Mosambik und die Credit Suisse: Der Tragödie x-ter Teil
Angela Mattli, 7. November 2024
Ein Freund aus Mosambik schickt mir gerade einen Hilferuf: Nach den Wahlen vom 9. Oktober wurde der Kandidat, der seit 49 Jahren regierenden Frelimo zum Sieger erklärt. Die EU-Beobachterkommission drückte allerdings Bedenken aus: Stimmen wurden falsch gezählt, Ergebnisse «korrigiert». Demonstrationen wurden gewaltsam aufgelöst. Die Rechtsberater eines unabhängigen Kandidaten und einer Oppositionspartei wurden gar ermordet, was der UNO-Generalsekretär «aufs Schärfste verurteilt» hat.
Als die Menschen protestieren, wird das mobile Internet abgestellt. Dies macht es für die Opposition ungleich schwieriger, sich zu organisieren. Anfang November berichteten internationale Organisationen von mindestens zehn Todesopfern, Dutzenden Verletzten und Hunderten Inhaftierten.
Mein Freund hat Angst. Angst vor einem Bürgerkrieg und noch mehr Leid in seinem ohnehin geplagten Land.
Wie Thunfisch ins Elend führte
Ab 2013 gaben eine britische Tochter der Credit Suisse und die russische Investmentbank VTB Capital dem ostafrikanischen Land geheime Kredite von über zwei Milliarden US-Dollar (über 6% des Bruttoinlandprodukts) zum Kauf von Booten für Thunfischfang und Küstenschutz. Satte 150 Millionen US-Dollar flossen an mosambikanische Amtsträger und weitere 50 Millionen US-Dollar an zwei Mitarbeiter der Credit Suisse in London. Mehr als eine halbe Milliarde US-Dollar bleiben unauffindbar. Die gekauften 41 Boote waren überteuert und unbrauchbar. Sie verrotten im Hafen von Maputo.
Im Jahr 2016 kamen die am Parlament vorbei gemachten Geschäfte ans Licht. Die Folgen waren dramatisch. Neben der massiven Belastung durch die Kredite selbst entzogen internationale Organisationen die Unterstützung. Mehr als zwei Millionen Menschen stürzten in die Armut. Die politische, soziale und wirtschaftliche Lage ist seitdem angespannt. Die Regierung begegnet Demonstrationen mit Gewalt, es gibt Verletzte und Tote.
Die Weltbank beschreibt es so: «Nach den Enthüllungen wertete die Währung drastisch ab, die Inflation schnellte in die Höhe, der fiskalische Spielraum schrumpfte, das durchschnittliche jährliche Wachstum halbierte sich von 7,7% zwischen 2000 und 2016 auf 3,3% zwischen 2016 und 2019, und ausländische Direktinvestitionen versiegten, da die Investoren das Vertrauen verloren.»
Davon hat sich das Land bis jetzt nicht erholt.
Vielmehr ist ein neuer Konflikt entstanden: Islamisten terrorisieren die Provinz Cabo Delgado, die sich nach dem Fund von Erdgasvorkommen eigentlich einen massiven wirtschaftlichen Aufschwung versprochen hatte. Die Betroffenen sehen dies als direkte Folge der Vernachlässigung durch eine Regierung, die sich nie um die Region geschert hat. Auch weil sie nicht die Mittel dazu hatte.
Eine juristische Welttournee
Public Eye reichte 2019 eine Strafanzeige gegen die Credit Suisse ein, woraufhin die Bundesanwaltschaft ein Jahr später ein Strafverfahren wegen Geldwäscherei eröffnete.
Seit Jahren beschäftigt die Affäre Gerichte und Behörden rund um die Welt. Drei Mitarbeitende der Credit Suisse-Tochter und zwölf mosambikanische Mittäter wurden inzwischen verurteilt. Die Credit Suisse zahlte über 500 Millionen US-Dollar Busse und Schadensersatz und erliess dem Land einen Teil der Schuld (Betrag unbekannt).
Üble Winkelzüge der UBS
Ende Oktober gab es wieder Neuigkeiten. Diesmal aus dem friedlichen Bellinzona. So wurde publik, dass die Bundesanwaltschaft im September 2023 ein weiteres Strafverfahren gegen noch unbekannte Mitarbeitende der Credit Suisse wegen Geldwäscherei eingeleitet hatte.
Als die Bundesanwaltschaft im Rahmen der Ermittlungen interne Informationen anforderte, stellte die UBS sie auf einem passwortgeschützten Datenträger zu. Ohne Passwort. Weil ja Geschäftsgeheimnisse oder Anwaltsbriefe in den Unterlagen stecken könnten, so die Argumentation jener Bank, die das Erbe der CS verwaltet. Dafür legte die UBS zwar keinerlei Details vor. Aber es könnte ja sein. Und deshalb soll die Bundesanwaltschaft zwar den Data Stick anschauen dürfen, nicht aber die Daten.
Das Bundesstrafgericht hat diesem grotesken Vorgehen einen Riegel vorgeschoben. Die UBS muss die Daten herausgeben. Richtig so!
Man könnte vielleicht sagen, dass so was zum üblichen Hin und Her in einem Strafprozess gehört. Dass es das gute Recht der letzten Schweizer Grossbank sei, «schwierig zu tun».
Aber man muss ja nicht jede juristische Finte nutzen.
Die Credit Suisse existiert nicht mehr. Die Bankenlobby betont immer wieder, dass Regelverstösse auf einzelne «faule Äpfel» zurückzuführen seien. Die Credit Suisse hat der FINMA, dem EFD und damit letztlich auch der Bundesanwaltschaft umfassende Unterlagen herausgegeben. Was gibt es da also noch zu verbergen?
Mosambik steht am Abgrund. Die von der Credit Suisse vergebenen Kredite haben massgeblich dazu beigetragen. Und die selbst nicht einmal beteiligte UBS spielt juristische Spielchen, statt die Karten offen auf den Tisch zu legen. Damit sendet sie intern und extern das Signal, dass sie Fehlverhalten nicht aufdecken will. Dass sie keine Verantwortung übernehmen will. Dass sie Straftäter schützt.
Ist das die Bank, die die Schweiz retten wollte?
Fight for the things that you care about, but do it in a way that will lead others to join you. (Ruth Bader Ginsburg)
Angela Mattli leitet den Fachbereich Rohstoffe, Handel und Finanzen.
Kontakt: angela.mattli@publiceye.ch
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