Wenn Rohstoffhändler erwischt werden

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Beny Steinmetz und die Ehefrau des Präsidenten von Guinea

Betroffene Unternehmen / Personen: Beny Steinmetz Group Resources (BSGR, Schweiz) / Beny Steinmetz, Frédéric C., Sandra M.

Vorwürfe: Bestechung ausländischer Amtsträger (Art. 322septies StGB) und Urkundenfälschung (Art. 251 und Art. 255 StGB), wobei das Verfahren in letztem Anklagepunkt von der Berufungskammer eingestellt wurde

Schweizer Anwält*innen: BSGR: Marc Bonnant und Camille Haab (Bonnant & Associés, Genf), später Daniel Kinzer und Christian Lüscher (CMS von Erlach Partners, Genf), Frédéric C.: Dominique Ritter und Jean-Marc Carnicé (BianchiSchwald, heute Valfor, Genf), Sandra M.: Corinne Corminboeuf Harari (Harari Avocats, Genf)

Schauplätze des Geschehens: Guinea, Schweiz

Schauplätze der Verfahren: Schweiz (Kanton Genf), Grossbritannien

Verfahrensstand: 

  • Grossbritannien: BSGR wird zur Zahlung von 1,25 Milliarden US-Dollar an den Konzern Vale verurteilt. Verfahren sind pendent.
  • Genf: Urteil in zweiter Instanz, Berufung vor dem Bundesgericht angekündigt
  • Beny Steinmetz: 3 Jahre Gefängnis, teilweise auf Bewährung (18 Monate Haftstrafe), 50 Millionen Franken Ersatzforderungssumme 
  • Frédéric C: 2 Jahre Gefängnis auf Bewährung, 5 Millionen Franken Ersatzforderungssumme
  • Sandra M.: 15 Monate Gefängnis auf Bewährung, 50’000 Franken Ersatzforderungssumme

Wiedergutmachung: keine. Nach jahrelangen gerichtlichen Anstrengungen, die das Land Guinea unternommen hatte, um als Nebenkläger aufzutreten, zog es sich schliesslich nach einer finanziellen Vereinbarung mit Beny Steinmetz aus dem Verfahren zurück. 

Der Fall

Nahezu zwanzig Jahre später erinnern die grünen Hügel von Simandou noch immer an die nicht gehaltenen Versprechen. Die 110 Kilometer lange Hügelkette ist reich mit Eisenerz gesegnet, dem Baustoff mit der grössten Umschlagmenge auf den Weltmärkten. Von allen grossen Bergbaukonzernen begehrt, sollten diese Bodenschätze, die sich in einer abgelegenen Region Guineas befinden, dem Land den wirtschaftlichen «Grossen Sprung» ermöglichen, indem sie ihm die nötigen Mittel für seine wirtschaftliche Entwicklung verschafften. Doch die Erzvorkommen von Simandou gerieten in den Mittelpunkt eines historischen Gerichtsverfahrens, das erstmals in der Schweiz einen Rohstoffhändler auf die Anklagebank eines Gerichts brachte.

Es handelt sich um den ehemaligen französisch-israelischen Diamantenhändler Beny Steinmetz, «Big Boss» der nach ihm benannten Gruppe, der sich zeitweilig am Genfer See niedergelassen hatte und dort pauschal besteuert wurde. Er wurde verurteilt, weil er 2008 rund 10 Millionen US-Dollar an Bestechungsgeldern an Mamadie Touré, die junge Frau des damaligen guineischen Präsidenten Lansana Conté, gezahlt hatte. Zweck dieser Zahlung war es, den unterdessen verstorbenen Machthaber davon zu überzeugen, die dem Konzern Rio Tinto erteilten Konzessionen für die Simandou-Hügel zurückzuziehen und sie stattdessen seinem Konzern Beny Steinmetz Group Resources (BSGR) zu übertragen, obwohl dieser keinerlei Erfahrung im Bereich des Bergbaus vorzuweisen hatte. 

Nach einem Rechtshilfeersuchen Guineas übernimmt die Genfer Staatsanwaltschaft im August 2013 den Fall, da Beny Steinmetz zum Zeitpunkt des Geschehens offiziell in Genf wohnte und seine unzähligen Briefkastenfirmen von dort aus gesteuert wurden. Eine der Besonderheiten dieses ersten grossen Prozesses wegen internationaler Korruption in der Schweiz war die Enthüllung der Offshore-Strukturen von BSGR. Denn um die Bestechungspläne zu verschleiern, nutzte der Konzern die Dienste der Beratungsfirma Onyx Financial Advisors sowie ihrer damaligen Direktorin Sandra M., die von BSGR engagiert worden war, um das komplexe Organigramm zu verwalten, das die wahren wirtschaftlich Berechtigten des Konzerns verschleiern und die Justiz in die Irre führen sollte. «Alles wurde von ihrem Genfer Büro aus erledigt», bekräftigte die Richterin bei der Urteilsbegründung. Sandra M. sei «für die administrativen und gesellschaftsrechtlichen Aspekte der Bestechung zuständig gewesen und habe die Schritte zur Vertuschung der Korruption durch Briefkastenfirmen» in die Wege geleitet sowie komplexe, irreführende Buchungen vorgenommen.

