement. In ihrem eben erschienen Nachhaltigkeitsbericht heisst es: «Ein Erfolgsfaktor im Investment Banking besteht darin,Umweltrisiken bei Kunden und Projekten frühzeitig zu erkennen,wodurch sich Kredit-,Haftungs-und Reputationsrisiken weitgehend reduzieren lassen.» Offensichtlich wurden die Umweltauswirkungen der Bankaktivitäten aber nicht systematisch genug geprüft, um ein Engagement bei APP zu verhindern. Immerhin liegt der Umweltaspekt bei einer Papierfabrik in einem Regenwaldgebiet ja auf der Hand. Bereits vor einem Jahr, als das Beratermandat der CSFB bekannt wurde, traten die Erklärung von Bern und der WWF mit der Credit Suisse in Kontakt, es folgte eine Reihe von Treffen zwischen Vertretern von Banken und NGOs. Für die NGOs war klar, dass bei der finanziellen Sanierung des Konzerns nicht noch einmal die selben Fehler gemacht werden dürfen. Kein Businessplan hat eine Chance, ohne eine langfristig ökologisch und sozial tragfähige Holzversorgung.
Im Laufe der Diskussionen versuchte APP die Gläubiger zu beruhigen und seine Märkte zu retten, denn in Britannien hatten Umweltorganisationen den Boykott von APP-Papier lanciert (die Schweiz ist als Markt zu wenig bedeutend, als dass sich diese aufwändige Strategie für die NGOs hier gelohnt hätte). APP publizierte eine Studie über Ihre Pläne für eine «nachhaltige Holzversorgung». Die «unabhängige» Studie stammte aber von einem grossen Ingenieurbüro, dass auf die Planung von Zellstoff- und Papierfabriken spezialisiert ist und auch schon für APP gearbeitet hatte. Obwohl diese Pläne nicht besonders glaubwürdig waren, bestätigten sich die schlimmsten Alpträume der NGOs. APP plant sogar, die Kapazität von Indah Kiat durch verbesserte Abläufe zu erhöhen. APP behauptet, bis 2007 genug Holz aus Plantagen beziehen zu können. Bis dann allerdings sollen weitere 294'000 Hektaren Regenwald abgeholzt werden, dazu gehören explizit auch besonders wertvolle Wälder. Indah Kiat, die grösste APP-Fabrik, wird auch weiterhin und ganz offiziell zu siebzig Prozent Regenwaldholz verarbeiten.
Das Ziel, bis 2007 nur noch Plantagenholz zu verwenden ist zudem unglaubwürdig. Die Gebiete für die Umwandlung von Regenwald in Holzplantagen gehören formal nicht zu APP, sondern sind im Besitz der Sinar Mas Gruppe. Schon bisher wurde weit weniger aufgeforstet, als im voraus behauptet. Die Holzgesellschaften müssten also jetzt ganz massiv in die Aufforstung investieren. Hinzu kommt, dass die lokale Bevölkerung auf ihren traditionellen Rechten über grosse Teile der Konzessionsgebiete beharrt. Die Konflikte nehmen zu, im Februar vergangen Jahres kam es zu schweren Zusammenstössen zwischen Angehörigen des indigenen Saday-Volkes und «Sicherheitspersonal» einer Holzgesellschaft. APPs Pläne für eine «nachhaltige Holzversorgung» gleichen eher einer Strategie der verbrannten Erde.
Für die NGOs ist klar, dass der Schaden nur begrenzt werden kann, wenn die Kapazitäten der Zellstofffabriken reduziert werden. Die verbliebenen hochwertigen Waldgebiete müssen vor Abholzung bewahrt werden und die Bedürfnisse und Rechte der lokalen Bevölkerung berücksichtigt werden. Die Aufforstungen, die nie ein Ersatz für natürlich gewachsenen Regenwald sind, müssen möglichst naturnah und umweltfreundlich bearbeitet werden. Das ist auch wirtschaftlich sinnvoll. APP könnte mit einer reduzierten Kapazität langfristig produzierten, statt mit dem Raubbau auf vollen Touren weiter zu machen bis zum unweigerlichen Kollaps.
Die NGOs fordern von den Banken aber nicht nur Schadensbegrenzung, sondern auch neue Vorsichtsmassnahmen. Offensichtlich genügen weder die bisherigen Mechanismen für die Abklärung von Umweltrisiken, noch haben die Banken genügend spezialisiertes Personal, um die weiteren Auswirkungen ihrer finanziellen Engagements abzusehen. Vier holländische Banken haben nach Diskussionen mit NGOs neue Regeln für den Umgang mit Investitionen im Waldbereich erlassen. Bei der Credit Suisse sind ähnliche Bestrebungen im Gange. Ob die Banken wirklich bereit sind, sich für eine erträgliche Lösung bei APP einzusetzen und zukünftige APPs zu verhindern, ist Moment noch nicht abzusehen. Grund genug für die Erklärung von Bern und die kritische Aktionärsvereinigung Actares, den Regenwald auch an der Jahresgeneralversammlung der Credit Suisse zum Thema zu machen.