Nationalrat lehnt Steuerschlupfloch für Rohstoffhändler definitiv ab

Nach dem Ständerat lehnte heute auch der Nationalrat mit einer überwiegenden Mehrheit die Einführung der Tonnage Tax ab. Von dieser lange als seefest geltenden Steuererleichterung für Schifffahrtsgesellschaften hätten vor allem die skandalträchtigen Rohstoffhändlern profitiert. Mit insgesamt 2'200 Tankern, Massengutfrachtern und Containerschiffen sind sie die eigentlichen Schifffahrtsgesellschaften hierzulande.

Wäre es nach dem Bundesrat gegangen, hätte der hiesige Reedereistandort in den Genuss von massiven Steuererleichterungen kommen sollen. Mittels «Tonnage Tax» hätten Schifffahrtsunternehmen nicht, wie sonst üblich, aufgrund ihres Gewinns oder Verlusts, sondern anhand der Ladekapazität ihrer Schiffe besteuert werden sollen. Dies hätte dem Schweizer Fiskus wohl massive Mindereinnahmen beschert. Die OECD schätzte 2019, dass ihren Mitgliedsländern, welche eine solche Steuer kennen, durchschnittlich 1 Milliarde Euro pro Jahr aufgrund dieser Subvention verloren gehen.

Datenlage mangelhaft, finanzielle Auswirkungen unklar

Im Dezember 2022 hatte der Nationalrat der bundesrätlichen Vorlage noch zugestimmt und sogar die Kreuzfahrtbranche miteingeschlossen. Die ständerätliche Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-S) zeigte sich während mehreren Sitzungen jedoch weniger überzeugt. Dies vor allem, weil es dem Bundesrat nicht gelang, die finanziellen Folgen der Tonnage Tax zu beziffern. Diese Kritikpunkte hatten auch Public Eye und Alliance Sud in die parlamentarischen Kommissionen getragen. 

Auch offizielle Zahlen zum Schifffahrtsstandort konnte der Bundesrat nie liefern und begnügte sich stattdessen mit den veralteten Zahlen der Branchenvereinigung, welche von 900 Schiffen ausging. Erst die Recherche von Public Eye im Januar 2024 lieferte umfassende Zahlen zur Flottengrösse von Schweizer Reedereien sowie Rohstoffhändlern. Mit 3'600 Schiffen kamen diese gar viermal höher zu liegen als die Branchenzahlen. Und mehr Schiffe bedeuten auch mehr Möglichkeiten zur Gewinnverschiebung.

Ein bestelltes Gesetz

Dies schien schliesslich auch der ständerätlichen WAK zu heiss. Diese beantragte ihrem Rat im Februar 2024 nach über einjährigem Hin und Her, nicht auf die Vorlage einzutreten. Der Ständerat folgte im März dieser Empfehlung und kritisierte wie bereits die WAK, «die finanziellen Auswirkungen des Vorhabens seien unklar». Dem politischen Tauziehen war ein jahrelanges und massives Lobbying des Sektors vorausgegangen. Wie Reflekt im Februar sowie der Blick im März 2024 berichteten, pflegten die Branchenvereinigungen STSA (heute Suissenegoce) und die Swiss Shipowners Association, sowie die weltgrösste Reederei MSC einen engen Kontakt zur Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV). Wichtige Teile der nun gescheiterten Gesetzesvorlage sollen praktisch eins zu eins aus der Feder der Branche stammen.

Nach diesen Enthüllungen beantragte auch die nationalrätliche WAK im April 2024 ihrem Rat, nicht auf die Vorlage einzutreten. Nur eine überwiegend aus SVP-Mitgliedern bestehende Minderheit hielt noch am Vorhaben fest. Nach dem heutigen Nein im Nationalrat ist dieses verfassungswidrige sowie finanzpolitisch heikle Geschäft nun endlich vom Tisch. Die unrühmliche Rolle der ESTV hingegen soll mittels einer GPK-Untersuchung noch beleuchtet werden. Die Tonnage Tax wird wohl auch in Zukunft in Bern noch etwas Wellen schlagen.