Die gravierendsten Probleme im Anbau und Handel mit Agrarrohstoffen
Die Probleme im Sektor sind vielfältig und meist gut dokumentiert. Zu den häufigsten und schwerwiegendsten Problemen gehören nicht existenzsichernde Einkommen und Löhne, Zwangs- und Kinderarbeit, Gesundheits- und Sicherheitsrisiken oder die Zerstörung der Lebensgrundlagen durch Abholzung und Landraub.
Hilal Elver, frühere UNO-Sonderberichterstatterin für das Recht auf Nahrung (im Amt bis April 2020) erklärt: «Landwirtschaftsarbeiter, einschliesslich Frauen, Kindern und Migranten sowie Plantagenarbeitern, sind zunehmend mit niedrigen Löhnen, Teilzeitarbeit, informellen Beschäftigungsverhältnissen und fehlendem sozialem und wirtschaftlichem Schutz konfrontiert. Ausserdem leiden sie unter gefährlichen Arbeitsbedingungen, da sie regelmässig Pestiziden ausgesetzt sind und lange Stunden arbeiten müssen, bei extremen Temperaturen und ohne ausreichenden Zugang zu Trinkwasser». Auch selbständige Kleinbäuerinnen, die Exportprodukte für den Weltmarkt anbauen, wie z.B. Kakao oder Kaffee, verdienen oft weit unter dem Existenzminimum. Die geringen Einkommen der Produzierenden führen in vielen Fällen zu Menschenrechtsverletzungen, da sich diese gezwungen sehen ihre Kosten zu senken, und Kinder arbeiten zu lassen oder auf Sicherheitsvorkehrungen am Arbeitsplatz zu verzichten.
Neben diesen Verstössen werden im Anbau von Agrarrohstoffen häufig auch andere schwerwiegende Probleme dokumentiert wie z.B. die Ausbeutung von Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten, Menschenhandel, Umweltverschmutzung, anbauspezifische Krankheiten wie die Green Tobacco Sickness, eine Art der Nikotinvergiftung, sowie genderspezifische Diskriminierung und Gewalt. Frauen sind überproportional von genderspezifischer Diskriminierung betroffen, die oft mit mehreren anderen Formen der Diskriminierung einhergeht. Im Allgemeinen leiden sie noch stärker unter niedrigen Löhnen als Männer und sind in unbezahlten, saisonalen Jobs und Teilzeitbeschäftigungen überrepräsentiert. Darüber hinaus sind sie in der Regel in Bezug auf Grundbesitz benachteiligt und haben daher wenig Zugang oder Kontrolle über die Produktionsmittel (Saatgut, Finanzen, Technologien und Marktzugang). Obwohl schwieriger zu identifizieren und nachzuweisen sind die Risiken für Steuerhinterziehung, Korruption und Geschäfte mit politisch exponierten Personen auch im Agrarrohstoffhandel hoch.
Führende Unternehmen aber auch politische Entscheidungsträger schweigen weitgehend über diese wiederholten Menschenrechtsverletzungen in der Branche. Der Agrarrohstoffsektor und die Geschäftsmodelle der Händler müssen daher dringend genauer unter die Lupe genommen werden.