Banken, Immobilien und ein Anwalt Banken, Immobilien und ein Anwalt: die «Swiss Connection» des libanesischen Ex-Notenbankchefs

Seit Ende September befindet sich der Libanon in der Hölle des Krieges und ist Ziel schwerer israelischer Bombenangriffe, die auch die Zivilbevölkerung treffen. Diese leidet seit langem unter der korrupten Staatsführung. Der Fall Riad Salameh ist ein gutes Beispiel dafür. Salameh war bis 2023 Chef der libanesischen Notenbank (BDL) und steht im Mittelpunkt einer internationalen Untersuchung, deren Epizentrum in der Schweiz liegt. Er wird verdächtigt, fast 330 Millionen US-Dollar zum Nachteil der BDL veruntreut zu haben. Das Geld landete bei der HSBC Private Bank (Suisse) SA in Genf. Wie unsere Untersuchung dokumentiert, ermöglichte ihm ein Teil dieser Gelder den Kauf von zwei Bürogebäuden am Genfersee. Um diese Käufe zu tätigen, nahm Riad Salameh die Dienste eines Genfer Anwalts in Anspruch.

Die Anhörung fand im Frühjahr 2022 in Beirut statt. An diesem Tag empfängt der libanesische Staatsanwalt Jean Tannous in seinem Büro den libanesischen Anwalt Marwan Issa El Khoury, der den hochsensiblen Fall, mit dem er betraut ist, voranbringen kann. Tannous ermittelt zu diesem Zeitpunkt gegen Riad Salameh, von 1993 bis Juli 2023 allmächtiger Gouverneur der libanesischen Zentralbank. Heute steht dieser im Zentrum einer umfassenden Untersuchung und wird der Veruntreuung öffentlicher Gelder beschuldigt. Anfang September 2024 wurde er im Libanon festgenommen.

Die Aussage von Issa El Khoury interessiert Tannous an jenem Tag in mehrfacher Hinsicht, da der Anwalt eine führende Rolle dabei spielte, dem wichtigsten Banker des Landes und seinem jüngeren Bruder Raja sowie deren engstem Umfeld dabei zu helfen, legale Rechtskonstrukte zu schaffen, um mit Geldern mutmasslich unrechtmässiger Herkunft in mehreren europäischen Ländern ein Immobilienvermögen aufzubauen. Als Neffe der beiden Brüder kennt El Khoury ausserdem den Salameh-Clan von innen. So schlüpfte er abwechselnd in die Rolle des Verteidigers und des Vermittlers von Briefkastenfirmen, mit denen Transaktionen verdeckt und die wirtschaftlich Berechtigten vertuscht werden konnten.

Seine Aussage – die Public Eye dank zusätzlichen Dokumenten ergänzen konnte – beleuchtet die Hintergründe von Investitionen in Immobilien in Belgien, Deutschland, den USA, Grossbritannien und der Schweiz, die über ein hochkomplexes Netzwerk von Offshore-Firmen erfolgten, die er gegründet und/oder verwaltet hat. Dieses Immobilienvermögen konnte von der Justiz erst identifiziert werden, nachdem Staatsanwalt Tannous in den Büroräumlichkeiten von Riad Salamehs Bruder in Beirut die gesamten Unterlagen zu diesen verschiedenen Körperschaften beschlagnahmt hatte.

Es überrascht kaum, dass die Schweiz bei diesen Konstrukten eine zentrale Rolle spielt. Hier nahm die weitverzweigte Salameh-Affäre, über die zahlreiche ausländische Medien berichteten, vor fast vier Jahren ihren Anfang.

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Riad Salameh, bei seiner Verabschiedung nach 30 Jahren Amtszeit im Gebäude der libanesischen Zentralbank in Beirut, 2023.

Das riesige Offshore-Vermögen des Notenbankchefs

Alles beginnt im August 2020. Das internationale Journalist*innennetzwerk OCCRP (Organized Crime & Corruption Reporting Project) veröffentlicht zusammen mit dem libanesischen unabhängigen Online-Medium «Daraj» eine umfangreiche Recherche über Riad Salameh: «Der Offshore-Gouverneur des Libanon». Die Journalist*innen enthüllen, wie Salameh und seine engsten Vertrauten sich hinter einem Netzwerk von Offshore-Firmen versteckten, um ihr immenses Vermögen zu vermehren und in mehreren Ländern zu investieren. Und sie nennen die Namen einiger der Gesellschaften, die ihre Konten in der Schweiz haben.