Als Dachgesellschaft des gesamten Systems fungierte die liechtensteinische Balda-Stiftung, deren einzige Begünstigte Beny Steinmetz und seine Familie waren; sein Anwalt, Marc Bonnant, bekleidete eines der drei Verwaltungsratsmandate. Bonnant war es auch, der den Geschäftsmann in erster Instanz vor dem Gericht verteidigte. Die Doppelrolle schreckte den in grossen Korruptionsfällen erfahrenen Anwalt offenbar nicht ab. Das sollte ihm nicht bekommen. Die drei Angeschuldigten – Beny Steinmetz, Sandra M., aber auch der Geschäftsvermittler Frédéric C. – wurden in erster Instanz zu schweren Strafen verurteilt, die durch die Berufungskammer unterdessen im Wesentlichen bekräftigt wurden. 

Bei seinen Ermittlungen konnte der Genfer Staatsanwalt von den Abhörmassnahmen des FBI profitieren. Unter Druck liess sich Beny Steinmetz' Mann vor Ort, Frédéric C., nämlich zu einigen unvorsichtigen Äusserungen hinreissen; er bedrohte Mamadie Touré und forderte sie auf, kompromittierende Dokumente zu vernichten. Ein schwerer Fehler: Die vollständige Mitschrift dieses Gesprächs stellte ein erdrückendes Beweisstück dar.

Angesichts der auf dem Spiel stehenden Interessen und der beteiligten Personen ging das Verfahren mit heftigen und intensiven juristischen Winkelzügen einher. Die von der Schweiz gewährte Rechtshilfe wurde mehrfach vor den zuständigen Gerichten angefochten, jedoch ohne Erfolg. Vor und während der Gerichtsverhandlungen im Januar 2021 und September 2022 wurden Vorwürfe wie Verschwörung und Antisemitismus verbreitet.

In Guinea wurden die Erzlagerstätten von Simandou wieder der Kontrolle von Rio Tinto unterstellt. Trotz jahrzehntelanger Gerichtsverfahren hat die Ausbeutung der Eisenerzvorkommen noch nicht begonnen.

Schlüsseldokumente

Chronologie

Datum

Ereignis

Quelle

2006-2012Beny Steinmetz Group Resources (BSGR) erhält 20 Lizenzen zur Exploration und anschliessenden Ausbeutung der gigantischen Eisenerzlagerstätten Simandou und Zogota im Südosten Guineas. Public Eye
Juli 2008Der damals schon todkranke Präsident Lansana Conté unterzeichnet eine Verordnung, mit der dem anglo-australischen Bergbauriesen Rio Tinto – der seit den 1990er Jahren in Guinea tätig ist – die Konzessionen für die Blöcke 1 und 2 von Simandou Nord entzogen werden. Der glückliche Gewinner BSGR verkauft 2010 einen Anteil von 51 % dieser Konzessionen für 2,5 Milliarden US-Dollar an den brasilianischen Bergbaukonzern Vale. Da BSGR zwei Jahre zuvor nur 170 Millionen US-Dollar investiert hatte, macht der Konzern einen kolossalen Gewinn. Die Bevölkerung Guineas geht leer aus.Mining.com
7. November 2010Alpha Condé wird der erste demokratisch gewählte Präsident Guineas (zehn Jahre später wird er durch einen Militärputsch gestürzt, nachdem er die Verfassung hatte reformieren lassen, um für eine dritte Amtszeit zu kandidieren). Im Rahmen einer Operation «Saubere Hände» im Bereich der Bergbauverträge kündigt die guineische Regierung die dem Konzern BSGR gewährten Konzessionen auf.Global Witness
23. August 2013Aufgrund eines internationalen Rechtshilfeersuchens von Guinea eröffnet die Staatsanwaltschaft des Kantons Genf ein Strafverfahren. Das Haus und das Privatflugzeug von Beny Steinmetz werden durchsucht.

Er wird verdächtigt, 2008 beim Kauf von Bergbaukonzessionen im Gegenzug für Bestechungsgelder, die an Politiker bezahlt worden waren, einen Vorzugspreis erhalten zu haben. Der Ehefrau des guineischen Präsidenten, Mamadie Touré, sollen rund 10 Millionen US-Dollar für ihre Intervention zugunsten der Vergabe der Konzessionen an BSGR zugewendet worden sein.

