Syngentas Liebe für Geld, Golf, Honig und Bienen (in dieser Reihenfolge)

Golf ist, anders als ein englischer Journalist einmal meinte, nicht nur «eine teure Art, spazieren zu gehen». Das hat auch der weltweit führende Pestizidhersteller Syngenta erkannt. Um von der Schädlichkeit seiner Bienenkiller-Insektizide abzulenken, betreibt der Konzern geschicktes Greenwashing auf dem Golfplatz, und schmiert uns Honig ums Maul, bis wir vor lauter Blümchen das (vergiftete) Feld nicht mehr sehen. Das Ziel: Weiterhin viel Stutz zu verdienen natürlich!

NE-O-NI-CO-TI-NO- IDE! Auf Anraten einer klugen Journalistin notiere ich diese Silben auf ein Stück Papier, um nicht stotternd am Radio meine Eltern zu blamieren. Der Tipp ist Gold wert, aber mit der Spontanität ist es nicht mehr weit her. «Du redest wie ein Roboter», sagt meine innere Kritikerin zu meiner inneren Perfektionistin. «Allein wegen des komplizierten Namens sollten diese Gifte vom Markt genommen werden», schnaube ich entnervt. Ein guter Grund für ein Verbot, ja, aber es gibt noch viel bessere, denn Neonicotinoide sind hochwirksame Nervengifte. Seit Jahrzehnten weisen Forschende auf ihre zentrale Rolle beim Bienensterben hin. Aber wen kümmert das Gesülze um Biene Maja und die Artenvielfalt, wenn Wichtigeres auf dem Spiel steht: – «Money, money, money, …»  

«… must be funny! …»

2018 erzielten Syngenta, Bayer und Co. sagenhafte 1,3 Milliarden Dollar oder 10% ihrer Umsätze mit diesen «Bienenkiller»-Pestiziden. Zwar verbannten die EU und auch die Schweiz im selben Jahr die drei gefährlichsten Substanzen dieser Chemikalienklasse mit dem unaussprechlichen Namen von ihren Feldern. Den Rest der Welt aber dürfen die Agrochemiekonzerne weiterhin damit vergiften, was sie frischfröhlich tun: Eine Recherche von Public Eye ergab, dass sie von September bis Dezember 2020 mindestens 3900 Tonnen Neonicotinoide aus der EU exportiert haben. Diese Menge reicht aus, um zwanzig Millionen Hektar Kulturland einzunebeln – und 100 Billiarden, (also 100’000’000‘000’000’000!), Bienen zu liquidieren,  so die schockierende Berechnung der Zeitung Le Monde. Syngenta allein belieferte Brasilien, Russland und Kenia mit 3500 Tonnen dieser Insektizide, und hält damit den unangefochtenen ersten Rang unter den Bienenvernichtern. Mit grossem Abstand folgen die deutschen Konkurrenten Bayer und BASF.

Aus der Syngenta-Broschüre «Operation Pollinator: Positive Action for Pollinators».

«… in the rich men’s world.»

Eingefleischte Tiger-Wood-Fans würden die Raffinesse des Schlags sofort erkennen: Dass Syngenta die Bienen sehr wohl am Herzen liegen, stellt der Konzern auf dem Golfplatz unter Beweis! Der Basler Konzern verkauft den zahlungskräftigen Kunden in den USA nicht nur eine breite Palette von Produkten zur Rasenpflege (etwa das treffend benannte Prosperity Forte), nein, Syngenta unterstützt die Golfplatzmanager auch grossmütig dabei, «erfolgreich einen attraktiven Wildblumenlebensraum für Hummeln und andere Bestäuber einzurichten und zu unterhalten». Man gönnt der Bienentruppe gerne ihr kleines buntes Reservat, solange sie sich von den Hintern der Geschäftsleute fernhält.

