Ukrainekrieg Die ausgezeichneten Verbindungen eines kleinen Genfer Traders nach Russland
Agathe Duparc und Adrià Budry Carbó, 5. April 2022
Es ist eine kleine Handelsboutique, die sich auf russisches Rohöl spezialisiert hat und die unter Genfer Trader*innen viel zu reden gibt. Seitdem mehrere Medien und auch Public Eye Listen der grössten Exporteure von Erdöl und Erdölprodukten aus russischen Häfen veröffentlicht haben, weckt Paramount Energy & Commodities SA noch mehr Interesse. Im Februar und März dieses Jahres, als die russische Armee bereits an der Grenze stand und dann in die Ukraine einmarschierte, erhielt der 2017 in Genf registrierte Trader, von dem kaum jemand etwas gehört hatte, insgesamt 11,7 Millionen Barrel, die im Hafen von Kozmino bei Wladiwostok, ganz im Osten Russlands, auf 16 Tanker verladen wurden. Paramount steht damit insgesamt an vierter Stelle der Käufer von russischem Öl, hinter den Giganten Litasco, Trafigura und Vitol. Ein Geschäft, das im aktuellen Kontext hochriskant ist.
Auf Anfrage von Public Eye bestätigt Paramount diese Zahlen durch seinen alleinigen Geschäftsführer Maurice T. Dieser verwaltet rund 20 Unternehmen, von denen viele mit Öl zu tun haben, und gibt an, dass die in Russland gekauften Barrels «im Rahmen langfristiger Verträge gehandelt wurden, lange vor dem 24. Februar» und dass die Mengen «den Volumen entsprechen, mit denen wir normalerweise handeln». Sein Geschäftsmodell bestehe darin, Rohöl zu vermarkten, das von unabhängigen (nichtstaatlichen) Produzenten geliefert wird, die nicht von den Sanktionen betroffen seien, fügt er hinzu. Deren Namen will er nicht nennen: «Geschäftsgeheimnis».
Gründer mit Leidenschaft für Erdöl und Velos
Das Profil des bescheidenen Traders ist umso faszinierender. Seine Website ist zwar schlicht gehalten, aber sie wirbt auf Englisch damit, dass «das Management und die wichtigsten Mitarbeiter von Paramount über umfangreiche Erfahrung verfügen und über 2 Milliarden Barrel Öl gehandelt haben». Man erfährt hier ausserdem, dass das Unternehmen «sich besonders auf Russland und die Länder der ehemaligen Sowjetunion konzentriert» und weltweit mit Rohöl und Ölprodukten handelt. Unter der Spalte Management taucht nur ein Name auf: der des Gründers Niels T., der als «waschechter Unternehmer» und «leidenschaftlicher Velofahrer» beschrieben wird. Dieser niederländische Staatsbürger, der seit 1992 in der Ölbranche tätig ist, gründete 2009 die ebenfalls im Ölgeschäft tätige Tenergy SA, dies gemeinsam mit Michel T., einem Schweizer aus Vevey, ebenfalls im Ölhandel aktiv.
In der Rue de Villereuse 22 auf der Genfer Rive Gauche teilen sich die Zwillingsgesellschaften die Adresse, das Messingschild und den Geschäftsführer. Im Gebäude befinden sich auch das Büro von Maurice T. und einige der 23 Firmen, die er in Genf verwaltet. Eine kleine Hochburg des Handels ganz für ihn allein.
Der Schatten von Timtschenko
Laut mehreren Branchen-Quellen unterhielten die Gründer von Paramount und Tenergy ausgezeichnete Beziehungen zu Gennadi Timtschenko, dem Mitbegründer des Genfer Ölhandelsriesen Gunvor und engen Freund von Wladimir Putin. Als der russische Milliardär noch in Genf wohnte, wurde das Zweiergespann in seine luxuriöse Villa in Cologny eingeladen, so eine Quelle. Michel T. spielte mit Timtschenko, gegen den inzwischen eine Flut von Sanktionen in den USA, in Europa und in der Schweiz verhängt wurde, demnach regelmässig Tennis. Es war insbesondere diese persönliche Nähe, die es ihren Unternehmen ermöglicht haben soll, sich so erfolgreich auf dem russischen Markt zu etablieren. Auch ein anderer Gesprächspartner erinnert daran, dass freundschaftliche Beziehungen zu Timtschenko, einem Oligarchen ersten Ranges, in Russland zweifellos viele Türen öffnen:
«Kein einziger Tropfen Öl kann heute Russland verlassen, ohne dass man über solide Beziehungen verfügt, erst recht, wenn es sich um solche Mengen handelt.»
Maurice T., der Geschäftsführer von Paramount und Tenergy, erklärte auf diesbezügliche Nachfrage, dass «weder Paramount noch [die beiden Gründer] irgendeine Geschäftsbeziehung mit Herrn Timtschenko unterhalten».
