Investitionsschutz um jeden Preis?
29. August 2002
Herrn Bundesrat
Pascal Couchepin
Vorsteher des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements
3003 Bern
Zürich, 29. August 2002
Sehr geehrter Herr Bundesrat Couchepin
An der vierten WTO-Ministerkonferenz in Doha wurde beschlossen, das Thema «Investitionen» vermehrt im Rahmen der WTO zu behandeln. Ein Konsens in Mexiko vorausgesetzt – sollen danach Verhandlungen für ein Investitionsabkommen im Rahmen der WTO beginnen.
Die Erklärung von Bern, der Solifonds und Greenpeace haben sich aus einer entwicklungs- sowie umweltpolitischen Sichtweise vertieft mit dem Mittel der Direktinvestitionen auseinandergesetzt und die beiliegende Broschüre «Investitionsschutz um jeden Preis?» verfasst. Wir sind der Meinung, dass die WTO mit ihren Prinzipien Inländerbehandlung und Meistbegünstigung nicht die richtige Organisation ist, um ein ärmeren Ländern und der Umwelt entsprechendes Investitionsabkommen auszuhandeln. Diese Prinzipien stärken vor allem die Rechte von Investoren, sie auferlegen ihnen aber keinerlei soziale Verantwortung oder Verantwortung für den sorgsamen Umgang mit der Umwelt.
Welche Folgen ein einseitig auf Investoren fokussiertes Abkommen haben kann, illustrieren einige aufgeführte Klagen im Rahmen des NAFTA-Abkommens. Ein ähnliches Abkommen wurde mit dem MAI im Rahmen der OECD verfolgt. Demokratische Prinzipien sowie Umwelt- und Sozialregelungen können durch Klagen von Unternehmen ausser Kraft gesetzt werden. Insbesondere die EU – und auch die Schweiz – betonen, eine Investitonsregelung in der WTO sei nicht mit dem NAFTA- oder MAI-Abkommen vergleichbar. Die WTO agiere auf der Ebene «Staat zu Staat» deshalb sei ein «Investor-to-state-dispute» innerhalb der WTO nicht denkbar. Was dabei verschwiegen wird, ist die Existenz der bereits bestehenden«Trade Barriers Regulation», einer Verordnung, die Unternehmen das Recht erteilt, die EU aufzufordern, einen Handelsstreit bei der WTO zu beginnen, wenn die Interessen des Unternehmens im Ausland durch nicht WTO-Konforme Massnahmen beeinträchtigt sind.
Die Erklärung von Bern, der Solifonds sowie Greenpeace zeigen auf, dass Ausländische Direktinvestitionen nicht in jedem Fall den Königsweg für die Entwicklung ärmerer Länder bedeuten, ja diese sogar gefährden können. Unter Umständen gehen mehr Arbeitsplätze verloren als geschaffen werden, die Zahlungsbilanz kann durch Kapitalabfluss belastet werden und multinationale Konzerne bedeuten oft eine erdrückende Konkurrenz für inländische Firmen, deren Strategie auf die Stärkung des Binnenmarktes ausgerichtet ist.
Die drei Organisationen fordern, den Fokus von den Investorenrechten auf die Investorenpflichten zu richten. Nur so kann das Recht auf Entwicklung für ärmere Länder sowie der Schutz der Umwelt garantiert werden. Als neues UNO-Mitglied muss die Schweiz den im August 2002 veröffentlichten Bericht des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte ernst nehmen, der dafür plädiert, dass jede Wirtschaftspolitik das Ziel verfolgen muss, die Menschenrechte zu fördern. Die Menschenrechte sowie der Schutz der Umwelt dürfen nicht einfach als Ausnahmen in einem Handelsvertrag angefügt werden, sondern müssen in dessen Zentrum gestellt werden.
Regelungen über Investitionen müssen zumindest die folgenden Elemente enthalten:
- Alle Länder müssen die Möglichkeit haben, Anforderungen an Investoren gemäss ihren wirtschaftspolitischen Prioritäten zu formulieren.
- Investoren müssen verpflichtet werden, sich an die fundamentalen Konventionen im Sozial- und Umweltbereich zu halten, dazu gehört insbesondere auch die Gleichbehandlung der Geschlechter
- Der Lokalbevölkerung muss das Recht auf Information und Einsprache gewährt werden.
- Das Unterlaufen bestehender Regeln oder Sonderausnahmen von Gesetzen sollte verboten werden.
- Im Bereich der Nutzung natürlicher und mineralischer Rohstoffe muss das Gastland einen fairen Anteil an den geförderten Reichtümern erhalten.
Wir bitten Sie, unsere Vorschläge für Investitionsregelungen ernst zu nehmen und in die anstehenden Diskussionen einzubringen.
Mit freundlichen Grüssen
Erklärung von Bern, Marianne Hochuli
Greenpeace, Kaspar Schuler
Solifonds, Urs Sekinger
Kontaktadresse: Marianne Hochuli, Erklärung von Bern, Postfach, 8031 Zürich
Kopien an: seco, DEZA, BUWAL