Im Land der «Heimlifeissen» und Geheimniskrämer

Demnächst diskutiert der Ständerat die Transparenz-Initiative, die verlangt, dass Parteien und Komitees grosse Spenden offenlegen müssen. In Bundesbern tun sich einige sehr schwer mit dem Volksbegehren nach mehr Licht im Politik-Betrieb. Und in der Öffentlichkeit herrscht ein fast schon angestrengtes Schweigen.

Eigentlich wollte der Bundesrat gleich Tabula rasa machen und empfahl noch Ende August 2018 die Transparenzinitiative ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung. Die Offenlegung der Finanzierungen sei zu wenig «auf die Eigenheiten des politischen Systems der Schweiz abgestimmt», meinte er. Welche «Eigenheiten» der Bundesrat verteidigen wollte, spezifizierte er nicht. Anderenorts werden Intransparenz und hohe Zuwendungen vom Privatsektor oder einflussreichen Einzelpersonen als unlautere Einmischung, politische Instrumentalisierung oder gar als Korruption eingestuft.
Nach dem Gegenvorschlag des Ständerats vollzieht der Bundesrat jetzt aber eine Kehrtwende. «Wenn sich die politischen Parteien mehr Transparenz auferlegen möchten, verschliesst sich der Bundesrat diesem Wunsch nicht», so die Landesregierung im November 2019 in einer Medienmitteilung. Begeisterung tönt anders.

Alles gut, wie es läuft…

Am 16. Dezember 2019 muss der Ständerat die Transparenz-Initiative und den parlamentarischen Gegenvorschlag diskutieren. Wie der Bundesrat sind auch die CVP, die FDP und die SVP nicht begeistert vom Thema. Eine Transparenzanforderung könne willige Spenderinnen und Spender abschrecken, moniert die CVP. Die FDP beschwichtigt, es laufe doch alles gut im heutigen System, sie sehe keinen Handlungsbedarf. Und die SVP ortet gar einen unzulässigen staatlichen Eingriff. Sie argumentiert, dass es sich «beim Recht, politische Anliegen in Form von Zuwendungen zu unterstützen, um einen schützenswerten politischen Akt handle» und eine Offenlegung somit kaum mit der Verfassung vereinbar sei. Als Erinnerung: Bei der Transparenzinitiative geht es nicht um die Offenlegung von Kleinspenden, sondern um Einzelspenden ab 10'000 CHF, respektive um Budgets von mehr als 100'000 CHF pro Wahl- oder Abstimmungskampagne.

Einzelne FDP und SVP-Ständeräte warnen, dass Transparenzregeln in keiner Weise das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik stärken würden sondern schädlich seien. «Indem die Medien über nicht offengelegte Finanzierungen berichten, entstehe das Bild eines korrupten Politikbetriebs» (Bericht der Staatspolitischen Kommission des Ständerates, S.7884). Getreu nach dem Motto: «Was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss»?

Ein halbherziger Gegenvorschlag

Dass sich das Parlament zu einem Gegenvorschlag durchgerungen hat, ist eigentlich eine gute Nachricht, denn damit wird die Wichtigkeit des Themas anerkannt. Doch der Gegenvorschlag hat einen grossen Haken. Zwar integriert er im Vergleich zur Initiative sogar noch zwei Zusatzforderungen, nämlich ein Verbot von Zuwendungen aus dem Ausland sowie eine Offenlegungspflicht in der Phase der Unterschriftensammlung von nationalen Initiativen oder Referenden. Gleichzeitig limitiert er aber die Reichweite auf Nationalratswahlen, klammert also Ständeratswahlen aus, und setzt den Schwellenwert für die Offenlegung der Finanzen bei 25‘000 CHF für Einzelspenden an, respektive bei 250‘000 CHF für Budgets pro Wahl- oder Abstimmungskampagne. Ein Grossteil der Finanzierungen dürfte damit nicht erfasst werden.

Der Bundesrat unterstützt den Gegenvorschlag und schlägt noch weitere Verwässerungen vor: die Offenlegungspflicht bei Unterschriftensammlung für Volksinitiativen und Referenden soll wieder gestrichen, ebenso das vorgeschlagene Verbot für die Annahmen von Zuwendungen aus dem Ausland gekippt werden. Und schliesslich findet er, dass es beim Verstoss gegen die Transparenzvorschrift im Fallen von fahrlässigem Handeln keine Bussen geben soll. Schon klar, ab und zu kann eine Grossspende von mehreren 10'000 Franken eben einfach vergessen gehen.

Spenden von vielen Millionen Franken

«Wer zahlt, befiehlt» – soll diese Binsenwahrheit ausgerechnet bei der Finanzierung von politischen Parteien und von kostspieligen Wahl- und Abstimmungskampagnen nicht gelten? Wirtschaftsmächtige Akteure mischen bei der Politikfinanzierung kräftig mit, soviel ist klar. Gemäss Umfrage von RTS/SRF vor dem Wahlherbst 2019 spenden Schweizer Konzerne jährlich mindestens fünf Millionen Franken an Parteien und einzelne Politiker und Politikerinnen. Spitzenreiterin ist dabei die Credit Suisse, die gemäss eigenen Angaben jährlich eine Million Schweizer Franken einsetzt: als «neutralen Beitrag fürs Gelingen des milizpolitischen Systems.» Novartis steuert fast 600‘000 CHF bei, Roche 260‘000, Nestlé 220‘000. Nicht mit eingerechnet ist die indirekte Politikfinanzierung durch Arbeitszeit, Sachleistungen, Beiträge an Lobbyverbände, Verwaltungsratsmandate und alles, was die Konzerne allenfalls unter themenspezifischer Arbeit verbuchen - die Politikfinanzierung dürfte also insgesamt ein Vielfaches höher sein. Bei Beiträgen in dieser Grössenordnung kann man Fragen nach Interessenskonflikten und Abhängigkeiten nicht ausweichen.

Transparenz? Ja unbedingt!

Die Transparenzinitiative wurde bereits am 10. Oktober 2017 eingereicht, aber bisher erstaunlich wenig in der Öffentlichkeit diskutiert. Erstaunlich deshalb, weil es hier um ganz grundlegende Anliegen für die Funktionsweise der Politik geht. Weil laut repräsentativen Umfragen zwei Drittel der Bevölkerung mehr Transparenz in der Politik wollen. Und weil die Schweiz mit ihrer aktuellen Nicht-Regulierung einen internationalen Sololauf hinlegt, der immer wieder gerügt wird.

Politikfinanzierung ist keine Privatsache. Die Transparenzinitiative rüttelt an den Grundfesten des schweizerischen Politik-Apparates, und gerade deshalb ist sie so wichtig. Im Interesse einer funktionierenden Demokratie braucht es kein «Nein danke», sondern ein «Ja, unbedingt» zu Transparenz.

«Sonnenlicht blendet im Bundeshaus offensichtlich besonders stark.»

Christa Luginbühl arbeitet seit über 10 Jahren bei Public Eye und ist Mitglied der Geschäftsleitung. Ihr thematischer Schwerpunkt sind Menschen-, Frauen- und Arbeitsrechte in internationalen Lieferketten, insbesondere in der Pharmaindustrie, Landwirtschaft, im Konsum und Agrarrohstoffhandel.

Public Eye ist nebst der BDP, EVP, Grüne, Piratenpartei, SP, Transparency International, Jugendsession, opendata Mitglied im Trägerverein der Transparenzinitiative.

Kontakt: christa.luginbuehl@publiceye.ch

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