Ernüchternder Osteuropa-Report: Auch „Made in Europe“ garantiert Näherinnen keinen Existenzlohn

Teure Verkaufspreise oder europäische Produktionsländer bedeuten in der Textilindustrie keineswegs gute Arbeitsbedingungen: Der Osteuropa-Bericht der Erklärung von Bern (EvB) zeigt, dass unter der Armutsgrenze lebende Näherinnen in neun post-sozialistischen Ländern und der Türkei an der Tagesordnung sind und auch Luxusmarken zu Tiefstlöhnen produzieren lassen. Der parallel publizierte Firmencheck attestiert Schweizer Modefirmen diesbezüglich zugleich mangelndes Problembewusstsein.

In ihrer heute lancierten Kampagne fordert die EvB zusammen mit der internationalen Clean Clothes Campaign (CCC) die europäischen Modefirmen auf, in all ihren Lieferketten weltweit einen Existenzlohn zu bezahlen. Mit der neuen, auf einer Befragung und Bewertung von über 100 Markenfirmen beruhenden App „Fair Fashion?“ können sich Konsumierende schnell und übersichtlich zu deren Engagement für einen Existenzlohn informieren und selber aktiv werden.

CCC-Recherchen in neun post-sozialistischen Ländern und der Türkei zeigen, dass Arbeiterinnen, die für Marken wie Hugo Boss, Adidas, Zara, H&M oder Benetton nähen, an asiatische Verhältnisse erinnernde Tiefstlöhne erhalten. Viele der Interviewten sind zum schieren Überleben auf einen Zweitjob oder Subsistenzlandwirtschaft angewiesen. Die gesetzlichen Mindestlöhne liegen in den untersuchten Ländern so tief, dass sie nicht mal ein Drittel des notwendigen Existenzlohns* abdecken. Bulgarien, Mazedonien und Rumänien verzeichneten 2013 gar tiefere Mindestlöhne als China und Moldawien wie auch die Ukraine tiefere als Indonesien.

Die neue Billigproduktionsregion ist für den hiesigen Kleidermarkt von grosser Bedeutung, denn fast die Hälfte der in die Schweiz importierten Kleider stammt aus Europa. Auch Schweizer Firmen wie Manor, Schild oder Calida lassen in Europa produzieren. Gemeinsam mit der CCC und ihren Partnerorganisationen fordert die EvB deshalb, dass alle in der untersuchten Region engagierten Markenfirmen dort einen Nettolohn von mindestens 60 Prozent des nationalen Durchschnittlohns zahlen und diesen dann schrittweise in Richtung Existenzlohn anheben. Einkaufspreise ab Fabrik müssen so berechnet werden, dass dieser Lohnanstieg möglich ist.

PS: Mit der neuen Kampagne geht ein komplett neuer EvB-Internetauftritt einher. Dieser unterstützt unsere Kernkompetenz, relevante entwicklungspolitische Stories zu erzählen und mit diesem Rohstoff wirksame Kampagnen durchzuführen.

Mehr Infos auf hier oder bei

Bericht & Executive Summary

http://issuu.com/erklaerungvbern/docs/2014_d_ccc-report-stitched_up/1