Die Abacha-Gelder
Schon kurz nachdem die Abacha-Konten eingefroren wurden, verlangte Public Eye im Jahr 2000 die Rückgabe der Gelder an die nigerianische Bevölkerung. Es dauerte aber bis zum Februar 2005, bis das Bundesgericht abschliessend über ihren Einzug entschied und den Weg für die Rückgabe frei machte. Obwohl sich Public Eye gemeinsam mit nigerianischen Organisationen für Rückgabemodalitäten eingesetzt hatte, bei denen die Verwendung der Gelder zu Gunsten der nigerianischen Bevölkerung im Vorfeld festgelegt und überwacht worden wäre, erfolgte die Rückgabe ohne solche Leitplanken. Immerhin willigten beide Länder in ein nachträgliches Monitoring durch die Weltbank ein, die NGOs führten zudem eine eigene Untersuchung durch.
Eine lange und verkorkste Rückgabe
Beide Berichte, derjenige der Weltbank und derjenige der NGO-Koalition, zeigten grosse Unregelmässigkeiten: Ein Teil der Gelder wurde Entwicklungsprojekten zugeschrieben, die zum Zeitpunkt der Restitution bereits abgeschlossen waren oder gar nicht existierten. Andere waren bereits aufgegeben worden oder erfüllten nie den vorgesehenen Zweck, zudem wurden sie meist von der Zentralregierung geplant, ohne die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung zu berücksichtigen.
Immerhin wurde der Abacha-Fall dank des Einsatzes der schweizerisch-nigerianischen NGO-Koalition zum Wendepunkt bei der Rückgabe von Potentatengeldern durch Schweizer Behörden. Seither ist es die offizielle Politik der Schweiz, bei der Rückgabe von Geldern die Verwendung viel früher zu thematisieren und gewisse Garantien zu verlangen. Es hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass nur so verhindert werden kann, dass zurückgeführte Gelder erneut in den Taschen derjenigen landen, die sie der Bevölkerung geraubt haben oder von deren Umfeld oder NachfolgerInnen erneut veruntreut werden. Auch bemüht sich die Schweiz, die Zivilgesellschaft der Herkunftsländer in den Entscheid über die Verwendung der Gelder und in die Überwachung der Rückgabe einzubeziehen.
Lücken im Geldwäschereigesetz
Im Jahr 2000 untersuchte die Eidgenössische Bankenkommission (EBK), die Vorgängerorganisation der Finanzmarktaufsicht FINMA, die Rolle von 19 Banken im Abacha-Skandal. Der veröffentlichte Bericht tellte dem Finanzplatz Schweiz ein vernichtendes Zeugnis aus. Sechs Banken versagten völlig bei der Wahrnehmung ihrer Sorgfaltspflichten, sechs weitere hatten gravierende Mängel in den Prozessen oder schweres individuelles Fehlverhalten aufzuweisen. In der Folge dieses Befundes wurde das Geldwäscherei-Dispositiv angepasst und die Kontrollen wurden verschärft. Für Public Eye gingen aber auch diese Reformen zu wenig weit, um Potentatengelder effektiv vom Schweizer Finanzplatz fernzuhalten. 2011 zeigte die Blockierung von einer Milliarde Franken nach dem Sturz der Diktatoren im arabischen Frühling, dass diese Einschätzung richtig war.
Die Geschichte wiederholt sich
Die Rückgabe der eingezogenen Gelder von 2005 bedeute nicht das Ende der Abacha-Affäre. Seit 1999 blieb ein Teil der Gelder der Abacha-Familie – ca. 350 Millionen Dollar in verschiedenen Ländern, und namentlich in Luxemburg blockiert, dies aufgrund eines Verfahrens, dass die Staatsanwaltschaft Genf gegen die Söhne Sani Abachas eingeleitet hatte. Dieses endlos in die Länge gezogene Verfahren erlitt zahlreiche Rückschläge. Ein erster Versuch der Genfer Behörden, die Gelder einzuziehen, erlitt 2014 vor dem Bundesgericht Schiffbruch. Im März 2015 enthüllte die Presse eine gütliche Einigung zwischen Nigeria und der Abacha-Familie, die den Weg für die Rückgabe der in Luxemburg blockierten Gelder frei machte. Diese Einigung wurde von der Genfer Justiz gutgeheissen, die damit einen Schlussstrich unter die noch offenen Verfahren in der Schweiz ziehen wollte.
Ein skandalöses Abkommen
Diese unter grösster Geheimhaltung beschlossene Einigung ist mehr als problematisch. Zuallererst enthält sie keinerlei Bestimmungen über die Modalitäten der Rückgabe und die Verwendung der Gelder, sie werden ganz einfach nach Nigeria überwiesen, ohne dass im Mindesten sichergestellt wird, dass sie der Bevölkerung zugute kommen. Dieses Vorgehen steht im krassen Widerspruch zur gängigen Praxis in der Schweiz. Die Genfer Strafbehörden schliessen ein lange laufendes Verfahren, ohne dass die Verantwortlichen für die Veruntreuung dieser Gelder verurteilt worden wären. Dies zeigt, dass die Schweizer Gesetze immer noch nicht genug wirksam sind, um sicherzustellen, dass die Verantwortlichen bestraft und die geschädigte Bevölkerung von der Rückführung profitiert.