Mehrere Schweizer Banken, darunter die HSBC Private Bank (Suisse) SA, Julius Bär und Pictet, die jahrzehntelang einen bedeutenden Teil des Vermögens des Salameh-Clans beherbergt hatten, erwachen daraufhin und erstatten eine Verdachtsmeldung bei der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS). Die Beamt*innen in Bern stossen mit einiger Verblüffung auf eine gross angelegte Veruntreuung von Geldern zum Nachteil der libanesischen Zentralbank, gekoppelt an eine Geldwäschereimaschinerie, die hauptsächlich über die Schweiz läuft. Im Oktober 2020 eröffnet die Bundesanwaltschaft (BA) eine Untersuchung gegen Riad und Raja Salameh wegen Verdachts auf schwere Geldwäscherei; sie ist bis heute nicht abgeschlossen. Hauptsächlich aufgrund der von Bern übermittelten Bankunterlagen werden Verfahren im Libanon, in Belgien, Frankreich, Grossbritannien, Deutschland, Luxemburg und Monaco eingeleitet. Für die beiden Brüder gilt die Unschuldsvermutung.

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Als Anfang 2021 eine libanesische Zeitung die Einleitung dieser Ermittlung in der Schweiz publik macht, schlägt diese wie eine Bombe ein. Der Libanon, heute am Rand eines Krieges mit Israel, befand sich damals in einer verheerenden Wirtschaftskrise. 2019 bricht die Landeswährung zusammen, die zuvor jahrelang künstlich auf einem hohen Wechselkurs gegenüber dem Dollar gehalten worden war. Die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch, unzähligen Menschen mit Ersparnissen wird der Zugang zu ihren Fremdwährungskonten verwehrt. Doch einem Teil der libanesischen Elite gelingt es, rechtzeitig Geld ins Ausland zu transferieren. Auf den Demonstrationen wird Riad Salameh, der einst als Finanzgenie galt, ausgebuht und beschuldigt, an dieser Misswirtschaft beteiligt gewesen zu sein und sich vor dem Hintergrund der endemischen Korruption bereichert zu haben.

Die Schweiz – ein Drehkreuz für Salameh-Gelder

Im April 2021 berichtet die Westschweizer Tageszeitung «Le Temps», die sich das Rechtshilfeersuchen der Schweizer Justiz an die libanesischen Behörden beschafft hat, über den Fluss verdächtiger Gelder zwischen dem Libanon und der Schweiz. Dieses Bild konnten wir aufgrund zusätzlicher Dokumente vervollständigen.

Es ist inzwischen erwiesen, dass zwischen April 2002 und März 2015 in über 300 Transaktionen fast 330 Millionen US-Dollar von einem Konto der libanesischen Zentralbank an die HSBC Private Bank (Suisse) in Genf überwiesen wurden. Die Gelder gingen auf dem Konto von Forry Associates ein, einer kleinen, in Tortola auf den Britischen Jungferninseln registrierten Offshore-Firma.

Offiziell war Raja Salameh, der Bruder des Zentralbankchefs, der wirtschaftlich Berechtigte dieses Unternehmens. Forry Associates hatte eine Goldgrube gefunden: Aufgrund eines von Riad Salameh unterzeichneten Vertrags aus dem Jahr 2002 ist die Firma berechtigt, von der libanesischen Zentralbank ausgestellte Schatzanweisungen und Eurobonds auf dem lokalen Markt (hauptsächlich an Banken) zu verkaufen. Dies war ihr einziges Mandat als Broker. Dafür wurde sie von der Zentralbank mit «Provisionen und Gebühren» entschädigt. Wie die Ermittler*innen feststellen konnten, hat die kleine Firma trotz eines Umsatzes von durchschnittlich 30 Millionen US-Dollar pro Jahr weder Personal noch ein Büro, und der Charakter ihres Bankkontos entspricht nicht dem eines operativ tätigen Unternehmens. Es scheint sich vielmehr um ein Durchlaufkonto zu handeln.

Diese Tatsachen zeigen, wie leichtfertig mehrere Schweizer Bankinstitute die Millionen der Salameh-Brüder – zwei politisch exponierte Personen (PEP), die einer verstärkten Sorgfaltspflicht unterliegen müssten – entgegengenommen haben. Die Finanzmarktaufsicht (FINMA) hat die HSBC Private Bank (Suisse) in Genf im Juni 2024 wegen «Verstössen gegen Geldwäschereiregeln» im Zusammenhang mit der Salameh-Affäre angeprangert. 

