Der Zuger Rohstoffhändler Kolmar verklagt Public Eye und TRIAL International auf 1,8 Millionen US-Dollar

Anfang dieser Woche hat die in Zug ansässige Kolmar Group AG beim dortigen Kantonsgericht eine Klage wegen angeblicher Persönlichkeitsverletzung gegen Public Eye und TRIAL International sowie zwei Mitarbeiterinnen dieser Organisationen und einen freien Journalisten eingereicht. Dieser rechtliche Schritt erfolgt dreieinhalb Jahre nach Veröffentlichung eines gemeinsamen Berichts, der die Beteiligung des Unternehmens am Handel mit libyschem Diesel in den Jahren 2014 und 2015 aufdeckte, als das Land mitten in einem bewaffneten Konflikt steckte. Das Verfahren illustriert den zunehmenden Druck, dem investigative Medienschaffende und NGOs, die Themen von öffentlichem Interesse recherchieren, auch in der Schweiz ausgesetzt sind.

1,8 Millionen US-Dollar! So viel Schadenersatz fordert die Kolmar Group AG von Public Eye und TRIAL International im Rahmen einer Zivilklage, die am 25. September 2023 beim Kantonsgericht Zug deponiert wurde. Nach öffentlich zugänglichen Informationen ist dies der höchste Betrag, der je in der Schweiz von einer NGO für eine angebliche Verletzung der Persönlichkeitsrechte gefordert wurde. Im Zentrum der Klageschrift steht der Bericht "Schmuggel von libyschem Dieselöl: Ein Schweizer Händler segelt in unruhigen Gewässern" von März 2020, der auf mehr als einjährigen Recherchen in der Schweiz sowie auf Malta und in Sizilien beruht. Vor dem Hintergrund des zweiten Bürgerkriegs in Libyen wird darin die Beteiligung der Kolmar Group AG am Handel mit libyschem Diesel zwischen 2014 und 2015 dokumentiert. Unter anderem wurde die Route von drei Öltankern von der libyschen Küste zurückverfolgt, die ihre Ladung ganze 22 Mal in Tanks löschten, die der Zuger Händler damals in Malta gemietet hatte. 

Laut den Dokumenten, die Public Eye und TRIAL International erhalten haben, handelte es sich dabei um Diesel aus einem transnationalen Schmuggelnetz, der aus der Plünderung libyscher Ölraffinerien stammte. Der staatlich subventionierte und für die eigene Bevölkerung bestimmte Treibstoff wurde von Schmugglern mit Hilfe einer bewaffneten Gruppe in Libyen abgezweigt, von libyschen Fischerbooten auf von zwei maltesischen Geschäftsleuten gecharterte Schiffe umgeladen und nach Malta transportiert. Zwei Monate nach Veröffentlichung des Berichts reichte TRIAL International im Mai 2020 bei der Bundesanwaltschaft (BA) eine Strafanzeige ein, der kurz darauf eine Meldung der Meldestelle für Geldwäscherei MROS folgte. Im November 2020 eröffnete die BA dann ein Verfahren gegen Unbekannt wegen des "Verdachts auf Kriegsverbrechen durch Plünderung" (Art. 264g Abs. 1 Bst. c des Strafgesetzbuchs).

Die von der Kolmar Group AG nun angestrengte Zivilklage ist das nächste Kapitel eines schon über drei Jahre dauernden Rechtstreits. Nur wenige Tage nach der Anzeige durch TRIAL International reichte der Rohstoffhändler bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern eine Klage gegen die Verfasser/innen ein und beschuldigte sie der "Verleumdung, ja sogar der üblen Nachrede". Dies, obwohl die Firma nicht auf die wiederholte Bitte der NGOs vor Veröffentlichung des Berichts um Stellungnahme reagiert hatte, um dann unmittelbar nach der Publikation eine Gegendarstellung zu verlangen. Nach einem ersten Nichteintretensentscheid wurde eine Beschwerde des Händlers aus prozessualen Gründen gutgeheissen. Der Fall ist weiterhin hängig.

Durch ihre zivilrechtliche Forderung von 1,8 Millionen US-Dollar Schadenersatz erhöht die Kolmar Group AG den finanziellen Druck nun massiv. Die NGOs bestreiten Kolmars Behauptungen und werden sich entschieden dagegen wehren. Dieses Verfahren zeigt exemplarisch, dass die Justiz auch in der Schweiz immer häufiger Fälle beurteilen muss, in denen Kläger die Entfernung investigativer Publikationen zu Themen von öffentlichem Interesse erreichen wollen. Als Reaktion auf diesen Trend wurde kürzlich die Schweizer Allianz gegen SLAPPs gegründet, welche auf die negativen Auswirkungen juristischer Praktiken aufmerksam macht, die für die Meinungsfreiheit und die Demokratie äusserst gefährlich sind.

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