Die Nische der kleinen Produzenten
Im Internet lassen sich einige Spuren des Ölgeschäfts der beiden Trader ausmachen. Im Januar 2019 meldete die Nachrichtenagentur Reuters, dass das Duo im Hafen von Kozmino acht Ladungen «ESPO Blend Crude» zu je 100’000 Tonnen erhalten hatten. Die gesamte Menge sei bei «kleinen Produzenten» gekauft worden, deren Namen in der Meldung nicht genannt wurden. ESPO Blend Crude ist eine Rohölmischung, die über die Pipeline von Ostsibirien bis zum Pazifik transportiert wird, wo sich der Hafen von Kozmino befindet; ESPO steht für Eastern Siberia Pacific Ocean. Der Ölterminal von Kuzmino wird zu 100% von Transneft kontrolliert, dem russischen Staatsriesen, dem alle Pipelines in Russland gehören.
Im Mai 2019 hiess es zudem in einer Mitteilung der Informationsplattform Energy Intelligence Group, dass Tenergy in den vergangenen Jahren «zwischen drei und vier Frachter pro Monat» von kleinen Produzenten geladen hatte, aber «diese Mengen von Paramount abgenommen wurden».
Die beiden Genfer Trader besetzen offenbar eine Nische, indem sie bei den sogenannten «Malychi » (Babys), einkaufen, d.h. bei etwa 100 kleinen Produzenten, die Rohöl in ganz Russland fördern: in Tatarstan, in der südrussischen Region Samara, im Ural, in Ufa und in Westsibirien. «Einzeln betrachtet, reicht deren Produktion nicht aus, um einen Tanker zu füllen. Man muss all diese kleinen Mengen zusammenbringen, sie in eine Pipeline umschlagen und dann einen Frachter beladen. Das ist eine ziemliche Herausforderung», erklärt ein Genfer Trader, der einschlägige Erfahrungen auf dem russischen Markt gesammelt hat.
Ohne Beziehungen läuft nichts
Um den begehrten Exportterminal Kozmino nutzen zu können, braucht es hervorragende Beziehungen zum russischen Energieministerium. «Diese Behörde erstellt einen technischen Plan für alle Exporte ins Ausland und teilt in letzter Instanz die Häfen zu, von denen aus das Öl exportiert wird. Anschliessend übernimmt Transneft das Ruder und befördert das Öl in seinen Pipelines», berichtet der Trader. Er erklärt auch: «Ich selbst wollte nie etwas mit diesem Geschäft zu tun haben. Um in der Logistikkette platziert zu werden, braucht es solide Beziehungen, mit all den Korruptionsrisiken, die das mit sich bringen kann.»
Das Geschäft scheint sich jedoch zu lohnen. Die Preise, zu denen die kleinen Produzenten das Öl verkaufen, sind viel niedriger als jene auf den sogenannten «Spotmärkten». Diesen Abschlag müssen sie in Kauf nehmen, um Öl ins Ausland exportieren zu können und Zugang zu Pipelines zu erhalten, ohne dabei auf die nationalen Ölriesen wie Rosneft, Surgutneftegaz und Litasco angewiesen zu sein. «Die eingestrichenen Margen sind beträchtlich», schliesst der Trader.
Unseren Recherchen zufolge handelt Paramount allerdings nicht immer direkt mit kleinen Produzenten. In der ersten Hälfte des Jahres 2021 erhielt der Händler mindestens 19 Schiffsladungen mit Rohöl und Erdölprodukten vom russischen Staatsunternehmen Gazprom Neft. Das geht aus Zolldaten hervor, die wir einsehen konnten. Im August 2020 berichtete die Fachagentur Argus, dass sie auch mit Concept Oil Services, einer Firma in Hongkong, die ebenfalls im Hafen von Kozmino tätig ist, in Beziehungen steht. Dieser «Zwischenhändler kauft kleine Mengen auf, um Tanker zu füllen, und verkauft sie dann an seinen Partner Paramount Energy. Der Löwenanteil der Mengen von Concept Oil Services wird bei der Irkutsk Oil Company (INK), RNG, Gazprom Neft und Yargeo, einem Joint Venture zwischen Novatek und dem Fonds Energia des ehemaligen russischen Energieministers Igor Yusufow, bezogen», heisst es in der Studie. Einer der Aktionäre von Novatek ist der Oligarch Gennadi Timtschenko.
Auf diese Punkte angesprochen, sagt Paramount, sie sähen sich «nicht dazu berufen, einen Dialog [mit Public Eye] zu führen und vertrauliche Informationen zur Verfügung zu stellen». Und fügt hinzu, dass das Unternehmen «alle seine gesetzlichen Verpflichtungen gewissenhaft einhält und stets eingehalten hat, insbesondere diejenigen, die sich aus schweizerischen und internationalen Sanktionen ergeben».