Von den rund 330 Millionen US-Dollar, die bei der HSBC Private Bank (Suisse) SA zugunsten von Forry Associates eingingen, wurden insgesamt 248 Millionen US-Dollar auf die Konten von Raja Salameh bei der gleichen Bank überwiesen. Davon flossen 207 Millionen mit dem Vermerk «persönliche Ausgaben» auf Konten von Raja Salameh bei vier Banken im Libanon. Doch damit nicht genug: Raja Salameh zahlte auch Millionen an mehrere Unternehmen, die von seinem Bruder, Notenbanker Riad Salameh, kontrolliert wurden. Diese Körperschaften, von denen die meisten Konten in der Schweiz hatten, erhielten auch Gelder direkt von Forry Associates. Insgesamt sollen der Zentralbankchef und seine Offshore-Strukturen laut den eingesehenen Gerichtsdokumenten – direkt oder indirekt von Forry Associates – mehr als 26 Millionen US-Dollar, über 9,2 Millionen Euro und 5,3 Millionen Franken erhalten haben.

Riad Salameh beteuerte immer wieder seine Unschuld und erklärte, dass sein Vermögen hauptsächlich aus der doch recht weit zurückliegenden Zeit (1973–1993) stammt, in der er Banker bei Merrill Lynch war. Mit dem Geld, das er von Forry Associates - direkt oder über seinen Bruder - erhalten hat, soll Letzterer Schulden beglichen haben, die er bei ihm hatte. Seine Verteidiger behaupten ausserdem, dass keine Gelder der Zentralbank eingesetzt worden seien. Gemäss Riad Saladeh sollen die Provisionen von den Finanzinstituten, welche die Schatzanweisungen und Eurobonds kauften, an Forry Associates bezahlt und auf ein von der Zentralbank zu diesem Zweck eingerichtetes Konto überwiesen worden sein. Laut unseren Informationen überzeugten jedoch die lückenhaften Belege, welche die Zentralbank zur Untermauerung dieser Version vorlegte, die Ermittler*innen mehrerer europäischer Länder nicht. Diese deckten einen Strom verschlungener Geldflüsse auf, die ihrer Meinung nach ein klarer Hinweis auf Geldwäscherei sind.

Mehrere der Firmen, die Riad Salameh nutzte, um Gelder von Forry Associates zu erhalten, waren Gesellschaften schweizerischen Rechts. Hier kommt die vermittelnde Rolle der Anwält*innen ins Spiel.

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Anwält*innen gründen Firmen in Genf

Riad Salameh wurde im Libanon auf Ersuchen der Justiz mehrerer europäischer Länder angehört und gestand, der wirtschaftlich Berechtigte eines Unternehmens namens SI 2 SA zu sein. Diese nach wie vor aktive Genfer Firma wird von seinem Neffen, Rechtsanwalt Issa El Khoury, von Beirut aus präsidiert. Ein Partner einer Genfer Anwaltskanzlei hatte die SI 2 SA im Oktober 2010 registriert und ist noch immer ihr Geschäftsleiter. Das Gründungskapital der Gesellschaft von 100'000 Franken wurde damals in bar bezahlt, wie aus dem Dossier hervorgeht, das wir beim Genfer Handelsregisteramt eingesehen haben. Ihr Zweck: «Erwerben und Halten von Beteiligungen an Gesellschaften, insbesondere im Immobilienbereich».

Die Schweizer Ermittlungen ergaben, dass der SI 2 SA, die ihre Konten bei der EFG Bank in Zürich hatte, zwischen 2011 und 2015 fast 7 Millionen Franken gutgeschrieben wurden, die entweder direkt oder indirekt von den Konten von Forry Associates bei HSBC Private Bank (Suisse) SA stammten.

Damit war der Geldstrom noch lange nicht zu Ende. So erhielt beispielsweise die nach eigenen Aussagen ebenfalls von Riad Salameh kontrollierte Westlake Commercial in Panama zwischen 2008 und 2011 in 13 Transaktionen über 7 Millionen Dollar von Forry Associates auf ihr Konto bei der Privatbank Julius Bär in Zürich. Im Herbst 2011 überwies Westlake Commercial 1,6 Millionen Franken an die SI 2 SA mit dem Vermerk «Investition in Handelsimmobilie». Der Gesellschaft wurden zwischen 2011 und 2013 zudem rund 5,3 Millionen Franken von Forry Associates und Rajas Privatkonto bei der HSBC Private Bank (Suisse) SA gutgeschrieben, jeweils mit dem Vermerk: «Investition in Immobilien». 

