Vernehmlassung zur Ratifikation des Internationalen Vertrags über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft
10. Juni 2003
Die EvB begrüsst die Absicht des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements, dem Bundesrat einen Botschaftsentwurf für die Genehmigung des Internationalen Vertrags über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft vorzulegen. Die EvB ist der Ansicht, dass der Internationale Vertrag im Interesse der Bäuerinnen und Bauern in der Schweiz und weltweit ist und mit den Zielen der schweizerischen Agrar- und Entwicklungspolitik übereinstimmt. Der Vertrag kann, sofern er im Sinne der Interessen der Bäuerinnen und Bauern ausgelegt wird, zur Sicherstellung der langfristigen Ernährungssicherheit auf der Welt beitragen, indem der erleichterte Zugang zu den pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft und gleichzeitig die gerechte Aufteilung der Vorteile, die sich daraus ergeben, sichergestellt wird.
Der Internationale Vertrag ist aber nach Ansicht der EvB eine zweitbeste Lösung, die dazu dient eine bedauerliche Fehlentwicklung zu korrigieren, für welche die Schweiz mitverantwortlich ist: Es waren die Interessenkonflikte zwischen den in den Industrieländern beheimateten internationalen Saatgutunternehmen und den Entwicklungsländern, die drohten, den freien Austausch von pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft, zum Erliegen zu bringen und dadurch zur Aushandlung des Vertrags führten. Dieser Interessenkonflikt war aber das Resultat der auf nationaler und internationaler Ebene immer stärker ausgebauten geistigen Eigentumsrechte, kumulierend im Abschluss des WTO Abkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS) 1994. Mittels Patenten konnten sich private Unternehmen dadurch immer leichter pflanzengenetische Ressourcen, die zuvor frei zugänglich waren, aneignen und andere Nutzer, im Extremfall gar die ursprünglichen Besitzer, ausschliessen und sie am daraus resultierenden Profit nicht beteiligen („Biopiraterie“). Es ist grotesk, wenn nun diese teilweise von der Schweiz mitzuverantwortenden Fehlentwicklungen mittels weiteren internationalen Abkommen wie dem vorliegenden wieder korrigiert werden müssen. Erstens ist eine solche Politik unglaubwürdig. Zweitens verursacht sie unnötige Kosten. Und drittens ist sie sowohl agrar- wie auch entwicklungspolitisch äusserst fragwürdig.
Die EvB erwartet daher vom Bundesrat, dass er die Politik der Schweiz im Bereich des Schutzes der geistigen Eigentumsrechte einer grundlegenden Prüfung unterzieht. Bis diese Prüfung abgeschlossen ist, sollten keine weiteren Abkommen abgeschlossen werden, die ein höheres Schutzniveau für geistige Eigentumsrechte als im TRIPS beinhalten. Ferner sollte die Schweiz konstruktiv an der Überprüfung des TRIPS-Abkommens mitwirken mit dem Ziel, die Patentierbarkeit von Lebensformen weltweit rückgängig zu machen oder zumindest so weit einzuschränken, dass sie nicht zu einer Gefährdung der Ernährungssicherheit weltweit und im besonderen in den Entwicklungsländern führen kann. Das TRIPS-Abkommen muss so angepasst werden, dass er die Ziele der Biodiversitätskonvention von 1992 und des Internationalen Vertrags über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft unterstützt und alle Widersprüche zwischen diesen Abkommen ausgeräumt werden.
Aus Sicht der EvB ist es von zentraler Bedeutung, dass die Vertragsparteien in ihren nationalen Gesetzgebungen den Zielen und dem Geist des Internationalen Vertrags nachleben. Die EvB erwartet vom Bundesrat und Parlament, dass im Rahmen der Revision der Sortenschutz- und Patentgesetzgebung streng darauf geachtet wird, dass dabei die Ziele des Internationalen Vertrages unterstützt werden, insbesondere was die Rechte der Bauern und die immaterialgüterrechtlichen Bestimmungen angeht.
Auf diese beiden Aspekte sowie auf die Frage des Zugangs von natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts zum multilateralen System geht die EvB in ihrer Vernehmlassung zur Ratifikation Internationalen Vertrags über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft genauer ein.