Verbindungen zum Herrn der Pipelines
Der schnelle Aufstieg von Concept Oil Services ist niemandem entgangen. Laut einem von Forbes erstelltem Ranking, stieg dieses Unternehmen 2020 mit einem Volumen von 6,5 Millionen Tonnen (knapp 47,7 Millionen Barrel) hinter Giganten wie China National Petroleum Corporation (CNPC), Litasco und Total auf Platz 11 der weltweit grössten Käufer von russischem Rohöl auf. In Genf berichtet ein Mitarbeiter eines grossen Handelshauses, dass ihm der Direktor von Concept Oil Services vor ein paar Jahren einen Öldeal angeboten habe. Als es jedoch darum ging, einen KYC-Fragebogen (Know Your Customer; «Kenne deinen Kunden», ein Bankverfahren zur Überprüfung der Identität von Kunden) auszufüllen, weigerte sich der lettische Staatsbürger, der sich selber als Hauptaktionär bezeichnet, die Namen aller wirtschaftlich Berechtigten, also der eigentlichen Eigentümer des Unternehmens, zu nennen. «Damals kamen wir zum Schluss, dass Concept Oil Services von der Führung des staatlichen Pipeline-Riesen Transneft kontrolliert wurde», fügt er hinzu.
In der Calvin-Stadt lohnt es sich, das Umfeld von Paramount und Tenergy näher unter die Lupe zu nehmen. Der alleinige Geschäftsführer der beiden Unternehmen, Maurice T., ist in den Genfer Ölkreisen ein sehr bekannter Akteur mit einem ausgeprägten Interesse an Russland und den Ländern der ehemaligen UdSSR. Der Manager spricht russisch und verwaltet rund 24 Firmen, die in Genf und Zug ansässig sind. Seine Firma MFT Services bietet «Dienstleistungen im Bereich des internationalen Rohstoffhandels und dessen Finanzierung».
Im Klartext: Sie gründet und liefert schlüsselfertige Handelsgesellschaften und kümmert sich darum, Banken zu finden, die bereit sind, deren Geschäfte zu finanzieren.
Der Genfer war lange Zeit auch bei der Steval Management SA tätig, deren Name vor einiger Zeit im Zusammenhang mit einer undurchsichtigen Affäre auftauchte und die 2017 aus dem Genfer Handelsregister gestrichen wurde.
Eine Recherche des Journalistennetzwerks OCCRP zeigt, dass diese Treuhandgesellschaft von Genf aus die Ölgeschäfte von Anatoly Ternavsky verwaltete. Die Firma Univest-M des in Belarus lebenden Russen nahm ihre Tätigkeit auf, indem sie zum exklusiven Ölhändler des russischen Riesen Rosneft wurde. Im März 2012 wurde dieser Ölbaron aufgrund seiner sehr engen Beziehung zum belarussischen Diktator Alexander Lukaschenko auf die Sanktionsliste der EU gesetzt. Damals kontrollierte er ein undurchsichtiges Netz von Offshore-Firmen. Im Rahmen der Panama Papers aufgetauchte Dokumente belegen, dass Steval zwei Wochen nach diesen Sanktionen Anatoly Ternavsky dabei half, seine Verbindungen zu einer auf den Britischen Jungferninseln registrierten Firma zu verschleiern: Roping Marketing und deren britische Tochtergesellschaft Uni-Trade. Der Trick bestand darin, eine von Natalya Ternavskaya, der Tochter des Ölmagnaten, unterzeichnete Erklärung vorzulegen, in der es hiess, dass sie die wirtschaftlich Berechtigte dieser Unternehmen sei. Noch schlimmer: Es wurde festgestellt, dass das Dokument rückdatiert wurde. «Dieses Timing deutet darauf hin, dass die Aktion wahrscheinlich als Reaktion auf die EU-Sanktionen durchgeführt wurde», schreibt OCCRP.
Doch damit nicht genug: Der Serienverwalter hatte auch das Mandat im Dezember 2020 Taurus Petroleum zu liquidieren, ein Handelsunternehmen, das seit Anfang der 2000er Jahre in mehrere Skandale verwickelt war. Bei dieser berüchtigten Firma hatte Paramount-Gründer Niels T. von 1994 bis 2007 als Händler in der Position eines Senior Crude Trader gearbeitet. Sein Name wird auch im Zusammenhang mit dem «Oil for Food»-Skandal genannt, einem UN-Programm zur Sicherung der humanitären Bedürfnisse des irakischen Volkes nach dem ersten Golfkrieg, das mit einem riesigen System verdeckter Provisionen einherging, von dem unter anderem Saddam Hussein profitierte.
Und da die Welt klein und Genf eine Welt für sich ist, hat Maurice T. dafür gesorgt, dass sich an der Tür seines Geschäftssitzes in Villereuse ein Aushang befindet, der seine Lieferanten durch sein Universum leitet. «Nachstehend nützliche Telefonnummern, falls Sie geschlossene Türen vorfinden», gefolgt von einer Liste mit 26 Unternehmen, drei Telefonnummern, aber immer nur einem einzigen Namen: Maurice T.