EvB verschreibt „Berseticum forte“ gegen unethische Medikamentenversuche
16. September 2013
Medikamentenversuche am Menschen sind der wichtigste, heikelste und zugleich teuerste Teil der pharmazeutischen Forschung und Produktentwicklung und werden deshalb immer häufiger in regulationsarme „Billigtestländer“ ausgelagert. Fast jede zweite Testreihe wird heute in Entwicklungs- und Schwellenländern durchgeführt. In China beispielsweise kostet derselbe Versuch dreimal weniger als in den USA und geht mangels staatlicher Kontrolle zudem deutlich schneller. Viel einfacher ist in ärmeren Ländern auch die Rekrutierung von „Freiwilligen“, weil der einzige Zugang zu Medikamenten häufig über die Teilnahme an klinischen Tests führt.
Je mehr Medikamentenversuche in Länder mit schwacher Kontrolle ausgelagert werden, desto grösser ist die Gefahr, dass internationale ethische Standards nicht eingehalten werden. Verletzungen treten etwa beim Einholen der Einverständnisse, bei missbräuchlicher Placebo-Verabreichung, verfrühtem Behandlungsabbruch nach Testende oder bei fehlenden Entschädigungen für gravierende Nebenwirkungen auf. Untersuchungen der EvB in Argentinien, der Ukraine, Russland und Indien zeichnen ein alarmierendes Bild: Patientinnen und Patienten wissen in einigen Fällen nicht einmal, dass sich ihre Medikamente noch in der Testphase befinden.
Als Schweizer Zulassungsstelle spielt Swissmedic auch bei der Überwachung nicht wissenschaftlicher Versuchsstandards die Schlüsselrolle. Bezüglich der Einhaltung ethischer Richtwerte im Ausland zeigt sich das Heilmittelinstitut aber weitgehend blind. Transparenzmangel führt dazu, dass Ort und Art von im Ausland durchgeführten Versuchen bei einer Medikamentenzulassung in der Schweiz unklar bleiben. Daran wird auch das neue Bundesgesetz zur Humanforschung mit dem Vorschlag für eine minimalistische Registerpflicht nichts ändern, weil es sich ausschliesslich auf in der Schweiz durchgeführte Studien bezieht. Denn auch zwecks wissenschaftlicher Glaubwürdigkeit müssten ausnahmslos alle Studienberichte veröffentlicht werden, so wie die europäische Behörde es vorsieht.
Die EvB fordert deshalb, dass das bundesrätliche Mandat von Swissmedic künftig auch bei Versuchen im Ausland die systematische Überprüfung der ethischen Standards beinhaltet. Fehlen diese Kontrollen, drohen den Betroffenen erhebliche Gesundheitsrisiken und dem Pharmastandort Schweiz politische Reputationsrisiken. Denn während in der EU die verstärkten Bemühungen für mehr Transparenz und Kontrollen ethischer Standards langsam Wirkung zeigen, sitzt die Schweiz weiter im Wartezimmer.
Weitere Informationen hier oder bei
Patrick Durisch, EvB-Gesundheitsexperte, 021 620 03 06, durisch[at]ladb.ch
Oliver Classen, EvB-Mediensprecher, 044 277 70 06, oliver.classen[at]evb.ch