Dunkle Geschäfte, dreckige Gewinne: Schweizer Rohstoffhändler in Nigeria
4. November 2013
Das westafrikanische Nigeria ist zwar führender Erdölproduzent des Kontinents, Lebenserwartung und Einschulungsrate seiner 173 Millionen EinwohnerInnen liegen aber dennoch unter dem Durchschnitt der Länder südlich der Sahara. Massgeblichen Anteil am nigerianischen Rohstofffluch hat die allmächtige Nigerian National Petroleum Corporation (NNPC). Dank so exklusiver wie intransparenter Partnerschaften mit dieser staatlichen Ölgesellschaft beherrschen Trafigura und Vitol über ein Viertel aller nigerianischen Ölexporte. Dies belegen EvB-Recherchen. Zählt man dazu die nigerianischen Händler mit Genfer Filiale, erhöht sich der „Schweizer“ Marktanteil gar auf 56 Prozent respektive 14 Milliarden Dollar.
Laut offiziellen Untersuchungsberichten wird Öl oft unter Marktwert verkauft. Kein Wunder also weist der kompromittierende Brief eines Geschäftspartners Vitol darauf hin, dass „in Bälde wettbewerbsfähige Preise verrechnet werden müssen“. Die bei solchen Transaktionen üblichen Absprachen und Verbindungen zu in Steueroasen domizilierten Firmenablegern erhärten den Korruptionsverdacht. Der Mangel an eigenen Raffinerie-Kapazitäten zwingt das erdölreiche Nigeria zudem zur Einfuhr von Benzin, Kerosin und Heizöl. Dieses paradoxe Importgeschäft wird massiv subventioniert, was zu einem der grössten Betrugsfälle in Afrikas Geschichte geführt hat: Allein von 2009 bis 2011 bezogen beteiligte Firmen 6,8 Milliarden Dollar an unrechtmässiger staatlicher Unterstützung. Die laufenden Ermittlungen der nigerianischen Finanzbehörden zeigen, dass die den Ölexport dominierenden Schweizer Händler auch umfangreiche Geschäfte mit dubiosen nigerianischen Importfirmen machen. Einige davon haben keinerlei operative Aktivitäten oder sind, etwa bei Mercuria-Beteiligungen, im Besitz politisch exponierter Personen.
Entsprechend stehen fünf Genfer Handelsfirmen im Zentrum eines hängigen nigerianischen Rechtshilfebegehrens an die Schweiz. Der EvB-Report zeigt ausserdem, dass mindestens sieben der in diesen Grossbetrug verwickelten nigerianischen Importeure über eine Schweizer Tochtergesellschaft verfügen.Der Fall Nigeria zeigt exemplarisch den immensen Einfluss, den die Geschäftspraktiken von Schweizer Rohstoffhändlern auf ein Entwicklungsland haben können. Parlament und Bundesrat müssen deshalb sicherstellen, dass hiesige Firmen nicht Teil von Missständen sind. Dafür ist mindestens folgendes Dreipunkteprogramm für mehr Transparenz und Sorgfalt notwendig:
- Offenlegung der Zahlungen von Rohstoffhändlern an Regierungen, damit die Veruntreuung von Rohstoffeinnahmen durch staatliche Funktionäre (z.B. bei der NNPC) erschwert wird.
- Schweizer Handelsfirmen müssen gesetzlich zu mehr Sorgfalt bei der Auswahl ihrer Geschäftspartner und der Abklärung der Herkunft der Rohstoffe verpflichtet werden.
- Es braucht ein öffentlich einsehbares Register der wirtschaftlich Berechtigten. So würden die Hintermänner der nigerianischen Briefkasten-Firmen in Genf sichtbar und der Korruptionsverdacht geklärt.
Die britische Regierung hat am 31.10.2013 angekündigt, als erstes Land ein solch öffentliches Register der wirtschaftlich Berechtigten (ultimate beneficial ownership) einzurichten. Zugleich gab sie bekannt, die EU-Transparenzregeln für die Rohstoffbranche bereits nächstes Jahr national umzusetzen.
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Oliver Classen, EvB-Mediensprecher, +41 (0)44 277 70 06, oliver.classen[at]evb.ch
EvB-Report: Schweizer Rohstoffhändler in Nigeria