Öl statt Wale: Die Sachalin-Connection

Sie sind alle in Davos: Jean Lemierre von der Europäischen Entwicklungsbank EBRD, Shell-CEO Jeroen Van der Veer, Credit Suisse-Verwaltungsratspräsident Walter Kielholz sowie Rijkman Groenik, VR-Präsident der holländischen Bank ABN AMRO. Was liegt da näher, als miteinander über die nächsten Schritte im alle verbindenden Giga-Projekt „Sachalin II“ zu verhandeln?

Das von Shell kontrollierte und in der Steueroase Bermudas registrierte Konsortium «Sakhalin Energy Investment Company» investiert mindestens 20 Milliarden Dollar in das weltweit teuerste Öl- und Gasförderprojekt. Der Ausbau in der jetzt geplanten Form hätte verheerende Auswirkungen auf den vom Aussterben bedrohten Westpazifischen Grauwal, die Fischgewässer und Laichgründe der Insel sowie auf die Lebensweise der (Ur)Bevölkerung Sachalins.

Der Europäischen Entwicklungsbank kommt zum jetzigen Zeitpunkt eine Schlüsselrolle zu. Nachdem sie Shell zuvor mehrmals abgewiesen hat, weil deren Umweltverträglichkeitsprüfung nicht überzeugte („not fit for purpose“), nahm die EBRD das Projekt im Dezember 2005 entgegen. Seitdem läuft die vier Monate dauernde „Public Consultation Period“. Nichtregierungsorganisationen (NGO’s) fürchten aus ihren Erfahrungen mit der EBRD, dass diese Konsultationen nur ein Feigenblatt sind und der Entscheid bereits gefallen ist.

CS zieht die Fäden

Der zweite zentrale Spieler ist die Credit Suisse (CS). Sie berät als „Financial Advisor“ das Konsortium beim Schnüren des Finanzierungspakets. Als Ergänzung zur öffentlichen Finanzierung durch die Europäische Entwicklungsbank und Exportkreditagenturen versucht die CS ein Konsortium privater Geschäftsbanken zu gewinnen. Acht internationale Geldinstitute haben Interesse bereits gezeigt, darunter ABN AMRO. Sobald die EBRD grünes Licht gibt – deren Entscheid gilt für die privaten Banken als Gütesiegel für das Projekt – wird entschieden, welche der acht Anwärterinnen die Finanzierung als „Lead Arranger“ koordinieren wird. Das Besondere an Sachalin II ist jedoch, dass die Bauarbeiten seit letztem Jahr vor allem in den Sommermonaten auf Hochtouren laufen, obwohl die Finanzierung noch nicht gesichert ist.

Hinterzimmergespräche am WEF


Mit den vollständig in Davos angetretenen Hauptdarstellern der Finanzierung von Sachalin II wäre es verwunderlich, wenn diese nicht in den Luxussuiten des Arabella Sheraton oder des Steigenberger Belvédère über die nächsten Schritte beraten würden. Walter Kielholz (CS) dürfte Jeroen Van der Veer (Shell) zum Beispiel fragen, warum er im Sommer 2005 ankündigen musste, dass Sakhalin II nicht wie geplant 10 Milliarden Dollar, sondern das Doppelte kosten wird. Und er wird sich darüber beklagen, dass der Zeitplan völlig aus dem Tritt geraten ist und sich das Projekt immer weiter verzögert.

Gegenüber Jean Lemierre (EBRD) wird Van der Veer erklären müssen, warum Shell nicht in der Lage war, eine Umweltverträglichkeitsprüfung zu erstellen, die seinen nicht sehr hohen Standards genügt. Lemierre wird vielleicht auch wissen wollen, warum es mit der Umsetzung des Umweltmanagements so hapert. Shells CEO wird zwar grosse Probleme mit den russischen Subcontractors zugeben, aber betonen, dass man nun alles fest im Griff habe. Leider wird Lemierre darauf nicht nachfragen, warum die lokale NGO „Sakhalin Environmetal Watch“ dokumentierte, wie durch den Bau der Pipeline, die längs über die ganze Insel verläuft, wichtige Laichgründe schwer geschädigt wurden. Lemierre erhielt vergangenen Herbst ein Dossier darüber mit ausführlichen Fotodokumentationen.

PR-SuperGAU in Sicht

CS-CEO Oswald Grübel versucht derweil vermutlich Rijkman Groenik davon zu überzeugen, dass seine ABN AMRO Sachalin II finanzieren kann, ohne damit die „Equator Principles“ – ein Umwelt- und Sozialstandard für Projektfinanzierungen – zu verletzen. Und er wird sicherlich kein Wort darüber verlieren, dass der Hauptsitz der Credit Suisse im April 2005 von NGOs mit einem aufblasbaren Wal besucht wurde. Auch nicht darüber, dass er hätte wissen müssen, dass die „Lead Arranger“ von Sachalin II das nächste Ziel grosser Kampagnen werden. Keiner der anwesenden Herren wird darüber nachdenken, was es bedeutet, falls der Westpazifische Grauwal wirklich ausstirbt. Denn es gibt nur noch 20 geschlechtsreife Weibchen dieser Walart. Jede Störung durch Lärm, Kollisionen mit Schiffen oder Ölverschmutzung kann das endgültige Ende der Grauwale einleiten. Hier schlummert ein PR-Desaster, dass grösser ist als Brent Spar und die Diktatoren-Gelder zusammen: „Credit Suisse und Shell vernichten Walart“.

In der abgeschotteten WEF-Atmosphäre, wo Informationen nur über selbst ernannte „World Media Leaders“ hereinfluten, wird wahrscheinlich niemand erfahren, dass am heutigen Samstag im Süden der Insel Sachalin lokale Umweltgruppen und Fischer den Bauplatz der Verladehafens für Flüssiggas blockieren.