Im August 2019 hat die SI 2 SA ausserdem 7,3 Millionen Franken an eine andere Genfer Firma überwiesen, die Red Street 10 SA, die ihre Konten bei der UBS hatte. Die Schweizer Ermittler*innen waren der Ansicht, dass die Transaktionen zwischen Forry Associates, Westlake Commercial, SI 2 SA und Red Street 10 SA offenbar nur dazu dienten, den tatsächlichen wirtschaftlichen Berechtigten der Transaktion zu verbergen: Riad Salameh.

Wie wir belegen konnten, stand tatsächlich der Ex-Notenbankchef hinter der Red Street 10 SA, die zu 100% im Besitz der SI 2 SA ist. In Beirut befinden sich die Räumlichkeiten der libanesischen Zentralbank in der Hamra-Strasse, was «rote Strasse» oder auf Englisch «red street» bedeutet. Auch bei dieser Firma stossen wir wieder auf denselben Genfer Anwalt. Im September 2008 wurde dieser zum alleinigen Verwalter der Red Street 10 SA, die bis zum Frühjahr 2020 eine Gesellschaft mit sogenannten Inhaberaktien war, das heisst anonym von einem Aktionär gehalten werden konnte.  Ein völlig undurchsichtiges System, das die Schweiz auf Druck der Financial Action Task Force kurz zuvor abgeschafft hatte.

© Getty/Anwar Amro/AFP

Zwei Bürogebäude in Rolle und Morges

Wozu dienten all die Transaktionen? Wir haben herausgefunden, dass die 7,3 Millionen Franken, die im August 2019 von SI 2 SA an Red Street 10 SA überwiesen wurden, es Letzterer – und damit ihrem wirtschaftlich Berechtigten Riad Salameh – ermöglichten, ein Gebäude in Rolle im Kanton Waadt im Gesamtwert von fast 17 Millionen Franken zu erwerben. Um diesen Kauf zu realisieren, erhielt Salameh auch ein Darlehen in Höhe von 10,2 Millionen Franken von der UBS, wo Red Street 10 SA seit 2008 seine Konten hatte. Es handelt sich um ein Bürogebäude an der Route de Gilly, das derzeit den europäischen Hauptsitz eines US-amerikanischen Chemieunternehmens beherbergt.  Dieser Kauf erfolgte nur wenige Monate bevor Hunderttausende libanesische Sparer*innen durch die verheerende Finanzkrise in die Armut getrieben wurden.

© Screenshot Google Street View 2024
Das Gebäude in Rolle wird 2019 gekauft.

Die Spuren von Red Street 10 SA finden sich auch im Industriegebiet von Morges. Gemäss Grundbuch erwarb die Gesellschaft im Oktober 2008 – also einen Monat, nachdem der Genfer Anwalt zum Verwalter der Gesellschaft wurde – eine Immobilie von 1129 Quadratmeter Fläche in der Rue de Lausanne. Vor Ort zeigt sich, dass das vierstöckige, ziemlich in die Jahre gekommene Gebäude Büros beherbergt, die von mehreren Unternehmen gemietet werden. Einer der Mieter bestätigt Public Eye, dass der Name Red Street 10 SA auf seinem Mietvertrag steht, er die natürliche Person hinter dem Unternehmen aber nicht kennt. 

Das Grundbuchamt des Kantons Waadt bestätigt, dass die Red Street 10 SA noch immer Eigentümerin der beiden Immobilien ist. Unseren Informationen zufolge haben die Immobilien Riad Salameh in den Jahren 2019 und 2020 Mieteinnahmen von 380'000 Franken und seither von 760'000 Franken eingebracht. Gerichtsdokumente lassen vermuten, dass Riad Salamé wohl auch in ein Immobilienprojekt in Biel investiert hat.  

Eine mit dem Fall vertraute Quelle erläutert, dass der ehemalige Chef der libanesischen Zentralbank es in der Schweiz im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern vorzog, «in Gewerbeimmobilien zu investieren, da es sich um eine gewerbliche Rendite ohne die bei Wohngebäuden geltenden mietrechtlichen Auflagen handelt».

© Public Eye / Agathe Duparc
Das Bürogebäude in Morges.

Ein Genfer Immobilienmakler und mysteriöse Transaktionen

Wie wir herausgefunden haben, verwaltet die Gebäude in Morges und Rolle ein Genfer Unternehmen, das Immobilien entwickelt und besitzt. Es führte die beiden Gebäude auf seiner Website als Teil der «Vermögenswerte» seines Portfolios auf; nach Publikation unserer Recherche wurden diese jedoch von der Seite entfernt.

