Lebensmittel-Konsum: Was Sie tun können
Individuelle Konsumentscheide sind - insbesondere wenn diese Lebensmittel betreffen - alles andere als einfach und meist gibt es keine ganz zufriedenstellende Lösung. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass jeweils sehr viele verschiedene Faktoren (Ökobilanz, Produktionsbedingungen, etc.) in die Entscheidung miteinbezogen und gegeneinander abgewogen werden müssen. Ob Sie ein Bio-Produkt aus Übersee oder ein konventionelles Produkt aus der Schweiz als besser einstufen, hängt auch damit zusammen, ob Ihnen die Ökobilanz des Produktes, die lokalen Produktionsbedingungen oder andere Faktoren wichtiger sind.
Es braucht politisches Engagement
Das individuelle Konsumverhalten ist wichtig, und es macht einen Unterschied, wenn Sie sich dazu Gedanken machen und möglichst fair und nachhaltig einkaufen. Nebst dem individuellen Einkaufsverhalten spielt es aber vor allem eine entscheidende Rolle, dass wir uns als Gesellschaft und als Bürgerinnen und Bürger engagieren, denn oft ist nicht ein einzelnes Produkt (der Kakao, die Banane, etc.) problematisch, sondern das System dahinter, sprich die globale Nahrungsmittelindustrie. Wenige Konzerne dominieren diese globalen Wertschöpfungsketten und verfügen über ungleich mehr Macht als lokale Produzierende oder Lohnarbeiterinnen.
Die Verantwortung kann also nicht allein bei den Konsumierenden liegen.
Um die strukturellen Probleme entlang der Wertschöpfungsketten anzugehen, braucht es systemische Ansätze.
Public Eye setzt sich deshalb ein für politische Lösungen wie z.B. die Konzernverantwortungsinitiative oder das Gesetz über die öffentliche Beschaffung, das neu stärkere soziale und ökologische Kriterien beinhaltet. Deshalb empfehlen wir Ihnen auch, Menschen in Ihrem Umfeld anzusprechen, Fragen rund um nachhaltigen Konsum zu diskutieren und dafür zu sensibilisieren. Engagieren Sie sich für nachhaltige Lokalprojekte in Ihrem Quartier, Ihrer Stadt, und bei Abstimmungen an der Urne.
Tipps für individuelle Konsumentscheide
Für Ihre individuellen Konsumentscheide im Lebensmittelbereich können wir Ihnen folgende Ratschläge mit auf dem Weg geben:
Beim Einkauf kritische Fragen stellen und sich auch kritisch mit dem eigenen Einkaufsverhalten auseinandersetzen (z.B. Konsumreduktion von umstrittenen Produkten oder gar Verzicht). Klären Sie für sich, welche Aspekte (Ökologie, Regionalität, soziale Herstellungsbedingungen etc.) Ihnen wichtig sind und wo Sie die Akzente setzen wollen.
Zu 100% nachhaltig zu konsumieren ist in unserem globalen und industrialisierten Ernährungssystem kaum möglich, aber es gibt wichtige Stellschrauben, die Sie in Ihrem täglichen Einkauf stellen können:
- Lokale, saisonale und wenig verarbeitete Produkte wählen.
- Produkte in Bio-Qualität sowie aus einer kleinräumigen und agrarökologischen Landwirtschaft bevorzugen und solche aus industrieller Massenproduktion vermeiden.
- Statt klassischen Supermärkten bevorzugt Direktvermarktung und kleinere Anbieter wie Weltläden, Wochenmärkte, Produkte ab Bauernhof, Gemüseabos, Unverpackt-Läden, Ässbar etc. berücksichtigen.
- Bei Import-Produkten fair gehandelte Erzeugnisse bevorzugen und darauf achten, dass diese nicht im Gewächshaus produziert und nicht per Flugzeug transportiert wurden.
- Wenig oder kein Fleisch essen, saisonale vegetarische und vegane Mahlzeiten einplanen.