Die Ermittlungen der Genfer Staatsanwaltschaft erfordern zahlreiche Rechtshilfeersuchen, die an verschiedene Staaten auf mehreren Kontinenten gerichtet werden, darunter die USA, Frankreich, Guinea, Israel, Belgien und Rumänien.
Bundesstrafgericht
14. April 2013Frédéric C. wird durch das FBI in Jacksonville, Florida, geschnappt. Nachdem er in ein Flugzeug gesprungen war, um Mamadie Touré, die vierte Ehefrau des verstorbenen Präsidenten, unter Druck zu setzen und sie zur Vernichtung kompromittierender Dokumente zu bewegen, wird der Geschäftsvermittler von BSGR von den US-Behörden festgenommen. Le Temps
30. April 2014Rio Tinto erhebt in den USA Klage gegen BSGR und Vale im Zusammenhang mit dem Erwerb des Simandou-Vorkommens. Vale behauptet, nichts von dem durch Korruption geprägten Ursprung der Konzession gewusst zu haben, die er zu einem überhöhten Preis von BSGR gekauft hatte, und fordert von diesem eine Rückerstattung.Reuters
Februar 2019Guinea wird überraschenderweise nicht am Steinmetz-Prozess teilnehmen. Nachdem der Staat jahrelang um sein Recht gekämpft hatte, dort als Nebenkläger aufzutreten – was im November 2017 gerichtlich bestätigt wurde –, teilt der Staat nun mit, dass er eine einvernehmliche Vereinbarung mit Beny Steinmetz getroffen habe. Tribune de Genève
September 2019BSGR wird durch ein Londoner Schiedsgericht zur Zahlung von 1,25 Milliarden US-Dollar an Vale verurteilt. Beny Steinmetz legt vor einem US-amerikanischen Gericht jedoch Dokumente vor, die belegen, dass der brasilianische Konzern sich einer möglichen Korruption bewusst war oder zumindest über entsprechende «Warnsignale» verfügte. Dramatische Wendung drei Jahre später: Vale lässt seine Forderung nach Entschädigung fallen.Financial Times
11. bis 22. Januar  2021Das erstinstanzliche Verfahren im Fall Steinmetz findet in Genf statt. Über den Prozess berichten zahlreiche Medien.

Der französisch-israelische Geschäftsmann wird zu fünf Jahren Gefängnis ohne Bewährung und einer Ersatzforderungssumme in Höhe von 50 Millionen Franken verurteilt. Frédéric C. erhält dreieinhalb Jahre Gefängnis und ein Bussgeld von 5 Millionen Franken. Und die ehemalige Direktorin Sandra M. wird zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt, da sie nicht vorbestraft ist.

Alle drei Parteien kündigen an, Rechtsmittel einzulegen, «notfalls bis vor Gott», wie Marc Bonnant, damals noch Anwalt von Beny Steinmetz, es formulierte. 
Genfer Justizbehörden
4. April 2023Beny Steinmetz,und seine beiden Gehilf*innen werden im Berufungsverfahren erneut für schuldig befunden. Die Haftstrafe des ersteren wird auf 3 Jahre Haft, zum Teil mit Bewährung (davon 18 Monate Haft) und 50 Millionen Franken Ersatzforderungssumme reduziert. Frédéric C. erhält 2 Jahre Gefängnis auf Bewährung und 5 Millionen Franken Ersatzforderungssumme. Sandra M. erhält 15 Monate auf Bewährung und 50'000 Franken Ersatzforderungssumme.

Alle drei Parteien kündigen an, Berufung beim Bundesgericht einzulegen.
Genfer Justizbehörden

Lücken und Schwächen der Rechtsordnung

  • Einsatz von Briefkastenfirmen, um Vergabeverfahren zu umgehen
  • Verschleierung der Verantwortung durch Einschaltung von Mittelsmännern für die Zahlung von Bestechungsgeldern
  • Fehlende Kooperation der lokalen Justiz. Schwieriges Vorankommen für die Schweizer Justiz
  • Grosse Schwierigkeiten für Staatsanwälte, in solchen Fällen Korruption nachzuweisen, ausgenommen im Falle einer Selbstanzeige, der Entdeckung eines schriftlichen Korruptionspakts bzw. über Abhörmassnahmen
  • Rechtsberater*innen unterliegen nicht dem Geldwäschereigesetz (GwG)
  • Problematik der Doppelrolle einiger Genfer Wirtschaftsanwält*innen, die für ihre Klient*innen komplexe Geschäftsgebilde schaffen und sie dann strafrechtlich verteidigen
  • Langwierige Ermittlungen der Genfer Behörden unter dem ständigen Druck einer ganzen Reihe von prozessverschleppenden Massnahmen der Verteidigung
  • Ersatzforderungssumme wird an die Schweizer Justiz und nicht an die Korruptionsopfer gezahlt.
  • Keine spezifische Aufsichtsbehörde im Rohstoffsektor und keine angemessenen Sorgfaltspflichten für die Händler