Wenn Rohstoffhändler erwischt werden

Schliessen

Rosneft Trading und die Sanktionen gegen Venezuela

Betroffene Unternehmen / Personen: Rosneft Trading S.A. (Schweiz), TNK Trading International SA (Schweiz)

Vorwürfe: Geschäfte mit dem von den USA als illegitim eingestuften Maduro-Regime

Schweizer Anwält*innen: Daniel Richard (PRLEX avocats, Genf)

Schauplatz des Geschehens: Schweiz

Schauplatz des Verfahrens: USA (Office of Foreign Assets Control of the U.S. Department of the Treasury)

Verfahrensstand: politischer Entscheid: Aufnahme in die Sanktionsliste der USA betreffend Venezuela; Blockierung des Vermögens in den USA

Wiedergutmachung: kein Rechtsfall

Der Fall

Der Fall des Schweizer Rohstoffhandelsunternehmens Rosneft Trading S.A. (RTSA) kam nie vor ein Gericht. Es gab kein Verfahren und kein Urteil. Vielmehr stellten die USA das Unternehmen unter Sanktionen, trafen also eine politische Massnahme. Dies war jedoch wirtschaftlich eine schwerwiegende Strafe.

RTSA ist eine Genfer Tochter des russischen Ölgiganten Rosneft Oil Company, gegründet im Jahr 2011, um die ausländischen Aktivitäten des Mutterkonzerns zu betreuen. Nach Russlands Annexion der Krim im Jahr 2014 sprachen die USA aufgrund der Verbindung zum russischen Staat gegen beide Unternehmen Sanktionen aus: Unter Executive Order 13662 ist ihr Vermögen in den USA blockiert.

Ausserhalb der USA stellte dies aber zunächst kein Problem dar. RTSA blieb im Business und konzentrierte sich auf das Geschäft mit Staaten, die Russland und der Annexion der Krim wohlgesonnen waren.

Im Jahr 2014 gewährte Rosneft der venezolanischen Regierung einen Kredit von 6,5 Milliarden US-Dollar. Dafür stellte die staatliche venezolanische Ölgesellschaft Petróleos de Venezuela S.A. (PDVSA) ihr Rohöl zur Verfügung, das RTSA weiterverkaufte. So stieg RTSA zum wichtigsten Händler venezolanischen Rohöls auf. Und zu einem sehr guten Steuerzahler in Genf.

Venezuela erwies sich jedoch als problematischer Partner: Die Förderung blieb weit hinter den Erwartungen zurück, und bei einem Joint Venture von PDVSA und Rosneft klaffte bald ein unerklärbares Loch von 700 Millionen US-Dollar.

Dies überrascht nicht. Seit Jahren stand auch und gerade der venezolanische Ölhandel im Fokus der Weltöffentlichkeit: Seit 2004 gab es in 29 Ländern allein 164 strafrechtliche Untersuchungen wegen der systematischen Korruption bei PDVSA, auch gegen Unternehmen in der Schweiz. 

Am 24. August 2017 hatten die USA genug: Executive Order 13808 kappte den Zugang von PDVSA Zugang zum US-Kapitalmarkt. Am 28. Januar 2019 froren die USA das US-Vermögen von PDVSA unter Executive Order 13850 ein und verboten US-Personen jedes Geschäft mit PDVSA.

Aber RTSA war ja keine US-Person. Das Geschäft lief weiter. Allein von August 2019 bis Januar 2020 liefen insgesamt 60 Millionen Barrel Rohöl, ca. die Hälfte der von Venezuela in diesem Zeitraum geförderten Menge, über RTSA. Gemäss den US-Behörden soll RTSA hierbei auch Öl von Schiff zu Schiff transferiert haben, um seine venezolanische Herkunft zu verbergen.

Am 18. Februar 2020 unterstellten die USA auch RTSA und ihren Chairman der Executive Order 13850, weil sie das «illegitime Maduro-Regime» unterstützten. Eine schwerwiegende ökonomische Strafe.

Rosneft bezeichnete dies als «illegal, unjustified, and an act of legal abuse» und übertrug das Geschäft mit venezolanischem Öl auf die Schweizer Tochter TNK Trading International SA in Genf, bis das Amt für die Kontrolle ausländischer Vermögenswerte des US Finanzministeriums (Office of Foreign Assets Control of the U.S. Department of the Treasury, OFAC) auch diese sanktionierte.

RTSA, TNK Trading International und eine weitere Tochter, Energopole SA, sind weiterhin im Handelsregister Genf eingetragen. Rosneft ist inzwischen auch von europäischen und Schweizer Sanktionen im Zusammenhang mit dem Angriff auf die Ukraine betroffen.