- Unverpackte Produkte oder alternativ Produkte in Mehrweg- oder in rezyklierbaren Verpackungen bevorzugen.
- Kein Flaschenwasser kaufen – Leitungswasser ist hierzulande von sehr guter Qualität, kommt ohne Pet-Flaschen und aufwändige Abfüll- und Transportprozesse aus und ist daher viel ökologischer.
- Generell den Einkauf gut planen und nur soviel einkaufen, wie auch verbraucht wird, um Foodwaste zu vermeiden. Foodwaste verschärft unsere globalen Probleme in vielerlei Dimensionen (Hunger, Klima, Monokulturen etc.).
- Zu guter Letzt: Nehmen Sie sich nicht zu viel auf einmal vor und verzweifeln Sie nicht daran, dass Sie in aller Regel nicht 100% konsequent sein können und Kompromisse eingehen müssen. Wichtiger als vollumfänglich «korrekt» einzukaufen ist es, dass Sie langfristig und konsequent kleine Schritte tun und sich dahingehend auch auf der politischen Ebene engagieren.
Labels im Bereich Lebensmittel
Ein Label, das eine umfassend sozial- und umweltverträgliche Herstellung garantiert, gibt es bisher nicht – weder für Landwirtschaftsprodukte wie Kakao noch andere Produkte wie Kleider. Im Sozialbereich mit Garantien zu arbeiten ist anspruchsvoll, denn durch kurze, punktuelle Kontrollen (sogenannte Audits) lässt sich die Arbeitsrealität der Produzierenden kaum korrekt abbilden. Viel wichtiger ist es, dass die Unternehmen langfristig ihre Geschäftspolitik anpassen und dass eng mit lokalen Gewerkschaften und NGOs auf den Respekt der Menschenrechte und Umwelt hingearbeitet wird.
Zudem decken Labels meist nur einen kleinen Teil der gesamten Produktion der jeweiligen Firmen ab. Wenn ein Unternehmen kleine Teilsortimente mit höheren Sozial- und Umweltstandards anbietet, den Hauptteil der verkauften Waren aber konventionell laufen lässt, nützt dies wenig. Echte Nachhaltigkeit kann es nur geben, wenn Unternehmen sich bezogen auf ihre gesamte Produktepalette engagieren und existenzsichernde Löhne und Einkommen sowie andere Faktoren sozialer Nachhaltigkeit zu integralen Bestandteilen des Geschäftsmodells werden.
Labels können für Konsumierende dennoch eine Orientierungshilfe sein, sofern man sich der Grenzen bewusst ist. Jedes Label deckt nur einzelne Produktionsaspekte ab, es gibt grosse Unterschiede in Ausgestaltung und Glaubwürdigkeit und der effektive Mehrwert ist teils sehr umstritten. Immer wieder werden Studien veröffentlicht, die aufzeigen, dass auch zertifizierte Bäuerinnen und Bauern keine existenzsichernden Preise für ihre Produkte erhalten und sich kaum aus der Armut befreien können.
Hinterfragen Sie, welche Aspekte ein Label abdeckt und was die Prüfmechanismen sind
Unabhängig überprüfte Produkte-Labels sind glaubwürdiger als firmeneigene Labels. Solche firmeneigenen Labels oder Branchenstandards zeichnen sich oft durch wenig ambitionierte Zielsetzungen, unwirksame Kontrollen und fehlende Sanktionsmechanismen aus.
Das VOICE-Netzwerk, welches sich für bessere Arbeitsbedingungen im Kakaoanbau stark macht, anerkennt gewisse Verbesserungen durch Zertifizierungen. Allerdings reichen diese bei weitem nicht aus, um den Kakaoanbau sozial und ökologisch nachhaltig zu gestalten und beispielsweise Kinderarbeit zu verhindern und existenzsichernde Einkommen zu garantieren (VOICE-Positionspapier zu Zertifizierungen).
Lesen Sie auch unseren Labelguide zu Textilien.