Neues Textil-Label «Grüner Knopf»: Wenn der Knopf nicht hält, was er verspricht

Das neue Nachhaltigkeitslabel «Grüner Knopf» weist schwerwiegende Mängel auf. Weil die Anforderungen an entscheidenden Stellen zu kurz greifen, könnte das mit den Schlagworten «sozial.ökologisch.staatlich» beworbene Label bald auch Produkte auszeichnen, die von Arbeiterinnen und Arbeitern mit Armutslöhnen genäht wurden.
© BMZ

Ein neues Label will Konsumentinnen und Konsumenten Orientierung bieten, um sozial und ökologisch nachhaltig hergestellte Kleider und Textilien leichter zu erkennen – doch der «Grüne Knopf» in der heute startenden Pilotphase verfehlt dieses Ziel klar. Das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat es trotz Warnungen versäumt, schwerwiegende Mängel im Vorfeld auszuräumen. Der «Grüne Knopf» soll nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz und andernorts zum Einsatz kommen.

  • Den «Grünen Knopf» gibt’s auch ohne existenzsichernde Löhne: Die produktbezogenen Kriterien des Grünen Knopfs sehen lediglich eine Pflicht zur Zahlung von Mindest- oder industrieüblichen Löhnen vor; weder existenzsichernde Löhne noch eine Verpflichtung zu konkreten Fortschritten dorthin sind Voraussetzung. Doch die Mindestlöhne müssten in den meisten Produktionsländern mindestens dreimal höher sein, damit Arbeiterinnen und Arbeiter und ihre Familien nicht in Armut leben müssen. Die Satzung des Grünen Knopfes enthält zwar eine unverbindliche und nicht zeitgebundene Absichtserklärung, wonach die Kriterien in der Zukunft weiterentwickelt werden sollen. Doch von vagen Ankündigungen steigen keine Löhne. Und wenn bereits in der Pilotphase mit zu schwachen Kriterien gestartet wird, scheint es in Zukunft wenig realistisch, effektive Existenzlohnanforderungen durchzusetzen, denn dann müsste Produkten, die unter Armutslöhnen hergestellt wurden und den «Grünen Knopf» tragen, das Label wieder entzogen werden. Es bleibt abzuwarten, ob das BMZ soweit gehen würde.
  • Der «Grüne Knopf» gibt trotz bekannter Probleme EU-Produkten einen Blankoscheck: Der Grüne Knopf sieht vor, dass Unternehmen, die in den Ländern der Europäischen Union produzieren oder produzieren lassen, lediglich auf Unternehmensebene darlegen müssen, wie sie Risiken in ihrer Lieferkette adressieren. Die Nachweispflicht, dass die produktbezogenen Anforderungen tatsächlich erfüllt und Menschen- und Arbeitsrechte eingehalten wurden, fällt hingegen weg, weil die sozialen Mindeststandards angeblich aufgrund effektiv durchgesetzter gesetzlicher Vorgaben in den EU-Mitgliedstaaten bereits gewährleistet seien. Das ist nicht nur eine fragwürdige Benachteiligung von Produktionsstandorten ausserhalb der EU, sondern auch ein Einfallstor für Trittbrettfahrer, welches die Glaubwürdigkeit des Grünen Knopfs weiter untergräbt: Studien und Berichte zeigen auch in EU-Ländern wie z.B. Bulgarien, Grossbritannien, Italien und Rumänien schwerwiegende Probleme bei der Umsetzung von Arbeitsrechten im Textilsektor und belegen, dass auch in Niedriglohnländern Europas eine gewaltige Kluft zwischen dem tatsächlichen Lohn und einem Existenzlohn besteht.
  • Der «Grüne Knopf» gibt eine trügerische Sicherheit durch private Audits vor: Die Vergabe des Grünen Knopfes soll in weiten Teilen auf der Anerkennung bereits bestehender Labels und Zertifikate basieren, die heute in der Regel von privatwirtschaftlichen Firmen oder Einrichtungen auf Grundlage von Fabrikaudits vergeben werden. In der Praxis haben sich diese jedoch gerade in Bezug auf die Feststellung von Verletzungen von Sozialstandards als unzureichend erwiesen: isolierte Sozial-Audits versagen oft bei der Erkennung von Arbeitsrechtsverletzungen wie der Diskriminierung von Frauen oder der Behinderung von Gewerkschaftsarbeit. Gerade ein staatliches Siegel sollte sich bei der Prüfung der Einhaltung der Kriterien nicht überwiegend auf private Label und Zertifikate mit ihren bekannte Problemen verlassen, sondern einen eigenen effektiven, unabhängigen und mit ausreichend Ressourcen und wirksamen Sanktionsmitteln ausgestatteten Kontrollmechanismus vorhalten.

Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in globalen Lieferketten erfordert politisches Handeln und die Verankerung von verbindlichen Massnahmen, damit alle Unternehmen in ihren internationalen Lieferketten Menschenrechte einhalten, inklusive dem Recht auf einen Existenzlohn. Freiwillige Zertifizierungen und Labels sind kein ausreichender Ansatz. Und wenn Labels so gravierende Mängel aufweisen wie der «Grüne Knopf» in seiner aktuellen Fassung, dann bieten sie auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern keine verlässliche Orientierung auf der Suche nach Kleidung, die ohne Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen hergestellt wurde.  

Weitergehende Informationen

Ausführliche Stellungnahme der Kampagne für Saubere Kleidung (CCC Deutschland) zum Grünen Knopf (15. Juli 2019)