Wenn Rohstoffhändler erwischt werden

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Glencore und die fliegenden Koffer im Südsudan

Betroffene Unternehmen / Personen: Glencore Energy UK Ltd. (Grossbritannien)

Vorwürfe: Bestechung

Schweizer Anwält*innen: keine

Schauplätze des Geschehens: Südsudan, Grossbritannien, Schweiz

Schauplatz des Verfahrens: Grossbritannien (Southwark Crown Court, London)

Verfahrensstand: Schuldanerkenntnis (Guilty Plea): Busse und Gewinnabschöpfung von insgesamt 280'965’092,95 Brit. Pfund (bezieht sich auf fünf afrikanische Staaten)

Wiedergutmachung: keine

Der Fall

Wie effizient Bestechung ablaufen kann, zeigt das Auftreten von Glencore im Südsudan.

Am 9. Juli 2011 wurde der Südsudan unabhängig. Bereits im August 2011 machten sich Mitarbeitende von Glencore Energy UK Ltd. in London mit prall gefüllten Koffern im Privatjet auf die Reise, um durch Bestechungszahlungen den Weg zu ebnen für lukrative Geschäfte. In den Koffern waren 800’000 US-Dollar in bar, vom «Cash Desk» des Schweizer Hauptsitzes von Glencore bezogen und verbucht als Ausgaben für die «Eröffnung des Büros im Südsudan». Das Geld wurde über einen lokalen Agenten an Beamte der neu installierten Regierung im Südsudan gezahlt. Es folgten weitere 275'000 US-Dollar in bar.

In den Jahres- und Nachhaltigkeitsberichten von Glencore für 2011 und 2012 ist der Südsudan nicht erwähnt. Auch von der Eröffnung eines lokalen Büros ist nicht die Rede.

Im Jahresbericht 2011 hielt Glencore fest, es bestehe ein besonders hohes Risiko, wegen möglicher Bestechung, Umweltschädigung, Steuerdelikten, Marktmanipulation und vielen weiteren möglichen Gesetzesverletzungen belangt zu werden. Das Unternehmen führte daher aus: «Glencore verpflichtet sich dazu, die Gesetze, Vorschriften und Best-Practice-Richtlinien einzuhalten oder zu übertreffen, die in den Ländern, in denen Glencore tätig ist, auf seine Geschäfte und Produkte anwendbar sind. Durch kontinuierliche Beobachtung der gesetzlichen Anforderungen und die Zusammenarbeit mit der Regierung und den Aufsichtsbehörden ist Glencore bestrebt, vollständige Einhaltung der Anforderungen zu gewährleisten.»

Wie sich das mit einem Cash Desk verträgt, das 800’000 US-Dollar in bar im Geldköfferchen auf die Reise in ein instabiles Land schickt, verrät das Unternehmen nicht.

Im Dezember 2019 teilte die britische Strafverfolgungsbehörde für schwere Betrugsdelikte (Serious Fraud Office, SFO) mit, dass sie wegen Bestechung gegen die Glencore-Gruppe, ihre Repräsentant*innen, Mitarbeitenden, Agent*innen und verbundene Personen ermittle. Diese Untersuchung deckte neben dem Südsudan auch weitere Länder ab.

Ein Gericht in London verurteilte Glencore Energy UK Ltd. am 3. November 2022 zur Zahlung von fast 281 Millionen Britischen Pfund. Das SFO schrieb dazu: «Die Untersuchung hatte eine Kette von Textnachrichten, umfangreiche Barbezüge und bewusst verschleierte Zahlungen aufgedeckt. Dies belegt, dass Glencore Bestechungsgelder im Umfang von 29 Millionen US-Dollar gezahlt hat, um seinen Zugang zu Öl in Kamerun, Äquatorialguinea, Elfenbeinküste, Nigeria und Südsudan zu sichern.»

Das SFO betonte, dass es sich um die höchste jemals gezahlte Summe für ein Unternehmensdelikt handle. Ausserdem sei der Fall auch insofern «bahnbrechend für die Durchsetzung des britischen Anti-Korruptionsgesetzes, da zum ersten Mal ein Unternehmen verurteilt wurde für die aktive Genehmigung von Bestechung und nicht nur für das Versäumnis, diese zu verhindern.»

Am 1. August 2024 hat das SFO Anklage erhoben gegen fünf ehemalige Mitarbeiter von Glencore wegen der Verabredung von Korruptionszahlungen zu Gunsten des Ölgiganten Glencore in Kamerun, Nigeria und der Elfenbeinküste von 2007 bis 2014. Ausserdem geht es für zwei von ihnen um die Fälschung von Rechnungen für angebliche Dienste einer nigerianischen Beratungsfirma im Ölbereich von 2007 bis 2011. Die Vorgänge im Südsudan sind nicht erwähnt.

Schlüsseldokument

Chronologie

Datum

Ereignis

Quelle

9. Juli 2011Unabhängigkeit Südsudans 
August 2011Angestellte von Glencore Energy UK Ltd fliegen mit 800’000 US-Dollar in bar nach Südsudan. Das Geld wird über einen lokalen Agenten an Beamte der neu gegründeten Regierung im Südsudan gezahlt. Es folgen weitere 275’000 US-Dollar in bar.SFO 2
5. Dezember 2019Die britische Strafverfolgungsbehörde für schwere Betrugsdelikte (Serious Fraud Office, SFO) ermittelt gegen Glencore wegen Bestechung.SFO 1
Juni 2022Glencore bekennt sich vor einem britischen Gericht der Bestechung in Kamerun, Äquatorialguinea, Elfenbeinküste, Nigeria und Südsudan schuldig.SFO 2
3. November 2022Der Southwark Crown Court in London verurteilt Glencore zur Zahlung von fast 281 Millionen Britischen Pfund (Busse und Gewinnabschöpfung) wegen systematischer Bestechung in den oben genannten afrikanischen Staaten.SFO 2
1. August 2024Das SFO erhebt Anklage gegen fünf ehemalige Mitarbeiter von Glencore wegen Bestechung in Kamerun, Nigeria und der Elfenbeinküste von 2007 bis 2014. Ausserdem geht es für zwei von ihnen um die Fälschung von Rechnungen für angebliche Dienste einer nigerianischen Beratungsfirma im Ölbereich von 2007 bis 2011. Die Vorgänge im Südsudan sind nicht erfasst. Die Anhörung ist für den 10. September 2024 terminiert.SFO 3

Lücken und Schwächen der Rechtsordnung

  • Verschleierung der Verantwortung durch Einschaltung von Vermittlern zur Zahlung von Bestechungsgeldern
  • Systematische Bestechung als Organisationsproblem
  • Wertlosigkeit von Selbstverpflichtungen der Unternehmen
  • Fehlende Überwachung der gruppenweiten Einhaltung rechtlicher Mindeststandards
  • Keine Aufdeckung systematischer Bestechung bei der Prüfung des Finanzberichts
  • Kein Ausweis von (Bestechungs-)Zahlungen an Regierungsmitarbeiter im (damals noch freiwilligen) Nachhaltigkeitsbericht
  • Bestechung als finanzielles Risiko für Unternehmen und Anleger
  • Keine spezifische Aufsichtsbehörde im Rohstoffsektor und keine angemessenen Sorgfaltspflichten für die Händler