Schlüsseldokument

Chronologie

Datum

Ereignis

Quelle

24. Januar 2011Die Rosneft Trading S.A. (RTSA) wird ins Genfer Handelsregister eingetragen. Zweck des Unternehmens sind «alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Handel, der Verarbeitung und dem Transport von Rohstoffen, insbesondere von nicht raffiniertem Erdöl und Erdölprodukten.» Handelsregister
1. März 2011TNK Trading International SA (TNK), eine weitere Tochtergesellschaft von Rosneft, wird ins Genfer Handelsregister eingetragen. Zweck des Unternehmens sind der Handel mit und die Lieferung von Rohstoffen, insbesondere Erdöl und Erdölprodukten.Handelsregister
20. März 2014Executive Order 13662, erlassen durch den Präsidenten der USA aufgrund der russischen Annexion der Krim, erlaubt Sanktionen in Bezug auf russische Unternehmen. US-Personen dürfen Betroffenen keine Kredite über 90 Tage mehr geben und keine Mittel zur Erdölförderung liefern.Executive Order 13662
2014Rosneft gewährt Venezuela eine Vorfinanzierung von 6,5 Milliarden US-Dollar, rückzahlbar in Rohöl.CSIS
12. September 2014Das Amt für die Kontrolle ausländischer Vermögenswerte des US Finanzministeriums (Office of Foreign Assets Control of the U.S. Department of the Treasury, OFAC) erstreckt den Anwendungsbereich von Executive Order 13662 auf Rosneft Oil Company.OFAC
8. März 2015Die US-Regierung erlässt Executive Order 13692. Diese verbietet bestimmten venezolanischen Personen die Einreise in die USA und blockiert ihr Vermögen in den USA.Executive Order 13692
30. Juli 2015Das OFAC erklärt Executive Order 13662 für anwendbar auf RTSA. Order 13662 wurde aufgrund der russischen Annexion der Krim erlassen und verbietet US-Personen bestimmte Geschäfte mit denjenigen Personen, auf welche die Order anwendbar ist..

OFAC;

Sanctions List

2015Erste Geldwäscherei-Verdachtsmeldungen in Bezug auf PDVSA gehen bei der schweizerischen Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) ein.Finews
2016Das US-Justizministerium (Department of Justice, DoJ) publiziert die ersten Schuldanerkenntnisse im Zusammenhang mit Bestechung bei PDVSA.DOJ Press Release
24. August 2017Executive Order 13808 verbietet es allen US-Personen, PDVSA Kredit mit einer Laufzeit von mehr als 90 Tagen zu geben.Executive Order 13808
1. November 2018Executive Order 13850 erlaubt weitere Sanktionen im Zusammenhang mit Venezuela.Executive Order 13850
August 2019 bis Januar 2020RTSA macht Geschäfte über insgesamt 60 Millionen Barrels Rohöl mit PDVSA. Gemäss den US-Behörden soll RTSA hierbei auch Öl von Schiff zu Schiff transferiert haben, um seine venezolanische Herkunft zu verbergen.US Treasury
20. Dezember 2019Der US-Kongress stellt fest, dass PDVSA Ende 2016 bei der Rosneft Oil Company einen Kredit über 1,5 Milliarden US-Dollar aufgenommen und mit einem 49,9%-Anteil an der US-amerikanischen PDVSA-Tochter Citgo besichert hatte. Citgo gehört kritische Infrastruktur in 19 Bundesstaaten der USA. Der Kongress sieht dies als ein Risiko für die USA an und fordert den Präsidenten auf, die Übernahme der Kontrolle über die Gesellschaft durch Rosneft zu verhindern.

U.S. Congress

CSIS

Januar 2020TNK kauft 14 Millionen Tonnen venezolanisches Rohöl.OFAC, US Treasury
18. Februar 2020Wegen ihrer Geschäfte mit der venezolanischen Ölindustrie erweitern die USA die Sanktionen nach Executive Order 13850 auf RTSA und ihren Chairman.OFAC, US Treasury
Februar 2020TNK übernimmt das Geschäft mit PDVSA von RTSA.Reuters
12. März 2020Das OFAC wendet Executive Order 13850 auch auf TNK an.OFAC, US Treasury
28. März 2020Die Rosneft Oil Company kündigt an, das Geschäft mit Venezuela und alle Beteiligungen mit Venezuela-Bezug auf ein russisches Staatsunternehmen, Roszarubezhneft, zu übertragen. Rosneft zieht drei Tanker aus der Karibik ab, die eigentlich venezolanisches Öl transportieren sollten.

Associated Press;

CSIS

1. April 2020Die Rosneft Oil Company teilt mit, dass die Genfer Tochter Energopole das Trading von RTSA übernehmen soll. Energopole wurde am 1. Oktober 2001 als TNK European Services Group SA gegründet, um verbundenen Gesellschaften administrative Dienstleistungen zu erbringen. Seit 2013 hiess das Unternehmen Rosneft European Services Group. Sitz des Unternehmens ist ein Genfer Treuhandbüro.Reuters;  
6. April 2020Umfirmierung von Rosneft European Services Group in Energopole SA.Handelsregister
30. Juli 2023Rosneft teilt mit, dass die Sanktionen gegen den früheren Chairman von RTSA aufgehoben wurden.Pressemitteilung

Schwächen und Lücken der Rechtsordnung

  • Risiko einer Verletzung nicht-schweizerischer Sanktionen mit Reputationsrisiko und dem Risiko, dass Schweizer Unternehmen oder Personen selbst Ziel von Sanktionen werden
  • Keine spezifische Aufsichtsbehörde im Rohstoffsektor und keine angemessenen Sorgfaltspflichten für die Händler