Natürlich wird die Blütenpracht auch ordentlich propagandistisch ausgeschlachtet. Zwischen Schaufel und Rechen werden die Greenkeeper aufgefordert, «die bereitgestellten Kommunikationsmittel zu nutzen», um über die «Operation Pollinator» (so heisst das prestigeträchtige Syngentaprojekt) zu berichten und zu erklären, wie diese Bestäuber fördert und gleichzeitig «die Optik des Platzes aufwertet und das Gesamterlebnis der Spielenden verbessert». «Positive Publicity» für den Golfplatz inklusive. Nebenbei dürfte auch Syngenta von der Gratiswerbung profitieren – zwei Bien… äh Fliegen auf einen Schlag.  Jenseits von gepflegten Golfoasen sieht die Realität wenig blumig aus. Laut einer Studie von 2019 ist die gesamte Agrarlandschaft in den USA mittlerweile 48-mal giftiger für Bienen als noch vor 25 Jahren. Das ist fast ausschliesslich auf den massiven Einsatz von Neonicotinoiden zurückzuführen, die sich in Böden und Pflanzen anreichern. Bienen, Schmetterlinge und andere Nützlinge werden so ausgerechnet von jenen Pflanzen vergiftet, die ihnen seit jeher als Nahrung dienen.

In Honig ertränkt  

Syngentas CEO Erik Fyrwald lässt sich von solch betrüblichen Fakten nicht beirren. Er hält die schädlichen Auswirkungen der Neonicotinoide auf Bienenvölker im Vergleich zu anderen Faktoren wie der Varroa-Milbe oder schlechtem Wetter für «sehr gering». Da aber kein noch so makelloser Golfplatzrasenüber das fehlende Summen der Insekten hinwegtäuschen kann, versucht sich der Chemiekonzern sogar als Imker. Er besitzt «100’000 Bienenstöcke, davon 10’000 in Frankreich. Auf dem Etikett des [...] in der Getreideebene von Versailles gewonnenen Honigs steht Syngenta.»

Enthält wohl auch dieser exquisite Nektar Neonicotinoid-Rückstände, wie 75% des Honigs, der weltweit verzehrt wird? Am Fortune-Global-500-Summit, wo sich die CEOs der reichsten Unternehmen gegenseitig auf die Schulter klopfen, hätten wir gerne gesehen, wie sich Erik Fyrwald ein ordentlich mit Syngenta-Honig bestrichenes Brot in den Mund schiebt.

«Insekten sind unsere Freunde, man muss sie einfach lieben...»

Während ich diese Zeilen schreibe, muss ich an mein Lieblingslied der französischen Comedytruppe Les Inconnus denken. Syngenta hat daraus eine düstere Parodie gemacht. «Uns liegt die Gesundheit der Bienen sehr am Herzen», lassen Syngentas CEO ebenso wie die Twitter- und Youtube-Accounts seines Unternehmens im Chor verlauten. Seien wir nicht naiv: von den Agrochemiekonzernen zu erwarten, dass sie die Bienen retten, ist in etwa so realistisch wie das Versprechen einer «rauchfreien Welt» durch die Zigarettenhersteller, die angeblich unsere Lungen schützen wollen. Den Trick mit den Nebelpetarden haben die Pestizidkonzerne übrigens von «Big Tabacco» abgeschaut. Wie ihr Name nahelegt, sind Neonicotinoide chemisch eng mit jenem Stoff verwandt, der im 20. Jahrhundert eine ebenso märchenhafte wie verheerende Erfolgsstory hinlegte: dem Nikotin.

«Mit zartem Herzen, aber spitzer Feder setze ich mir gerne eine Clownsnase auf und mime Hochstapler, um sie zu entlarven.»

Géraldine Viret, spezialisiert auf vergleichende Literaturwissenschaft und Unternehmenskommunikation, arbeitet seit fast zehn Jahren als Medienverantwortliche und Redakteurin für Public Eye. Viel Geduld und ein gewisses Mass an Ironie sind unabdingbar, um sich auch bei starkem Gegenwind für eine gerechtere Welt einzusetzen.

Kontakt: geraldine.viret@publiceye.ch
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Dieser Text ist eine Übersetzung des französischen Originaltextes.

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