Nachrecherchen in China widerlegen Sheins Verbesserungsversprechen

Über zwei Jahre nach Aufdeckung der schlechten Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben von Shein sind 75-Stunden-Arbeitswochen dort immer noch Praxis. Unser zweiter Besuch vor Ort zeigt den krassen Widerspruch zwischen dem Akkord-Alltag der Näher*innen in Südchina und der neuen Nachhaltigkeitsrhetorik des Wegwerfmode-Riesen. Zunehmend verschachtelt stellt sich das Shein-Firmengeflecht in unserer neuen Konzernanalyse dar. Insbesondere die intransparenten Finanzen und der von der Bildfläche verschwundene Gründer werfen im Vorfeld des geplanten Börsengangs Fragezeichen auf.
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Manche Recherchen liefern so brisante Resultate und so viel Echo, dass sich ein späterer Kontrollblick auf den damaligen Missstand aufdrängt. Umso mehr, wenn es dabei um den Branchenleader der hochproblematischen Ultra-Fast-Fashion geht und dieser seit unserem Skandalreport von Ende 2021 seinen Angestellten, Kundinnen und Investoren immer wieder Besserung gelobt hat. Die Interviews mit 13 Beschäftigten in Guangzhou, wo viel Shein-Ware produziert wird und auch die letzte Befragung schon stattfand, zeichnet jedoch ein anderes Bild: Arbeitszeiten von 8 Uhr morgens bis in die Nacht sind in den zumeist kleinen Zulieferbetrieben nach wie vor bittere Realität. Die täglich zwölf Stunden an zumindest sechs, meist aber sogar sieben Tagen die Woche steht im Widerspruch zum chinesischen Arbeitsrecht sowie dem firmeneigenen Verhaltenskodex für Lieferanten, der maximal eine 60-Stunden-Woche erlaubt. 

Da die von Public Eye vor zweieinhalb Jahren festgestellten Überstundenexzesse von internationalen Leitmedien bestätigt wurden, hat Shein seitdem massiv ins Reputationsmanagement investiert. Dazu gehört auch die Meldung über ein Fabrik-Audit, in dem die damit beauftragten Firmen SGS, Intertek und TÜV Rheinland angeblich zum Urteil kommen: «Shein übernimmt klar die Verantwortung dafür, dass die in den Fabriken seiner Zulieferer beschäftigten Arbeiter einen angemessenen Lohn für die geleistete Arbeit erhalten.» Dieses Zitat ist seit Anfang 2023 von Sheins Website verschwunden und der TÜV Rheinland hält fest, dass er eine solche Erklärung nie abgegeben hat. Nicht mehr auffindbar auf der Shein-Homepage sind auch die beiden bisherigen Nachhaltigkeitsberichte. Und dass kurz bevor der dritte veröffentlicht werden soll. 

Noch verschachtelter als 2021 ist das heutige Firmengeflecht von Shein, und die Umsätze des Konzerns bleiben intransparent. Dies zeigen Handelsregisterdaten aus Singapur, Hongkong und Irland, die Public Eye vorliegen und in ein aktualisiertes Organigramm eingeflossen sind. Unbekannt war bislang auch, dass sich der legendäre Firmengründer Xu Yangtian schon vor Jahresfrist aus dem Vorstand der offenbar als Geschäftszentrale fungierenden «Roadget Business» zurückgezogen hat. Solche Undurchsichtigkeiten dürften auf neue Investoren, die Shein angesichts der Pläne für einen Börsengang offenbar sucht, genauso wenig vertrauensbildend wirken wie auf die Politik. Diverse parlamentarische Vorstösse in verschiedenen Ländern, darunter auch Schweiz, weisen in die richtige Richtung. Eine wirksame Regulierung der globalen Fast-Fashion-Industrie lässt aber weiter auf sich warten. 

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