Vor der Publikation unserer Recherche waren die Immobilien von Riad Salameh in Morges und Rolle noch auf der Website des Unternehmens aufgeführt, wie der Screenshot zeigt.

Dieses Unternehmen hat seine Büros in Genf. Und zwar an derselben Adresse, wo auch die Gesellschaften von Riad Salameh, SI 2 SA und Red Street 10 SA, domiziliert sind. Der Geschäftsführer des Immobilienunternehmens, ein lokal bekannter Makler, hatte seit 2008 neben dem Genfer Anwalt ein Einzelzeichnungsrecht für die Red Street 10 SA, während Riad Salamehs Neffe Marwan Issa El Khoury als Rechts- und Steuerberater des Gebildes auftauchte.

Nach unseren Informationen geriet ein weiteres Unternehmen an dieser Adresse in den Fokus der Ermittlungsbehörden: die Alstone SA. Diese Firma wird vom selben Anwalt verwaltet wie die SI 2 SA und die Red Street 10 SA. Bis 2017 bestand ihr Kapital wie bei der Red Street 10 SA aus Inhaberaktien. Ihr Zweck war die «Beteiligung und Verwaltung von Gesellschaften, Immobiliengeschäften und Investitionen». 

Dokumente, welche die Schweizer Justiz den französischen Behörden übermittelt hat, bringen eine Zahlung von 2,5 Millionen Franken ans Licht, die im Dezember 2011 bei der Alstone SA eingegangen war und direkt vom Konto von Forry Associates bei der HSBC Private Bank (Suisse) SA kam.  Hinzu kommt eine weitere Überweisung: Forry Associates zahlte zwischen September 2009 und Januar 2012 fast 594'000 Franken an die Genfer Anwaltskanzlei, die SI 2 SA, Red Street 10 SA und Alstone SA verwaltet.

«Man sieht deutlich, dass diese juristischen Konstruktionen, die legal sind, die Art und Weise verschleiern, wie die Gelder weitergegeben werden», sagt eine mit dem Fall vertraute Person. «Ohne die Hilfe von Anwält*innen hätten die Salamehs solche Konstruktionen nicht realisieren können.» 

Superprovisorische Massnahmen gegen Public Eye

Der Genfer Anwalt antwortete nicht auf unsere detaillierten Fragen zu seiner Rolle als Geschäftsführer von Gesellschaften, die Gelder erhalten haben, deren Herkunft von der Justiz mehrerer Länder als mutmasslich verdächtig eingestuft wurde. Dafür betonte er, dass die Bundesanwaltschaft «nach vier Jahren Ermittlungen weder Interesse daran gezeigt hat, mich anzuhören, noch mir Vorwürfe gemacht hat». 

Im Juni 2024 reichte er beim erstinstanzlichen Gericht in Genf einen Antrag auf vorsorgliche und superprovisorische Massnahmen gegen Public Eye wegen einer möglicherweise bevorstehenden Verletzung der Persönlichkeitsrechte ein. Diesem wurde stattgegeben, wodurch uns präventiv untersagt wurde, diese Recherche zu veröffentlichen. Nach einer Anhörung vor Gericht Anfang August konnten sich die beiden Parteien einigen. Für Public Eye ist diese Intervention symptomatisch für den immer stärker werdenden Druck auf Journalist*innen und investigative NGOs.

Auf Anfrage antwortete der Immobilienunternehmer, dass seine Unterschriftsberechtigung für das Bankkonto von Red Street 10 SA dazu diene, «den Eingang der Mieten und die Zahlung der laufenden Kosten usw. zu überwachen». Es handle sich also um eine gängige Vollmacht, die «im Rahmen eines professionellen Verwaltungsmandats erteilt wird». Das sei «üblich, wenn Immobilien über Gesellschaften gehalten werden». Er legt zudem Wert auf die Feststellung, dass die von Red Street 10 SA gehaltenen Immobilien nicht zu den Vermögenswerten seiner Unternehmensgruppe gehören.

Und dass ihm Forry Associates «bis zur Veröffentlichung ihres Namens in der Presse unbekannt» war und er daher «keine Ahnung von ihrer Existenz, ihren Aktivitäten oder ihren Chefs hatte».

Sein libanesischer Kollege Marwan Issa El-Khoury reagierte bis Redaktionsschluss nicht auf unsere Anfrage.

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