Nationaler Streik in Kambodscha
10. September 2010
Nach massiven Protesten in Bangladesch wehren sich nun auch NäherInnen in Kambodscha für mehr Lohn: Die Regierung hat angekündet, dass sie den gesetzlichen Mindestlohn um nur gerade 5$ auf 61US$ anheben und danach über Jahre nicht mehr anpassen will – trotz starker Inflation. 61$ decken die Lebenshaltungskosten der Arbeiterinnen und ihrer Familien bereits heute bei weitem nicht. Ein existenzsichernder Lohn wird von den Gewerkschaften auf 93 US-Dollar monatlich errechnet. ArbeiterInnen, die nur den gesetzlichen Mindestlohn erhalten, leben in bitterer Armut und haben oft nicht einmal das Geld, um sich ausreichend zu ernähren. Wie dringend der Handlungsbedarf ist, zeigen Vorkommnisse der letzten Wochen, wo in verschiedenen kambodschanischen Fabriken zahlreiche ArbeiterInnen ohnmächtig wurden, weil sie zu wenig gegessen hatten.
Durch den einwöchigen Streik will die 45`000 Mitglieder zählende „Coalition of Cambodian Apparel Workers Democratic Union“ (C.CAWDU) und die „National Independent Federation Textile Union of Cambodia“ (NIFTUC) mit 30`000 Mitgliedern die Arbeitergebervereinigung an den Verhandlungstisch zwingen. Die Textilindustrie in Kambodscha macht den weitaus grössten Teil des gesamten Exportes des Landes aus. Mehr als ein Viertel aller Industriebeschäftigten arbeiten in der Bekleidungsindustrie, insgesamt rund 330`000.
Die Clean Clothes Campaign hat die Hauptkunden der kambodschanischen Textilindustrie, etwa Adidas, Nike, Puma, Gap oder Zara, kontaktiert und fordert, dass diese den ArbeiterInnen einen Existenzlohn bezahlen sowie ihre Zulieferer und die Arbeitgebervereinigung zu einem Dialog mit C.CAWDU und NIFTUC anhalten.
Die Clean Clothes Campaign ist aber auch um die Sicherheit der GewerkschafterInnen besorgt. In den letzten Monaten wurden öffentliche Versammlungen und Demonstrationen von den Behörden unterbunden und die Polizei hat ArbeiterInnen gewaltsam gestoppt, um an Protesten teilzunehmen. Bereits im Vorfeld des Streiks kam es zu Einschüchterungen und Gewalttaten gegen Gewerkschaftsmitglieder. Regierungsbehörden und Arbeitgeber drohten den Gewerkschaftsführern mit Strafanzeigen und Inhaftierung. „Nach kambodschanischen Gesetzen und internationalen Menschenrechten haben wir das Recht, Tarifverhandlungen zu führen und zu streiken. Wir fordern dieses Recht nun ein. Die Regierung, die Produzenten und internationalen Marken sollen den Arbeitern endlich einen existenzsichernden Lohn bezahlen“, sagt Ath Thorn, der Präsident des kambodschanischen Gewerkschaftsbundes.
Seit mehr als 10 Jahren haben Markenfirmen und Detailhändler Kambodscha als sicheres Produktionsland mit wenigen Reputationsrisiken betrachtet. Obwohl viele ArbeiterInnen von Fabrik-Monitoring-Programmen profitieren konnten, blieb das Problem der massiven Unterbezahlung ungelöst.
Der aktuelle Streik in Kambodscha und die kürzlichen Proteste in China, den Philippinen, Thailand, Pakistan, Sri Lanka und Indien zeigen den enormen Leidensdruck der TextilarbeiterInnen. Die dramatisch tiefen Löhne haben in den letzten Jahren noch massiv an Realwert verloren, da sie nicht genügend an die Teuerung angepasst wurden. In Asien wird rund 50-70% des Einkommens für Nahrungsmittel ausgegeben. Bei den explodierenden Reis- und Getreidepreisen, die sich verdoppelt oder verdreifacht haben, werden die Familien damit immer ärmer